Dienstag, 24. Dezember 2013

Geschenkt

Die Wetterlage lässt es kaum vermuten, aber es ist tatsächlich Weihnachten! Für mich ein ganz besonderes Weihnachten. Ich habe meine Geschenkekaufliste dieses Jahr um mindestens zehn familiäre Ex-Posten gekürzt, was Geldbeutel und Stressempfinden schont. Und doch habe ich die Geschenkekaufliste unerwartet wieder verlängern dürfen. Das ist ein großes Geschenk! Traditionell verlangt so also auch dieses Weihnachten genau wie das 2012 nach einem Ausdruck purer ironiefreier und gefühlsbetonter Dankbarkeit an Euch, meine lieben Leser!

Danke an Euch alle! Fürs Lesen. Hier und in der Zeitung. Danke für Anregungen, Tipps und Vorschläge. Danke für Lob und Kritik. Danke, dass es - logisch, ich kenne meine Fähigkeiten (und meine Arroganz)! - mehr Lob als Kritik gab. 

Vor allem aber ein großer Dank Freunden und Familie (wobei es oft alles in einem ist - meine Freuamilie) fürs Zuhören und Zulesen in einem Jahr, wo für mich alles ziemlich 13 war. Und ein noch größerer Dank gilt all jenen, die sich so lange mein Schweigen dazu angehört haben. Vielen Dank den Neuen in meiner Freuamilie, dass Ihr jene Menschen Lügen gestraft habt, die behaupteten mein Job bringe mir keine Freunde ein.

Danke! Danke! Danke!

Und nicht nur für die Kenner unter uns gilt: 



Donnerstag, 19. Dezember 2013

Geladen

Ich glaube, der örtliche Energieversorger und ich sind keine Freunde mehr. Zumindest sind der Chef vom örtlichen Energieversorger und ich keine Freunde mehr. Wieso? Weshalb? Warum? Das ist ganz einfach! Der Chef vom örtlichen Energieversorger hat letztens LED-Weihnachtsbeleuchtung in meiner Straße installiert. Jetzt haben wir Krieg. Klingt komisch? Ist aber so! 

Natürlich hat der Chef vom örtlichen Energieversorger die LED-Weihnachtsbeleuchtung nicht wirklich selber installiert. Aber er hat sie ihm Rahmen eines lokalen Pressetermins angeknipst, ich war ja dabei. Und als das geschah und ich zum ersten Mal die LED in meiner Straße sah, war mir klar: Das ist der helle Wahnsinn! 

Eine von den LED-Lichterketten, die jetzt die Straße überspannen, hängt nämlich nicht eben weit von meinen Fenstern entfernt. Die Sonne geht aus, vor meinem Fenster geht die LED auf. In der ersten Dezemberwoche ging die LED erst unter, wenn die Sonne wieder angeht. Das hat mich in der ersten Nacht Schlaf, in der zweiten Nacht Nerven und ab der dritten Nacht Gewaltfantasien gekostet. Und Teile meines Selbstbewusstseins, das dieses Jahr ohnehin schon abgebaut wurde. Die LED leuchtet trotz des Einsatzes von Vorhängen auch mein Schlafzimmer aus, wo ich mich von Zeit zu Zeit und eigentlich auch mal gerne nackig mache (die Vorhänge sind dann immer zu, möchte ich mal betonen). Und wenn mir eine LED den mannigfaltigen Sinn der Ina-Müller-Textzeile "Lieber Orangenhaut als gar kein Profil" verdeutlicht ... möchte ich der LED gerne sagen, dass ich eine Menge Profil habe und alles andere daher nicht nötig oder nicht wahr haben will.

Klarer Fall: Ich musste was tun, gegen Ungerechtigkeit muss man doch was tun. Ich habe diverse Kinder besitzende Menschen aus meinem Umfeld sehr direkt gefragt, ob ihre Kinder nicht zufällig mit Ball, Zwille oder sonst irgendwie für Verdunklung sorgen könnten. Weil ich selbst nicht straffällig werden wollte und eigentlich auch keinem Kind meine Art Erziehung aufzwingen wollte, was vermutlich auch schon die Vorstufe zum Straffälligwerden darstellt, habe ich mich für den Jacobsweg entschieden: Ich glossierte die Sache mit der LED vor meinem Fenster. Ich habe wortgespielt mit allem, was in Sachen Licht und LED geht. Ich habe dem örtlichen Energieversorger in der Zeitungsglosse gedroht, dass ich seine LED-Lichterketten gewaltsam entfernen werde, wenn nicht bald wenigstens nachts Lichtruhe herrscht. Ich habe dafür gute Begründungen geliefert. Sicherheitsaspekte wie den, das Piloten meine Straße für eine Landebahn halten könnten. Und auch die Sache mit dem dunklen Schatten auf meinem Selbstbewusstsein. Also ich fands witzig und eine ganze Reihe anderer Menschen auch. Einer, der Bürgermeister, hatte Mitleid und ließ dafür sorgen, dass die LED nun nicht mehr die ganze Nacht durchleuchtet und noch vor Mitternacht ausgeknipst wird.

Der Chef vom örtlichen Energieversorger aber fand das alles wohl nicht so dolle. Diese erhellende Erkenntnis ereilte mich Anfang der Woche. Der örtliche Energieversorger hatte ein paar Kinder eingeladen, um ihnen vom Weihnachtsmann Geschenke überreichen zu lassen. Die Kinder wurden aus einer ganzen Reihe Wunschzetteleinreicher des zurückliegenden Adventsmarktes ausgelost. Ich hatte auch einen Wunschzettel abgegeben. Da stand schlicht "Weltfrieden" drauf. Ich konnte leider bisher nicht den Eindruck gewinnen, dass dieser Wunschzettel in irgendeiner Weise Beachtung fand. Und das bedeutet Krieg! Beim Weltfrieden verstehe ich keinen Spaß. Ich wähnte daher in diesem Aufgebot des örtlichen Energieversorgers den Versuch mich zu besänftigen: 


Nein! Das Getränk war allein für die Kinder gedacht. Ich bekam nur den Chef vom örtlichen Energieversorger. Während ich meinen Job tat und fotografierte und notierte, was da so an Gaben von Weihnachtsmann zu Kind wanderte, sprach der Mann mich mehrfach und wiederholt aus meinem eigenen Windschatten heraus an. Ob denn das wirklich so schlimm sei mit der LED? Ob denn das wirklich sein musste in der Zeitung? Ob mir klar sei, dass er und seine Leute das nicht lustig fanden? Und ob es denn wirklich so schlimm sei? Und wieder von vorn. Und noch mal. Und wieder von vorn. Wir tauschten während ich fotografierte und notierte, was eigentlich grad als Veranstaltung lief ein paar Standpunkte aus. Was wiederum durchaus auch Veranstaltungscharakter gewinnen konnte.

Ich bin mir nun noch immer nicht sicher, ob ich den Chef vom örtlichen Energieversorger in mein Schlafzimmer hätte einladen sollen ...

Es ist also nicht nur mein Job, der mich um Schlaf und Verstand bringt. Manchmal liegt es echt nur am Licht. Sollte ich am 13. Januar bei "meiner" Lesung von einer LED angefunzelt werden, gehe ich sofort. Alles andere ist Euer Job!

Samstag, 14. Dezember 2013

Auspacken

oder: ein Bilderrätsel

 

Schon mal gefragt, was Frauen in ihren Handtaschen haben? Zumindest kann zur Aufklärung beigetragen werden, was die junge Heldin und Journalistin hier (also ich) in ihrer Handtasche hat.

Seit mehr als zwei Jahren wird jenes formschöne Modell Tag für Tag genutzt:


Darin befindet sich all dieser nützliche Kram hier:


Nun bekam die junge Heldin ein neues Modell geschenkt:


Aber passt da alles rein?


Nein! Äpfel müssen draußen bleiben.

Wenn Ihr gaaaaaaaaaanz lieb fragt, verrate ich Euch vielleicht auch mal, was in dem kleinen Täschchen in der Tasche oder dem Kalender oder in der Geldbörse so alles versteckt ist. Vielleicht schütte ich mich, äh die kleine Tasche in der Tasche auch aus. Gegenleistung? Euer Job!

Sonntag, 8. Dezember 2013

Vortäuschen

Eitel Sonnen- beziehungsweise Kerzenschein - nicht selten macht das die deutschen Lokalzeitungen aus. Das Eitel-Sonnenkerzenscheinige gilt pflichtgemäß auch für den Berichterstatter über so manche lokale Kleinst- bis Großveranstaltung - das definiert sich ja im Lokalen je nach Größe des anhängenden Dorfes. Gerade in diesen Tagen sind die Lokalzeitungen wieder mindestens so hochschwanger wie Maria von Friede, Freude und Feierpunsch der örtlichen Weihnachts- und Adventsmärkte. Der kleine Lokaljournalist benutzt dazu gerne Worte und Wortgruppen wie "Budenzauber", "traditioneller Stollenanschnitt", "gemütliches Beisammensein", "zum Verweilen einladen" und widmet mindestens zehn Zeilen der Berichterstattung über das Wetter des zurückliegenden Wochenendes. Wetter überhaupt ist ja im Lokalen sehr wichtig. Wird etwas Neues eröffnet und scheint zufällig noch die Sonne, so ist Klärchen der Sache gewogen, der Wettergott war gnädig mit diesem und jenem und so weiter. Ist ein Weihnachtsmarkt - natürlich! - gut besucht, so trotzen die Besucher in so gut wie jeder Weihnachtsmarktberichterstattung stets dem Wetter. Dabei ist es völlig unerheblich, ob T-Shirt-Wetter oder die Szenerie aus "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" herrschte. Noch dazu hat der lokale Berichterstatter angesichts der glühweinselig auf traditionellen Weihnachtsmärkten gemütlich beisammen seienden zum Verweilen eingeladenen Massen die Pflicht, die eigene Grinchigkeit überwinden.

Es gab da mal eine Tatort-Folge, da sagte die nicht eben für ihr sonniges Gemüt bekannte Ermittlerin Charlotte Lindholm dies hier: 
"Wir können nicht objektiv sein. Wir sind immer voreingenommen. Aber wir können uns diese Voreingenommenheit bewusst machen." 
Das gilt für Krimi-Ermittlungen und Journalismus gleichermaßen. Wer so wie ich schon voreingenommen auf den örtlichen Weihnachtsmarkt geht und sich ob aufgesetzter Zwangsfröhlichkeit schon vorsorglich das Gesicht selbst einfriert, bevor er überhaupt dem Wetter trotzend ins Freie tritt, der sollte sich dies bewusst machen. Wenn die lokale Masse freudig über den Weihnachtsmarkt schlendert, den man selbst so blöd wie fast alles rund um Weihnachten findet, sollte man diese Voreingenommenheit in der Berichterstattung möglichst vertuschen. Wer selbst am liebsten im Glühwein ertrinken will angesichts der Menschen, die man auf dem örtlichen Weihnachtsmarkt (an)sehen muss, der lässt sich diese voreingenommene Übellaunigkeit besser nicht oder höchstens zeitversetzt (siehe hier) anmerken. Wenn alle anderen gut drauf sind, tut die lokale Berichterstattung auch besser so als ob ...  dies alles auch ganz toll und schön und besinnlich und traditionell und gemütlich und zum Verweilen einladend und schön ist ... und überhaupt ist alles Friede, Freude und Feierpunsch. Da passt sich der Journalismus einfach besser mal dem Massengeschmack an und berichtet ansonsten über das Wetter, Wetter ist ja immer. Der Grinch im Journalist springt derweil auf und ab und verflucht die Gesamtsituation.

Ich habe heute also einen Bericht über den örtlichen Weihnachtsmarkt geschrieben, den würde ich angesichts seiner dem Wetter trotzenden Glückstrunkenheit niemals laut vorlesen wollen, zudem habe ich gefühlt mindestens 40 Zeilen dem Wetter gewidmet. Aber andere Sachen würde ich schon mal laut aussprechen wollen! Was? Das ist Euer Job!

Montag, 2. Dezember 2013

Manic Monday

Viele Menschen behaupten von sich ja, dass sie Montage blöd finden. Ich kann von mir behaupten, dass ich jeden Montag aufs Neue dem Montag ins Gesicht lache, wie blöd ich ihn eigentlich finde. Denn Montag ist mein "Ich jammere über mich selbst, buhu"-Tag. Und jedes Mal, wenn ich beginne mich montags selbst zu bedauern, muss ich unweigerlich schief zu grinsen anfangen.

Montags bleiben mir für meinen ewigen und eventuell (?) aussichtlosen Versuch, mit der Arbeit in meiner Lokalredaktion die Welt der kleinen Kleinstadt ein kleines bisschen aus den Angeln zu heben immer nur ein paar Stunden. Im Kern bleibt mir nur bis kurz vor vier und bis dahin eine Menge Hektik zwischen den montags immer besonders langen Dienstberatungen in der Redaktion - denn montags dienen die Beratungen der Wochenplanung. Wenn die Planung für die kleine Kleinstadtzeitung gerade so gemacht ist, dann muss ich auch schon in die große Großstadt rauschen und kleines Geld verdienen. Montags arbeite ich nämlich nebenbei als Layouter eines am Mittwoch erscheinenden Anzeigenblättchens. Zwischen den Anzeigen mit ihrem Werbeblabla muss gelegentlich mal eine mitunter auch nicht weniger werbende und manchmal nicht weniger blabla Pressemitteilung untergebracht werden - das ist wie bei Frauenzeitschriften. Ich baue Fotos und Texte um Anzeigen herum, zwischen Anzeigen hindurch, unter Anzeigen hinweg, über Anzeigen drüber, links neben Anzeigen, rechts neben Anzeigen, im Quadrat um Anzeigen ... Ich versuche mir auch beim Redigieren der Pressetexte je nach Laune und Lage möglichst wenig Mühe und eigenen Anspruch zu geben, mache es meistens aber doch - und ich quäle (buhu) mich damit in Anwesenheit weiterer Leidensgenossen nicht selten bis spät in den Abend hinein. Und: Es steckt doch eine Menge Arbeit in diesen Anzeigenblättchen, die man gerne schon am Erscheinungstag so acht- und sorglos direkt in die Papiertonne wirft.

Buhu ... wenn ich könnte ... ich würde mein Geld nur mit Schönschreiben verdienen. Wenn ich könnte ... ich würde mein Geld nur damit verdienen, wirklich schöne Texte zu schreiben. Wenn ich könnte ... ich würde davon leben Sachen zu schreiben, die etwas bewirken und bewegen, Menschen zum Lachen bringen oder zu Tränen rühren. Wenn ich könnte ...ich würde von dem einzigen Talent leben, das ich habe. Diesem hier

Das ist wirklich das einzige klein wenig Talent, das ich überhaupt habe - aber immerhin habe ich überhaupt eins! Mein ambitioniertes Singen im Auto und unter der Dusche werte ich nicht als Talent. Obwohl mir mein ambitioniertes Gesinge schon eine Menge eingebracht hat. Flüchtige Bekanntschaften für die Zeit der Rotphase einer Ampel. Ansonsten nichts. Ich möchte unter meiner Dusche auch niemanden kennen lernen. Auch sonst unter keiner Dusche.

Weil ein bisschen Talent und große Träume aber nicht zum Leben leben reichen, fahre ich jeden Montag weiter brav Texte zwischen Anzeigen wurschteln. Wenn ich dann abends im Auto gen Heimat fahre und von Müdigkeit geschlagen wieder denke "Wenn, ja wenn" (anders ausgedrückt: buhu), beschränke ich mich schnell auf ambitioniertes Singen zur nicht immer ambitionierten Songauswahl eines x-beliebigen Radiosenders und vergesse die Welt um mich herum. Heute habe ich eine mit dem Grinsen eines zuvor noch recht müde wirkenden Mittfünfzigers dotierte Vorstellung von "Last Christimas" von Wham! gegeben, es war also doch so etwas wie ein guter Tag. Buhu ... "Last Christmas I gave you my heart" ... zur Erinnerung: Last Christmas I gave you my heart ... Habe ich wirklich gemacht, steht doch hier! ... But the very next day you gave it away?

Buhu ... wie praktisch! Wenn ich doch montags schon mal da bin, kann ich doch gleich mal was lesen am Montag, 13. Januar, in LE ... Was? Das ist Euer Job! 

Übrigens: Am Mittwoch werde ich dieses Anzeigenblättchen wie jede Woche acht- und sorglos direkt in die Papiertonne werfen.

Donnerstag, 28. November 2013

Mündliches

Aus meinen Paar-Problemen sind dieses Jahr ein paar Probleme geworden, indem ich Single wurde. Unter anderem scheint mein Chef - er könnte wahrlich mein Vater sein - nun bemüht, einen neuen Mann für mich zu finden. Er kommt zum Beispiel von Terminen und erzählt mir, wen er da in meinem Alter getroffen hat - und dass derjenige auch allein ist. Eines Tages werde ich dem Chef einfach sagen müssen, dass das zwar lieb gemeint aber sinnlos ist.

Mein Chef hat aber auch gesagt, dass ich richtig große Probleme mit ihm bekomme, wenn ich mit irgendeinem der vier männlichen Kollegen um die 30 ins Bett steigen sollte. So gratulierte mir mein Chef also sehr herzlich zu meiner Scheidung und schob sogleich folgende Warnung nach: "Ich schmeiße dich im hohen Bogen raus, wenn du mit einem von den Jungs vögelst!" - was wirklich kategorisch ausgeschlossen ist: Keine Sorge! Der eine ist glücklich verheiratet. Der andere hat eine Freundin, mit der ich übrigens auch befreundet bin, und eine Tochter. Der dritte und der vierte haben auch jeweils eine Freundin.

Was für pubertäres Gesindel um die 30 aber eine ideale Vorlage für hemmungslose Späße ist. Wer sich schon immer mal gefragt hat, was so in Redaktionen besprochen wird, der darf jetzt 1. rot werden, 2. die wahre Coolness meines Chefs bewundern, sich 3. fragen, warum ich eigentlich so eine coole Braut bin und 4. uns um all den derben Spaß beneiden, den wir uns jeden Tag machen:

Kandidat vier hat Geburtstag, tritt an den Single-Schreibtisch, knubbelt am Knopf seiner Hose rum und sagt: "Ich weiß ja, dass du rausfliegst, wenn wir vögeln. Aber zum Geburtstag könntest du mir ruhig mal einen blasen!"
Single (verschluckt sich sogleich am Tee und wird rot): "Ähm, da müsste ich mal eben den Chef fragen, ob das okay wäre oder ob das schon Vögelei ist!"
Single geht ins Büro vom Chef, der gerade telefoniert. Vier folgt. 
Chef (ins Telefon): "Äh, ich rufe Sie gleich zurück. Hier stehen gerade zwei Kollegen vor mir, die gucken komisch. Ich glaub die wollen heiraten oder so." 
Pause
Chef (wieder ins Telefon): "Nee, nicht zwei Homos. Einer davon ist schon eine Frau, denke ich. Ich muss das jetzt mal klären, die gucken wirklich so komisch."
Chef legt auf: "Ja, bitte?"
Single: "Du hast doch gesagt, dass du mich rauswirfst, wenn ich mit einem von den Jungs vögeln sollte..."
Chef (weit aufgerissene Augen): "Ja, das habe ich auch so gemeint."
Single: "Aber der vier hat ja heute Geburtstag und da wollten wir mal fragen, ob ich ihm da einen blasen dürfte so als Geschenk?"
Chef: "Ach so. Das ist ja nicht vögeln. Aber macht bitte leise."
Ende der Geschichte - es bleibt natürlich bei lustigen Verbalattacken dieser Art. Also wir finden das jedenfalls lustig, sexy Sexismus ist unser Ding. Aber es gilt noch immer: never fuck the company

Ich möchte hiermit aber mal kategorisch ausschließen, diesen Dialog jemals laut zu lesen. Der Rest dieses Blogs ist aber frei von meiner Zensur und darf gewünscht werden - es ist Euer Job!

Mittwoch, 27. November 2013

XXL

Journalisten haben auch Chronistenpflicht. Das heißt, mal verknappt ausgedrückt, dass wir als Journalisten das dokumentieren, was war, passiert und ist.

Die Chronistenpflicht meiner selbst führt nun zu diesem kleinen Post hier. Klein, weil mir vor Freude die vielen Worte fehlen, die ich sonst so mache. 

Ich habe heute mein erstes Autogramm gegeben! Und das bedeutet nicht nur etwas, weil es das erste Mal ist. Ich habe nämlich heute dem Feuerwehrmann ein Autogramm gegeben, dessen Geschichte das große Mädchen in mir zum Weinen gebracht hat. Und das kleine Mädchen in mir hüpft daher seit ein paar Stunden vor freudigem Stolz auf und ab.

Mal angenommen, dass ich irgendwann in meinem Leben noch einmal ein Autogramm geben sollte, wird dieser Tag immer ein Feiertag für das kleine und das große Mädchen bleiben, weil dieses Autogramm immer etwas ganz besonderes ist und bleibt in meiner Chronik.

Danke! Mehr haben weder das kleine noch das große Mädchen an Worten.

Dienstag, 26. November 2013

08/15 wäre so toll

Ich sehe mich heute leider zu diesen Fingerübungen hier gezwungen. Ihr müsst das gar nicht lesen. Ich muss das nur schreiben. Dann tauen meine Finger nämlich wieder auf. Meine üble Laune allein schafft das heute nicht, ich brauche einfach Bewegung. Ich hatte heute 17 Uhr einen Termin. Aha, mag der geneigte Leser nun die Augen rollen. Einen Termin zu haben, das ist ja nichts so außergewöhnliches an sich im journalistischen Leben. Ohne Termin keine Fingerübung für die Zeitung, also kein Artikel.

Aber: Dieser Termin war und ist die vollmundig angekündigte Inbetriebnahme eines in der Einladung als "Energie-Juwel" gepriesenen Solar-Mini-Kraftwerks, in Stellung gebracht vor dem "traumhaften" Ambiente eines alten Ritterguts. Zu Gast sollten "bundesweit angereiste Fachexperten" sein, um "modernste autarke Energieerzeugung" zu erleben nebst E-Autos mit "sensationellen" Reichweiten. Dieses Kraftwerk ist eigentlich auch nur ein Türmchen, an dessen Ende eine Fliesenwand wie im Baumarkt, nur eben aus Solar-Modulen, angebracht ist. Eigentlich sieht das Ding ein bisschen aus wie einer dieser Parabolspiegel irgendwo in der Wüste. Ist eigentlich auch sch...egal. Ich habe es nicht so mit Technik. Ich habe einfach nur schlechte Laune.

Denn: Bevor ich zu diesem Termin mit meinem kleinen Auto huschte, welches ich erst noch von Eis befreien musste (die Laune, die Laune!), schrieb ich zu diesem Zeitpunkt noch deutlich besser gelaunt eine XL-Mail, ich müsse nun zu einem dieser 08/15-Termine. Die Art Termin, die irgendwie immer gleich alle gleich langweilig sind: Rede wird gehalten, danach gibt es ein paar Schnittchen, bisschen noch mehr blabla und man kann wieder gehen.

Aber: alles ganz anders als 08/15. Die Inbetriebnahme dieses "Energie-Juwels" findet - natürlich - im Freien statt. Es reicht den Protagonisten aber nicht, mal symbolisch einen Stecker in die Steckdose zu wamsen. Nein! Es muss ja die ganz große Show sein. Bei Minusgraden. Im Freien. Wo es stockfinster ist. Das muss man dann einfach mal auf sich wirken lassen: Laser-Show. Klassische Musik. Nebelmaschine. Ich meine die Götterdämmerung von Wagner zu vernehmen - das kann aber auch Einbildung sein. Laser. Musik. Nebel. 15 Minuten lang. Dann wird der Solarspaß angemacht. Nebel pufft, der Laser schnellt gen Himmel. Dann Rede. Technische Details und Daten. Vortrag. Im Freien. Wo es stockfinster ist. Und kalt. Schon mal versucht im Dunkeln mit Eisfingern zu schreiben, wenn einem die Tinte im Kulli gefriert und alle um einen herum entweder Handschuhe* oder die Finger in den Hosen- und Manteltaschen tragen, weil es knirschkalt ist? Nein? Nicht? Klar! So eine Schwachsinnsidee hat ja auch sonst keiner!

Also: Der Mann, der auch die Presse eingeladen hat, macht jetzt aus seinem "Energie-Juwel" gleich noch einen "Energie-Diamanten". Und es ist ihm auch sehr wichtig zu sagen, dass man in ein komplettes Überwachungssystem investiert hat und man als Gast hier quasi vom Parkplatz bis zur Eingangstür des "traumhaften" Ambientes namens Rittergut komplett gefilmt wird - mit Nachtsichttechnik. Wenn ich die von Blindheit geschlagenen Kringel in meinem Notizbuch richtig deute, habe ich das so auch aufgeschrieben. Erst nach 40 Minuten in der Kälte begeben wir uns ins Innere des "traumhaften" Ambientes. Dort gibt es Glühwein zum Aufwärmen. Den man aber nicht trinken kann, wenn man mit dem Auto ist. Kein Tee, kein Kaffee. Alkohol. Und der Mann spricht wieder vom "Energie-Juwel" - in dem Raum sind 20 Leute und er hantiert dabei mit einem Mikro als wäre er Thomas Gottschalk vor ausverkaufter Stadthalle. Mir friert das Gesicht ein - ich wünsche mich in die Dunkelheit zurück und stehle mich davon.

Und: Wenn ich jetzt Glühwein im Haus hätte, würde ich mir diesen Termin nachträglich warm, hell und vollkommen 08/15 saufen!

Gemerkt? Mein Job ist manchmal nervig - Euer Job! hier ist besser. Sucht, was ich lesen soll und Ihr hören wollt. Danke!

* Ich hatte meine Handschuhe im Auto gelassen. Ich dachte nämlich, dass sie mir nur im Weg sind, wenn ich nach einem kurzen und sinnvollen (!!!) Moment draußen dann im warmen Gebäude mit Kamera, Notizbuch und Stift hantieren muss oder ich sie versehentlich an der Garderobe vergessen könnte. Oder so. Ja! Ich hab sie einfach vergessen. Schreibt sich aber auch blöd mit Handschuhen.

Samstag, 23. November 2013

Gute Zeilen, schlechte Zeilen

Es ist gar nicht so leicht, ein guter Journalist zu sein. Und das nicht, weil man eine ganze Menge können muss, um ein guter Journalist zu sein und neben Handwerkszeug auch noch ein bisschen Talent mitbringen muss. Man muss auch eine ganze große Menge Erwartungshaltung abkönnen. Die der Leser. Und, fast schlimmer noch, die eigene an sich selbst.

Ich habe gerade einen zirka 80 Zeilen langen Text für ein Anzeigenblättchen verfasst. Das bringt einem nämlich auch ein paar Euros, die man in Stromrechnungen, Tankrechnungen, die Krankenkasse oder aber Bücher und Schuhe investieren kann. Mir fällt die Entscheidung zwischen Buch und Schuh oft schwer

In diesem Falle habe ich den Lokaltermin, die Eröffnung eines Ladens der örtlichen Behindertenwerkstatt, gleich doppelt besetzt. Für die Zeitung, die mir monatlich eine Pauschale überweist. Für das Anzeigenblättchen, das mir Zeilen bezahlt. 

Wenn man als me, myself and I arbeitet, braucht man quasi die Fähigkeit, auch mal so weit neben sich zu stehen, dass man sich selbst dabei zuwinken kann - privat gelingt mir das recht häufig recht gut. Jobtechnisch muss man mit Kühlkopflastigkeit schauen, dass man genug Infos in den Block und genug Fotomotive in den Kasten bekommt. Man darf nämlich Texte und Bilder nicht doppelt verkaufen. Dann müssen sich die Leute auf dem Foto eben immer wieder anders hinstellen.

Anschließend schreibt man einfach zwei möglichst unterschiedliche Texte über ein und dieselbe Geschichte. Den ersten Text habe ich gestern abgeliefert und heute ist er in der Zeitung. Er ist ... na ja ... er ist okay. Mehr nicht. Aber beim Lesen des zweiten Textes fürs Anzeigenblättchen habe ich soeben leider festgestellt, dass ich den schon noch weniger okay finde. Das mit dem weniger okay kann aber auch daran liegen, dass ich zum großen Teil aus der Rede des Landrats zitiere, deren Ausdruck ich mir mit einem kurzen Tausendwattlächeln erschlichen habe. Aber fürs Blättchen möge es doch schon noch reichen?! Hm. Ein kleines Würmchen voller Eitelkeit, Erkenntnis und Erwartungshaltung krabbelt grad durch meinen Bauch. Lösung? Flugs ein Pseudonym verwendet und den Text fortgeschickt per Mail! Damit ist wenigstens die Erwartungshaltung ausgeknockt und das Würmchen läuft leiser.

Wobei kein Mensch - auch der nicht, der jeden Tag Texte produzieren muss - jeden Tag eigene und fremde Erwartungshaltung erfüllen kann! Ich gewinne da noch jeden Tag neue Erkenntnisse und Einbrüche: Auch dem guten Journalisten werden immer wieder gute und weniger gute Texte gelingen. Man hat ja gute und schlechte Tage, gute und schlechte Themen, gute und schlechte Ideen, gute und schlechte Gesprächspartner. Manchmal hangelt man sich mit einer Reihe von Kopfschuss-Wörtern zu einem Text, der als okay durchgeht. Wenn ein Termin oder Thema schon nur so "na ja" oder Schulterzucken ist ... wird auch der Artikel oft nur so "na ja" und ein Schulterzucken ... und man grummelt beim Lesen am Folgetag ein wenig über sich selbst.  Also ich mache das jedenfalls.

Aber manchmal - Selbstverteidigung - hat man einfach keine Lust noch die x-te Blutspende mit einem journalistischen Kleinod der kreativen Phrasendrescherei anzukündigen oder überhaupt der Zeitungsrandspalte (das ist da, wo oft dieses nette "red" steht) deutlich mehr Mühe als "Ich schreibe möglichst nach aktuellem Duden und ohne verdrehte Daten oder Uhrzeiten, mehr gibt es nicht zu erwarten" zu widmen. Manchmal macht man von 15 bis 100 Zeilen einfach nur grundsolide Arbeit - wenn man Glück hat, ist man gut genug, dass es nicht gleich auffällt, wenn man einen schlechten Tag oder ganze schlechte Zeiten hat. Oder man hat Glück und kann sich einen Decknamen oder das red geben (siehe oben).

Aber manchmal hat man so einen guten Tag, dass man sogar die Routinearbeiten in der schreiblangweiligen Randspalte mit viel Liebe und Hingabe und ein bisschen Witz erledigt. Zum Beispiel bei der Ankündigung, dass demnächst Militärmusiker in der Stadt aufspielen und Geld für einen guten Zweck gesammelt wird. Man kann dies hier als Einstieg schreiben: "Das Wehrbereichsmusikkorps ist am kommenden XY in XY zu Gast..." Oder man schreibt, dabei den militärverrückten Oberbürgermeister im Hinterkopf*, der die Meldung per klarer Ansage im Pressegespräch unbedingt in der Zeitung haben will: "Für den guten Zweck wird der Marsch geblasen..." Also ich fands irgendwie mal ganz nett ... Denn: Man kann ja auch aus kleinen Zeilen gute Zeilen machen!

Übrigens: Gestern ergab sich beim Kleinstädterausflug in die große Stadt ein spontaner Besuch mit Freunden in der MB in Leipzig. Da landet man ja gerne mal, wenn man hungrig und suchend durch die Stadt zieht. Ich bin jetzt sehr beruhigt. Der Raum, in dem "meine" Lesung beim durstigen Pegasus stattfindet, ist gerade klein genug, um eine große Anzahl Buh-Rufer auszuschließen. Also denkt dran, Ihr habt auch noch was zu tun - es ist Euer Job! Ich mach doch nicht die ganze Arbeit allein, ich muss ja schon schreiben und lesen und Ihr nur zuhören ... tzzzzzzzzzzzzzzzzzz

* Wörtlich genommen: Ich frage mich gerade, was dieser Mann wohl in meinem Hinterkopf erleben würde und wie es ihm (oder irgendeiner anderen Person) dort gefallen würde? Wahrscheinlich würde er irgendwann verstört bis (verstört) lachend über meine Zunge - das ist dort, wo ich mein Herz trage - wieder rausgekrabbelt kommen aus meinem Hinterkopf.

Mittwoch, 20. November 2013

Als morgen gestern heute war

Oder: Häh? 

 

Mein Beruf stürzt mich immer wieder in mir äußerst lästige Momente tiefer Verwirrung und Orientierungslosigkeit. Im Moment weiß ich nicht mit Sicherheit zu sagen, was für einen Wochentag wir haben. Ich schätze mal, dass es sich um einen Mittwoch und Feiertag handelt. Ich bin mir aber nicht so sicher*. Ich werde mal nachschauen müssen. Passiert mir heute nicht zum ersten Mal.

Weil: In meinem Job ist morgen heute gestern und übermorgen morgen und gestern vorgestern und heute schon gestern und vorbei bevor morgen überhaupt anfängt. Alles klar?

Mir auch nicht! Weil: Man sitzt als Journalist immer an irgendeinem Tag X da und schreibt über das, was heute ist für die morgige Ausgabe, dass es gestern ist. Da sagt dir also jemand heute, dass er heute die Patenschaft für ein Tiergartentier übernimmt und du bist schreibend schon längst in der Zukunft angelangt - und er sagte (Präteritum) es gestern (noch präteritumiger).

Oder man kündigt eine Veranstaltung, die morgen ist als heute an. Also: morgen ist es möglich, ein Theaterstück anzusehen und du tippst das Wort heute, weil du schreibend total futurama bist. Besser noch: heute für morgen schreiben, dass morgen etwas ist - das ist dann also übermorgen in Echtzeit. Dann bist du futuramiger. Noch besseriger: die Leser heute für morgen darauf hinweisen, dass übermorgen dieses und jenes ist. Futur-au.

Verwirrend kommen noch diese Sonntags- und Feiertagsdienste dazu. Das führt dazu, dass die Arbeitswoche manchmal nicht am Freitag endet oder am Montag startet - sondern einfach durchläuft. Was ist dann kommende und was diese Woche?

Und weil an Feiertagen keine Zeitungen erscheinen, arbeitet der Journalist nicht an dem Tag vor dem Feiertag - dafür aber am Feiertag selbst. Während viele andere Menschen (viele, nicht alle!) Zeit haben zu recherchieren, was für einen Wochentag wir eigentlich haben, lebst du als Journalist in der Gewissheit, dass ja heute schon morgen alles gestern und vorbei war.

Das ist eine der vielen Sachen, die uns zu Berufszynikern machen und vergessen lässt, welchen Tag wir eigentlich haben.

Bekannt dagegen ist, dass der 13. Januar ein Montag ist und Ihr eine Aufgabe habt - es ist Euer Job!

* Dass ich mir nicht sicher bin, liegt auch ein klitzkleinbisschen daran, dass ich bis heute von gestern an ins morgen getrunken und getanzt habe. Ich komme also nicht umhin mich zu fragen: Häh?

Sonntag, 17. November 2013

Euer Job!

Verrückt! Ich wurde gebeten, am 13. Januar 2014 ein bisschen was aus meinem Blog in Leipzig vorzulesen. Und zwar bei dieser schönen und spannenden Geschichte hier - Der durstige Pegasus, eine Leipziger Institution seit 30 Jahren. Der Autor und Gastgeber Norbert Marohn, das ist dieser hier, ist nämlich auf meinen Blog aufmerksam geworden und scheint Gefallen daran gefunden zu haben.  

Wie das? Dass er Gefallen an meinem Blog gefunden hat, ist natürlich selbsterklärend. Wie er auf mich kam? Das habe ich mal "recherchiert": Eigentlich ist mein Blog für eine recht exklusive Leserschaft bestimmt. Nur Leute, die es wirklichwirklichwirklich verdienen, haben von mir die Adresse bekommen. Aber den Blog zu schreiben, ermöglicht mir dieses nette Unternehmen namens Google. Und der Blog (der/die/das Blog, wie heißt es eigentlich richtig?) ist über die Suchmaschine auch auffindbar. 

Ach, dieses Internet findet einen doch überall ... auf alle Fälle ist ausgerechnet eine Kollegin von mir zufällig auf den Blog gestoßen - weil sie wahrscheinlich wie so viele nicht genau wusste, dass es sich Jakobsweg mit k schreibt, wenn dieser Selbstfindungsweg gemeint ist. Der andere Jacobsweg, also meiner, schreibt sich freilich mit c. Also hat sie mal ein bisschen was gelesen über Jacobs Wege. Die Kollegin ist aber auch nicht eine jener Kollegen, denen ich den Blog bewusst und etwas konfliktscheu vorenthalten habe, sondern meine erste Förderin. Also hat sie es verdient - wirklichwirklichwirklich. Und das meine ich nicht nur, weil ich jetzt weiß, dass sie mitlesen könnte - wirklichwirklichwirklich.

Die Kollegin war nämlich vor dem Wechsel zu unserer gemeinsamen Zeitung bei jenem Anzeigenblättchen beschäftigt, wo ich in der zehnten Klasse mein erstes Praktikum machte und sie hat mich damals endgültig davon überzeugt, dass ich Journalistin und sonst nix werde. Kurzum: eigentlich hätte ich der lieben Kollegin den Blog schon lange mal verraten sollen. 

Weiter im Text: Die Kollegin hat einen Mann, dem hat sie den Blog auch gezeigt. Der Mann hat einen Kumpel, der heißt Marohn. Und der suchte nach Bloggern, die beim Pegasus lesen könnten. Gefunden!

Der durstige Pegasus findet monatlich und immer montags 20 Uhr in der Moritzbastei im Café Schwalbennest statt. Der für Blogger ist am 13. Januar 2014. "Es werden dann drei BloggerInnen in ca. je einer halben Stunde ihre Texte vorstellen", hat mir der Herr Marohn heute gemailt (da fällt mir ein, dass ich mal darüber bloggen müsste, wie beknackt ich dieses Binnen-I eigentlich finde - BloggerInnen ... tzzzz, liebe LeutInnen). 

Auf jeden Fall findet der Herr Marohn, dass ich unbedingt den Post über dieses Telefonat mit einem Gemeinderat (Wir müssen nicht reden) lesen sollte, weil das echt lustig sei. Und er mag auch die Vorstellung, wie ich in einem Blumenladen nach einem Mann suche (Denken? Meist zu spät.) Also lese ich das am 13. Januar mal vor!

Ich selbst würde ja auch so einige Beiträge gerne lesen, die mir sehr viel bedeuten ... aber um mich geht es an dieser Stelle ja mal ausnahmsweise nicht. Daher finde ich, dass die Auswahl der zu lesenden Beiträge Euer Job ist! 

Also! Da Ihr schon meinem Blog folgt, könnt Ihr ja auch meinen Anweisungen folgen:
- Lest noch einmal Eure persönlichen Lieblingsposts und/oder überlegt, welche Einträge ich am 13. Januar vorlesen sollte.
- Zur Erleichterung habe ich in der rechten Randspalte die Suchfunktion eingebaut, damit Ihr schneller zu den Einträgen findet, an die Ihr Euch gerne und gut erinnert.
- Schreibt mir in die Kommentarfunktion zu diesem Post hier mit einer kurzen Titel- oder auch Inhaltsangabe, was ich am 13. Januar lesen soll. Das geht auch anonym. Und es erleichtert mir die Auswahl, weil ich dann alles gebündelt unter diesem Post hier habe.
- Da ich sicherlich bis zum Januar noch so ein, zwei, viele Posts verfassen werde, verlinke ich diesen hier immer wieder und Ihr könnt auch neuere Beiträge wünschen.
- Wenn Ihr mögt, kommt am 13. Januar zu "meiner Lesung", damit ich nicht so alleine bin. Ihr könnt gerne Unterwäsche auf die "Bühne" werfen. Aber bitte nur frisch gewaschene Unterwäsche, ich kriege sehr schnell Herpesbläschen. Ich bitte auch von Plakaten mit Sprüchen wie "Christine, ich will ein Kind von dir!" abzusehen, da ich diesen Wunsch nicht erfüllen kann und will! Und ich will auch nicht mit jedem von Euch ins Bett! Die Hälfte meiner Leserschaft ist immerhin Familie oder weiblich, also möchte ich das wirklich nicht - igitt!
- Zum Schluss: Seid Euch sicher, dass ich sehr glücklich bin, dass Ihr mich überhaupt lest!

Samstag, 16. November 2013

XL

Ich habe mir vorhin drei Exemplare meiner eigenen Zeitung gekauft. Eine davon schicke ich meinem großen Bruder, oben in der Ecke steht "Wichtigste Geschichte meiner Laufbahn". Die zweite hebe ich mir gut auf, so dass ich niemals vergessen werde, warum ich meinen Job liebe. Die dritte habe ich noch im Laden mit Knittern geschunden, weil ich ganz schnell rausfinden musste, ob meine Geschichte so geworden ist, wie ich es wollte.

Manchmal hat man als Journalist die großartige Chance eine Geschichte zu schreiben, die größer ist als man selbst - eine Geschichte XL. Erinnern wir uns an die Tage des Hochwassers 2013. Was da in meinen noch ganz amüsant zu lesenden Gedanken zum Juni 2013 nicht steht: in diesen Tagen ist ein Fahrzeug der Feuerwehr in ein Haus gekracht und einer der Feuerwehrmänner wurde so schwer verletzt, dass er fast gestorben wäre. Aber er lebt.

Vor ein paar Wochen war der Feuerwehrmann zu Gast im Stadtrat, weil die Ersatzbeschaffung des Fahrzeugs beschlossen wurde. Als der Oberbürgermeister ihn als jenen Schwerstverletzten outete, beschloss mein Chef: "Die Geschichte holen wir uns, kümmer dich!" Er ist der Chef. Also ging ich zu dem Feuerwehrmann und fragte ihn einem Überfall gleich, ob ich schreiben dürfte und er solle es sich doch überlegen. Ich habe ihm aber, glaube ich, gar keine Visitenkarte von mir gegeben. Grund? Der wurde mir erst ein paar Tage später klar: Ich wollte die Geschichte nicht. Ich wollte die Verantwortung nicht. Die große Verantwortung, dass mir jemand seine Geschichte erzählt und ich sie aufschreiben muss, in der Gefahr diesem Menschen dabei in irgendeiner Form nicht gerecht zu werden oder Schmerzen durch blöde Formulierungen zu bereiten. Ich hatte Angst.

Ein paar Wochen später klingelte mein Dienstapparat und es meldete sich der Feuerwehrmann, dass er die Geschichte mit mir machen wollen würde. Ich legte professionelle Distanz an den Tag und vereinbarte einen Termin mit ihm. Dann legte ich auf und sagte laut "Verdammte Scheiße, verdammt". Auf die Frage meines Kollegen erläuterte ich ihm, wer sich da gemeldet hatte und er sagte nur "Keine Angst, du schaffst das schon!"

Also saß ich eines Nachmittags mit dem Feuerwehrmann da. Er erzählte. Ich hörte zu. Er erzählte, ich beendete Sätze für ihn. Ich fragte. Er erzählte. Zwei Stunden, glaube ich. Ich weiß aber nicht mal, ob er mir all die Dinge, die ich später für ihn aufgeschrieben habe überhaupt richtig gesagt hat. Ich frage mich: Habe ich das alles wirklich gehört? Oder habe ich irgendwie aus seinem Gesicht gelesen?

Habe ich irgendwo in seinem Gesicht gelesen, dass er dankbar ist für all das Schöne in seinem Leben. Dass er fünf Minuten reanimiert werden musste und praktisch tot war - und wie sehr ihn das quält, dass er fast seine Familie im Stich gelassen hätte und gestorben wäre. Dass er sich immer wieder fragt, was wäre wenn? Dass er nicht nach Grund und Sinn dieses Unfalls fragt. Dass er nicht viel weiß vom Unfall. Dass er niemandem die Schuld gibt. Dass er Angst hat vor vielen Dingen. Dass er für seine Kinder sterben würde. Dass er nicht er selbst ist seit diesem Unfall. Dass er sich selbst manchmal ankotzt. Dass er den Unfall aufarbeiten will und gleichzeitig Angst hat, sich an den Unfall erinnern zu können. Dass er sich Hilfe suchen will. Dass er keine Schwäche empfindet, wenn er emotional wird. Dass er einfach Tränen ablassen muss. Habe ich das wirklich gehört?

Irgendwann habe ich das Gespräch praktisch abgewürgt. Ich habe so etwas Blödes wie "Ich hätte dann alles" gesagt und bin gegangen. Warum? Ganz einfach: In mir stieg das dringende Bedürfnis auf, zu weinen.

Aber: Nicht aus Mitleid mit ihm! Nicht aus Wut, wie ich es hier tat und wie ich es die vergangenen Jahren fast ausschließlich konnte - Wut, dass dieser Mist überhaupt passiert ist. Nicht weil ich sauer auf jemanden und verletzt und gekränkt war, so wie ich vor einigen Wochen mal tränenlos wutheulen musste. Ich hätte einfach nur noch richtig und mit offenen Schleusen heulen können, weil ich meine eigene Regel "Große Mädchen weinen nicht!" endlich auch mal brechen wollte. Ich wollte richtig weinen, weil ich erkannte, dass die große Tine-Show so nicht weitergehen muss. Ich war traurig, dass ich so lange nicht stark genug war, vermeintlich schwach zu sein. Ich wollte weinen über die ganze Scheiße, die mir passiert ist, auch wenn sie kleiner ist als die Scheiße, die ihm passiert ist - Arbeitsvertrag futsch, Prozess am Hals, Ehe gescheitert, mein Ex-Mann will mich am liebsten gar nicht mehr in seinem Leben scheint mir, auch sonst will mich niemand - und trotzdem funktioniere ich immer weiter. Auch ein großes Mädchen muss da mal weinen.

Aber wie sollte das gehen? Sagt man da: "Du, dir ist zwar die richtig große Scheiße passiert, aber nimm du doch mal mich in den Arm, weil ich fühle mich grad noch beschissener!"? Also habe ich mir selbst gesagt, that the Tine-Show must go on und bin gegangen.

Dann habe ich zu Hause gesessen und habe mir das Gespräch noch einmal durch den Kopf gehen lassen - und ich habe geweint. Aber so richtig. Und das tat gut. Aber so richtig.

Am nächsten Morgen bin ich ins Büro, habe den Rechner gestartet, eine CD eingelegt, die Kopfhörer aufgesetzt und habe seine Geschichte aufgeschrieben. 300 Zeilen in drei Stunden. Wie in Trance. Als wär das meine Geschichte. Ist es ja auch - irgendwie. Alles um mich herum und sogar die Musik in meinen Ohren habe ich nur noch so wahrgenommen als hielte ich meinen Kopf in der Badewanne unter Wasser - alles gedämpft, alles weit weg. Ich weiß nur noch, dass mein Kollege die anderen Kollegen nicht mehr ins Büro gelassen hat. Ich weiß auch, dass ich danach dachte, ich müsste mal eine Geschichte machen über falsche Werbeversprechen von wegen wasser- und tränenfeste Mascara.

Ich habe die 300 Zeilen ausgedruckt und einmal gelesen. Ich schäme mich heute sehr dafür, dass ich wieder wütend wurde und in dem Moment des ersten Lesens dachte "Wie kann einer, der so schreiben kann keinen festen Job haben?!" - wie kann man die Geschichte eines so schweren Unfalls und großartigen Menschen in Händen halten und denken, man selbst habe grad mal wieder das größte Problem von allen? Ist das widerlich? Ja! Ist es!

Ich habe dem Feuerwehrmann die Geschichte geschickt und ihm geschrieben, dass er mit seiner Geschichte was in mir, nämlich echte Tränen ausgelöst hat. Stunden später kündete mein Handy eine SMS an und - nennt es meinetwegen Kitsch, ist mir doch egal! - ich wusste ohne auf das Display zu sehen, dass er es ist. Er nannte die Geschichte "überwältigend". Gut. Endlich musste ich nicht mehr allein mit der Geschichte sein und schickte sie zwei Menschen. Unter anderem meinem kleinen Bruder, weil der derjenige war, an den ich voller Sorge und zuerst dachte als der Feuerwehrmann fragte "Was wäre, wenn ich tot bin?"

Wir hörten nichts voneinander. Der Feuerwehrmann schickte mir ein paar Tage später eine E-Mail, ob wir uns noch einmal treffen könnten. Jetzt bekam ich Angst, dass er den ganzen Text umgeschrieben haben möchte vor dem geplanten Erscheinen. Aber als ich zum Treffen kam und ihn sah, war mir plötzlich klar: Alles gut, da muss nix geändert werden. Er hat sich bedankt bei mir.

Ich habe das Layout für die Geschichte gebaut. Auf dem Korrekturausdruck stand in großen Lettern "KEINE Änderung ohne Absprache mit mir!!!" und ich habe peinlich genau kontrolliert, dass auch nix verändert wurde. Heute ist die Geschichte erschienen. Ich bin dankbar, dass ich sie schreiben durfte! Und genau wie in diesem Fall gilt, dass nicht mehr wichtig ist, was andere dazu sagen. Entscheidend ist: Wir, der Feuerwehrmann und ich, sind glücklich mit dem Ende unserer Geschichte.

Denn ich weiß gar nicht, wer hier eigentlich wem geholfen hat. Habe ich ihm geholfen, weil ich aufgeschrieben habe, was er nicht in Worte fassen kann? Hat er mir geholfen, weil ich endlich Gefühle mir selbst gegenüber gezeigt habe? Keine Ahnung!

Ich weiß nur: Ich hoffe sehr, dass ich den Feuerwehrmann eines Tages zufällig beim Bäcker oder im Supermarkt treffe und er mir auf den Kopf zu sagen kann, dass er wieder ganz er selbst und mit sich und seiner Geschichte im Reinen ist. Ich wünsche mir, dass er im besten Sinne ab sofort ein Leben ohne besondere Vorkommnisse führen wird. Ein ganz normales Leben!

Sonntag, 3. November 2013

Denken? Meist zu spät.

Nicht immer halte ich die korrekte Reihenfolge von Denken und Reden ein. Wobei ich mir nicht sicher bin, was eigentlich die korrekte Reihenfolge ist.
Erst denken und dann den Mund aufmachen? 
Erst denken und dann handeln?*
Aber manchmal wäre es schon nicht so schlecht, wenn ich mal eine andere Reihenfolge beherzigen würde:

Auftrag: Umfrage (die ich ja bekanntlich sooooooo liebe - steht hier) machen. Es fehlt noch eine "männliche Stimme" für die morgige Ausgabe, wie der Chef sagt und dass es schnell gehen müsse, er wolle in 20 Minuten weg, also zackzack. Kamera, Stift, Block geschnappt und auf die Straße. Und? Weit und breit kein Mann in Sicht. Keiner! Kein einziger. Kurzentschlossen in den Blumenladen geflitzt - was schon wieder eine gewisse Naivität offenbart, denn eigentlich ist das ja fast der letzte Ort, an dem man zielgerichtet nach Männern suchen sollte, wenn nicht grad der Valentinstag naht ... und raus mit der Sprache: 
"Hallo, ich bin bei der Zeitung! Ich brauche einen Mann. Ganz schnell. Irgendeinen. Egal was für einen. Ich brauche nur einen Mann. Schnell."
Ich bekam einen 14-Jährigen. Das geht als Erfüllung des Auftrags gerade noch durch, alles Weitere wäre strafbar gewesen. Oder anderweitig lästig.

Unterhaltung mit dem evangelischen Pfarrer so über dies und das, Gott und die Welt, auch noch via facebook, weil wir sind ja ultramodern und vernetzt ... und raus mit der Sprache:
"Sie haben es ja auch nicht leicht. Immer wenn die Katholen Mist bauen, ist das ja auch schlecht für Ihr Image. Und die bauen ja oft Mist, die Katholen, ne?! Echt. Mit Ihnen würde ich nicht tauschen wollen. Ist ja auch oft einfach kalt in der Kirche und dann jeden Sonntag arbeiten!?"
Na ja. Ich hoffe, dass auch der Kirchenmann in Klischees denkt und sich schlicht dachte, ich hätte gesoffen, weil ja alle Journalisten ein bisschen bis mindestens so alkoholisch sind wie Horst Schlämmer.

Nach der Feststellung, dass ich (viele, aber definitiv keine Figurprobleme) und der Lokalpolitiker (offensichtlich definitiv ein Gewichtsproblem) zur selben Ärztin gehen, die immer gewichtsfixiert ist ... einfach raus mit der Sprache:
"Sagt Sie Ihnen auch, dass Sie abnehmen sollen?"
Er hat es zugegeben.

* Da kenne ich so einige, die das immer beherzigen - und die sind auch ... jedenfalls nicht glücklicher. Denn viele Leute denken ja zu viel. Sie denken zum Beispiel darüber nach, was denn die Leute denken könnten, wenn sie dies oder jenes täten ... dieses oder jenes ließen ... mit dieser oder jener Person ... und viele denken dabei so viel, dass sie ihren eigenen Bauch und sein Gefühl schon nicht mehr hören vor lauter Denkerei über das, was andere denken ...

Dienstag, 29. Oktober 2013

Ich habe vielleicht Probleme. Aber du hast einen Kommunikationsplan.

Seit fast 125 Jahren gibt es in meiner Heimat- und Berichterstattungsstadt eine Post. Mal so. Mal so. Durchaus auch mal als Reichspost. Auch mal als Deutsche Post (DDR). Mal als Deutsche Bundespost. Mal als Deutsche Post AG. Mehr als 100 Jahre konnte man an jenem Ort Briefmarken kaufen, Briefe versenden, Pakete aufgeben und welche abholen. So Sachen halt, die man auf einer Post so macht. Aber Post ist nicht gleich Post. Das ist wichtig zu merken!

Weil die Frauen auf der Post (oder dem, was man* gemeinhin dafür hält) seit ein paar Tagen immer so verheulte Augen haben sollen, fragt der geneigte Journalist ja mal nach. Bei den Frauen. Die wissen seit einer Woche von ihrem Unglück. Und dann fragt man bei der Post, ob das mit der Schließung stimmt. Was an sich schon blöd ist. 

Die Post hat nämlich eine Pressestelle. Die Pressestelle veröffentlicht im Internet die Telefonnummern, aber keine Mail-Adressen. Der geneigte Journalist stellt solche Anfragen aber gerne schriftlich, um später auch was schriftlich in Händen zu halten - Konzernpressesprecherdeutsch braucht man ohnehin schriftlich, mündlich kann man sich das nämlich kaum merken. Gegen Telefone haben wir aber auch nichts. Grundsätzlich. Da geht nur leider nicht immer jemand ran. Erst recht nicht, wenn unsereins abends sein Problem gelöst haben will. Dafür volles Verständnis. Aber wir haben was gegen und definitiv kein Verständnis für anonyme Kontaktformulare, in die wir unsere Anfragen hacken sollen.

Heute hat der eine Pressesprecher von der Post (oder dem, was man gemeinhin dafür hält) aber auch auf das Formular hin zurück gerufen - kann an dieser Sache mit "Ich bitte um Ihre Antwort bis 12 Uhr" gelegen haben. Der Pressesprecher betont nun ausdrücklich, dass es nicht die Post sei, die in der Stadt schließt. Sondern das Postbank-Finanzcenter, das die Sache mit der Post (oder dem, was man gemeinhin dafür hält) im Partnermanagement betreibt. Eine eigene Filiale haben sie schon lange nicht mehr. Aha. 

Auch nach der Schließung sei aber die Postdienstleistung vor Ort kein Problem. Es gibt DHL-Paketshos, Verkaufspunkte, Partnerfilialen. Ein bisschen auf der Homepage von der Post (oder dem, was man gemeinhin dafür hält) gesurft: Man kann bei dem einen Pakete abgeben, aber keine Briefmarken kaufen. Bei dem anderen kann man Briefmarken kaufen, aber keine Pakete abgeben. Und die Partnerfiliale hat jeden Tag mittags drei Stunden zu. Ansonsten gibt es eine Packstation. Einwände, dass so eine computergestützte Station für eine 87-Jährige kein Service sei, lässt der Pressesprecher nicht gelten. Er sei nicht zum Diskutieren da. Aha.

Aber die Post (oder das, was man gemeinhin dafür hält) bemüht sich auch nach dem Ende des Postbank-Finanzcenters in dem Haus, wo immer die Post (genau das, was man dafür hält) war, eine neue Partnerfiliale in einem anderen Gebäude zu finden. Damit auch die Kunden von der Postbank wohin können, wenn sie mal was wollen. Beratung gibt es ja aber nach Schließung auch 30 Minuten Fahrtzeit entfernt. Aha.

Alles Weitere sei Sache der Postbank. Weil eigentlich ist die Post (oder das, was man gemeinhin dafür hält) ja nicht zuständig für die Anfrage, weil es geht ja nicht um die Post (genau das, was man dafür hält).

Bei der Postbank veröffentlicht man Mail-Adressen. Aber die für die Region zuständige Pressesprecherin ist im Urlaub. Veröffentlicht wird nur eine Service-Zentralnummer für Journalisten, die einen dann nach viel Warteschleifenmusik zum nächsten zuständigen Pressesprecher leitet. Auf die Frage, was genau aus den x Frauen vom Postbank-Finanzcenter (man ist ja lernfähig) wird und ob ihre Arbeitsplätze gestrichen oder sie versetzt werden, sagt der Pressesprecher "Das ist aber eine sehr konkrete Anfrage!". Aha. 

Man habe da schon was in Planung. Auch bezüglich der Infos für die Öffentlichkeit. Zu gegebener Zeit, noch nicht jetzt - nicht jetzt, wo ja die Frauen mit den verheulten Augen am Schalter des Postbank-Finanzcenters (oder dem, was man bis jetzt nicht dafür hielt) stehen. Stehe denn die Lokalredaktion schon im Verteiler? Denn dann sei man ja in der Empfängerliste für die Infos. Warum sollte sich das Unternehmen auch von sich aus melden?

Und dann kommt auf die Frage nach weiteren Details der Satz des Tages: "Da muss ich mal nachsehen, wann hm-hm-hm auf dem Kommunikationsplan steht?!"

Drei Stunden später scheint der Kommunikationsplan überarbeitet und die Pressemitteilung mit sehr viel Blabla geht eher raus als von der Postbank (genau das, was man JETZT dafür hält) gedacht.

Gute Nacht!

* man meint hier das, was man gemeinhin für Otto Normal und Lieschen Müller hält.

Samstag, 26. Oktober 2013

Bratwurstjournalismus? Schuldig im Sinne der Anklage!

... oder warum Lokaljournalisten langfristig zunehmen müssen

 

Lokaljournalismus wird oft der Vorwurf gemacht, vor allem Bratwurstjournalismus zu sein. Wirklich hübsche Beispiele für Bratwurstjournalismus finden sich hier

Ich, übrigens auch schon des Bratwurstierens schuldig geworden, definiere Bratwurstjournalismus selbstentschuldigend - und rechtfertige mich damit vor mir selbst, weil ich mich immer für mein(e) Vergehen schäme. Nach meiner Definition gilt:

Bratwurstangebot = Bratwurstjournalismus

Es sind nämlich gerade jene Veranstaltungen im Lokalen, wo es Bratwurst gibt, die uns in die Falle des Bratwurstjournalismus tappen lassen. Das Produkt Bratwurst lässt sich in diesem Gleichnis mühelos gegen jede andere Art Futter tauschen. Dorffeste, Feuerwehrfeste, Seniorenfeiern, Vereinsfeste. Außer Fressen, Saufen, Blasmusik ist bei solchen Gelegenheiten oft nicht viel los. Aber kaum eine Lokalpostille kann es sich leisten, solche Feste zu ignorieren. Die Leute nehmen das übel. Also muss man da leider hin. Daher ist auch schreibend nicht mehr viel mehr daraus zu machen als Programmablauf und Menüabfolge, das muss ich leider zugeben. Da muss man schon nach der kritischen Nadel im Heuhaufen der Gefälligkeit suchen, um mehr daraus zu machen. 

Meistens bekommt man als Journalist sogar noch eine Wurst, Kuchen oder sonstiges spendiert. Kombiniert mit dem Schreibtischjob, der Journalismus oft ist, erklärt sich das Format vieler meiner Kollegen. Und ich glaube inzwischen, dass einem mit solch Bratwürsten das Maul gestopft werden soll...

Erst heute war ich wieder bei so einem Termin. Seniorennachmittag. Der Bratwurstjournalist in mir verlangt es "traditioneller Seniorennachmittag" zu nennen. Eine Hundertschaft Senioren sitzt in einem Saal. Ein Mensch aus dem Rathaus überbringt die Grußworte des Bürgermeisters - irgendwas mit Wetter, gute Unterhaltung, lecker Kuchen usw ...  ich habe es schon wieder vergessen, Grußworte sind ja auch alle gleich.

Dann: Blasmusik, Blasmusik, Blasmusik ... rum-ta-dah-rumta-dah ... es pustet einem das Hirn weg. Dann Kaffee und Kuchen für alle. Kuchen wird gegessen, Kaffee in Ermangelung echter Milch mit fetter Kondensmilch auf meinen Geschmack getrimmt. Blasmusik, Blasmusik, Blasmusik... rum-ta-dah-rumta-dah ... 

Eine Tanzgruppe tritt auf. Line Dance ausgerechnet. Das ist im Lokalen ungefähr so inflationär wie Kosmetikproben in Frauenzeitschriften - du ahnst nichts Schlimmes und plötzlich hast du die nächste Wundercreme in Händen oder ein Parfum, das ja doch nur irgendwie nach WC-Raumspray riecht. Doch bewundernswert finden leider viele Menschen Line Dance. Die Frau aus dem Rathaus sagt jedenfalls, die Gruppe muss ich mir "unbedingt" ansehen und ich denke, dass ich mich unbedingt sofort übergeben muss, wenn ich mir wirklich noch eine Line Dance-Gruppe ansehen muss - das würde zumindest das Gewichtsproblem lösen, Bratwurstbulimie quasi. Es geht weiter mit Kaffee, Kaffee, Kaffee ... Blasmusik, Blasmusik, Blasmusik 

Die Blasmusik mit Mühe übertönend und dicht an das von Hörgerät gezierte Ohr eines alten Mannes gelehnt, versucht man dann noch den Programmablauf mit ein wenig Zitat zu schmücken. Wobei der Mann natürlich auch alles "prima" findet und es ihm "einfach gefällt" beim "traditionellen Seniorennachmittag". 

Wie auch immer man also die Bratwurst dreht und wendet, hier ist außer der an Körperverletzung grenzenden Lautstärke der Blasmusik nicht viel an Kritik rauszuholen. Und nicht einmal die Lautstärke könnte man in der Zeitung kritisch bewerten, sie ist ja nur an die Hörgerätehundertschaft angepasst. Also noch ein paar Kekse vom unter die Nase gehaltenen Teller genascht und man verlässt mit einem Pfeifen im Ohr die Hundertschaft wieder. In der traurigen Gewissheit, dass man hier nicht viel mehr als Bratwurstjournalismus hinbekommen wird. Das ist vorsätzlicher Bratwurstjournalismus. Da kriegt man auch gleich wieder Lust auf Frustfressen!

Freitag, 18. Oktober 2013

Gewalttätig

Zur Info - auch für meine schärfsten Kritiker - man nennt die Medien auch die vierte Gewalt. Weil wir, die Medien, das politische Geschehen beeinflussen können. Gerade das macht es so wichtig, dass es gute Journalisten gibt. Journalisten, die sich dieser Gewalt stets bewusst sind und sie - vor allem - auch einzusetzen wissen. Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt ... manchmal wollen manche von uns wirklich die Welt verbessern und verändern, Prozesse anschieben, zum Nachdenken anregen ... so die Dinge verändern, seien es auch nur Kleinigkeiten.

Aber nicht jeder Politiker - sie machen ja auch im Lokalen vornehmlich eine andere Gewalt aus - versteht es, seine Gewaltposition richtig zu nutzen und sich dessen bewusst zu sein. Das unterscheidet den guten Journalisten vom schlechten Politiker. Zu weit verbreitet ist, das kann ich nach fast drei Jahren im Lokaljournalismus mit unzähligen Ortschaftsrats-, Gemeinderats- und Stadtratssitzungen wahrlich und guten Gewissens behaupten, der schlechte Kommunal- und Lokalpolitiker. 

Ich meine damit jene Lokalpolitiker, die beispielsweise erst zu Sitzungsbeginn in ihre Unterlagen blicken und dann die Dinge einfach abnicken (müssen). Jene Politiker, die sich eine Meinung von Fraktionsvorsitzenden ungefragt vorgeben lassen und sich eine andere Meinung nicht mehr leisten wollen. Oder die Meinung von den jeweiligen Bürgermeistern. Jene Politiker, die andere weit bessere und dadurch ja nicht selten diskussions- und meinungfreudigeren Politiker mit genervten Aussagen wie "Ich will heim" im Keim ersticken wollen - und das habe ich schon oft gehört. Wenngleich ich gerne zugebe, dass auch ich manchmal "Ich will heim" denke - aber ich bin Beobachter in solchen Momenten und nicht Entscheider.

Ich meine aber auch jene Lokalpolitiker, die die vierte Gewalt verkennen. Es geht schließlich auch um das Zusammenspiel der Gewalten, nicht immer sind sie sauber zu trennen - nicht immer müssen sie das, oder? Unsere Unabhängigkeit ist uns viel wert. Aber manchmal ist die Zusammenarbeit nötig - und daran ist, so sehe ich es jedenfalls, auch nichts Schlimmes. Solange man es immer noch schafft, die Distanz und Unabhängigkeit zu wahren, sich nicht vereinnahmen lässt, sondern sachorientiert handelt.

Die wenigsten Lokalpolitiker verstehen es aber, sich einen guten Draht zur Presse aufzubauen. Sie verkennen, wie viel es wert sein kann ein guter Dealer zu sein. Haben sie Angst, man könne ihnen daraus einen Strick drehen? Nein. Es ist nicht verboten.

Viel zu viele Politiker glauben noch, es reiche auf unser Agieren zu warten. Das sind dann jene Politiker, auf die wir nur noch reagieren. Sie sagen was im Gremium und wir fragen im Anschluss mal nach. Sie überraschen uns mit Bürger-Umfragen in unserem Briefkasten und wir reagieren. Wir mögen es aber nicht, jemandem nachzurennen. Viel zu wenige Politiker im Lokalen haben auch nur im Ansatz Ahnung von Pressearbeit. Pressearbeit versteht hier nicht allein das Versenden von Pressemitteilungen. Nein. 

Es geht darum, mit der Presse zu arbeiten. Ratsamer ist es also, von sich aus auf uns zuzugehen, wenn man mal eine gute Idee hat und diese nicht im stillen Kämmerlein auf Entdeckung hoffen zu lassen - nach dem Motto "Vielleicht sehen die von der Zeitung es ja". Man kann auch mal (!) Themen setzen. Uns Ideen geben. Vor allem aber Infos, Infos, Infos. Denn davon leben wir - die anderen leben davon, Erwähnung zu finden in der Presse. Wer nicht bekannt ist, wird auch nicht (wieder) gewählt. Wessen Worte und Taten nicht mitgeteilt werden in der Öffentlichkeit der lokalen Medien, der bleibt für die Öffentlichkeit ein unbeschriebenes Blatt - inhaltslos. Aber um Inhalte geht es doch, oder?

Also sollte man den Kontakt zu uns pflegen. Denn eitel sind wir ja auch. Wir mögen es nicht immer, den Leuten nachrennen zu müssen. Dazu müssen Lokal-Politiker auf uns zugehen und auch mal aus dem Nähkästchen nicht öffentlicher Sitzungen plaudern und so die Dinge ans Licht bringen (lassen). Und auch Journalisten gehen dann auf Politiker zu und geben Hinweise zu Dingen, die der Politiker so vielleicht noch gar nicht gesehen hatte. Oder sie geben Tipps, was Politiker noch anschieben könnten. Sie, die Politiker, lassen uns die Dinge ans Licht bringen. Und wir beleuchten die Dinge für sie, zeigen sie vielleicht erst auf. Ein Licht leuchtet quasi für das andere - eine Hand wäscht die andere. Dann können sich Dinge verändern lassen, wenn es manchmal auch nur Kleinigkeiten sind.

Dies alles ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber ich finde es vollkommen korrekt, dass ich manchmal gewalttätig werde.

Sonntag, 13. Oktober 2013

Typen

Als Journalist,der und damit auch als Journalistin,die kommt man nicht umhin, mit jenen Menschen Kontakt zu haben, mit denen sonst keiner Kontakt haben möchte - mit Politikern. Wir alle wissen ja inzwischen, wohin das führt, wenn sich Journalistin,die auf bundespolitischer Ebene mit Männern wie Brüderle,der rumtreibt und rumschreibt.

Mit komischen Typen zu tun zu haben, bleibt auch im Lokalen nicht aus. Komisch im eigentlichen Sinne. Im Sinne von "durch eigenartige Wesenszüge belustigend, zum Lachen reizend" und "sonderbar, seltsam" - mitunter aber auch komisch im Sinne von "spaßig und witzig". Es ist ein bisschen so, als hätte man (speziell Journalistin,die) eine Reihe schlechter Dates und würde doch nicht schlauer - weil es berufsmäßig passiert. Es passieren einem Typen wie diese, es sind immer die Falschen:

- Gucker,der: Spricht er in kommunalpolitischen Gremien und wähnt sich, gerade einen klugen/daher zitierfähigen Satz getan zu haben, guckt er dich an - ob du es auch geschnallt und mitgeschrieben hast. Weil er eigentlich immer und ständig glaubt, kluge/daher zitierfähige Sätze von sich zu geben, guckt er dich auch ständig an. Er erzählt quasi ständig schlechte Witze und das beschissene Date will einfach nicht enden, weil du ihm noch nicht genug Applaus gespendet hast. Lösung: höflich nicken und auch mal lachen, notfalls das Lachen vortäuschen.

- Schleimer,der: Um zu kriegen, was er will (Text, Partei-PR, groß/großartig, schnell und viel), schleimt er dich voll. Mit Komplimenten jeder Art. Nur du bekommst nichts zurück. Eigentlich liest er die Zeitung überhaupt nicht. Das hast du schon gemerkt. Heiße Infos hat er auch keine für dich - er weiß ja nicht mal, was in der Zeitung steht. Es ist ein bisschen so, als würdest du deinen Freund nach deiner Augenfarbe fragen und der antwortet mit einem verzogenen Grinsen etwas wie "Dunkel!?" oder " ... äh ... dein Vater muss dich sehr lieben, wenn er für deine Augen die Sterne vom Himmel geholt hat". Gerne lobt er bei jeder sich bietenden Gelegenheit deine Texte, er will sagen "Ich höre dir zu, ich achte dich" - und dafür sollst du tun, was er will. Er ruft dich gerne an, um zu säuseln, wie witzig und talentiert du bist. Für einen guten Schleim nimmt er es mit der Wahrheit nicht so genau. Kommt es ganz schlimm, so nennt er dich "meine Große, Schöne, Blonde" - und du (groß, schön, brünett) fragst dich nur, was der Scheiß mit der Blondine bitte soll?

- Abschätziger,der: Er nimmt dich eh nicht ernst und lächelt dich nur milde an - immerhin ist er dir dank Masse und Größe körperlich weit voraus (sonst nicht). Er sagt auch mal Sätze wie "Aber das erkläre ich dann dem Herrn Müller" und meint damit deinen älteren und vermutlich schon auf Linie gebrachten Kollegen. Er redet mit dir, als wärst du intellektuell nicht ganz auf der Höhe und leitet dies gerne mit Floskeln wie "junge Frau" ein. Oder er sagt im Beisein deines älteren Kollegen Dinge wie "Darf ich deine hübsche Kollegin mal sprechen?" - sobald du aber anfängst, mehr als zwei Sätze an einem Stück zu reden, steigt sein "Intellekt" beim Zuhören aus, er glotzt dich nur noch an und sagt dann Dinge wie "Ihr Mann hat es bestimmt auch nicht leicht."

- Dealer,der: Info gegen Text. Der Deal funktioniert. In einem affärenartigen Tänzchen kannst du mit diesem Typen haben, was du willst und brauchst und das schnell und umkompliziert - aber nur, sofern es ihm auch was nützt und sich gegen die anderen im Haifischbecken der Politik richtet. Dafür hält er auch mal die Waage zwischen Schleimer und Gucker. Im Gegensatz zu den anderen Typen liest er nicht nur deine Texte, er kennt dich sogar ganz gut und gelegentlich interessiert er sich für deine Person,die abseits von Journalistin,die. Text gegen Info. Mehr nicht. Der Deal funktioniert - bestens, wenn du dir dessen immer bewusst bist.

Freitag, 11. Oktober 2013

Fixes Fax

Gerne erinnere ich mich an jenes hier beschriebene Telefonat. Kurz: Der Anrufer unterstellte dem Blatt viel Böses. 

Ich möchte nicht vorenthalten, was aus der Sache geworden ist: Der Mann hat sein Abo gekündigt. Auf zwei Seiten Fax erläutert er, - das Wort Verfolgungswahn kommt einem dabei recht häufig in den Sinn - warum er das Abo kündigt. So nennt er eine Kollegin "eine Unterlasserin der alten Schule, als das Blatt noch das Zentralorgan der SED war".

tzzzzz ... 

Das Telefonat mit mir erwähnt er in dem Schreiben kein einziges Mal. Zum Glück?

Donnerstag, 10. Oktober 2013

Selber doof!

Marketingabteilungen von Zeitungshäusern haben mal nicht so gute, eher doofe und auch mal gute, eher weniger doofe Ideen. Gut würde ich das nennen, was sich in unserem Verbreitungsbebiet Zeitungsflirt nennt, aber eigentlich sehr viele Regionalzeitungen deutschlandweit machen: Schulklassen bekommen über den Zeitraum eines Monats jeden Tag Klassensätze der Zeitung und ein kleines Programm mit Aufgaben, Bastelideen und Angeboten. Das soll die lieben Kleinen an das Medium Zeitung heranführen - Kundschaft von morgen! 

Gerne angenommen wird das Angebot, sich einen Redakteur in die Schule zu holen. Der Journalist steht eine Stunde zur Verfügung, erzählt was von sich und seinem Beruf, beantwortet Fragen. Dieses Aktionsjahr habe ich die Termine koordiniert. Neben Grundschulen sind auch eine Schule für Kinder und Teenager mit geistiger Behinderung und eine Förderschule in den Reihen der Interessenten. Da mir klar war, dass niemand scharf auf diese Termine sein würde, habe ich mich gleich freiwillig gemeldet. 

Heute nun stand ich vor neun Teenagern von der Schule für geistig Behinderte. Und ich gebe zu: Ich hatte ein wenig Schiss vor diesem "Auftritt". Ich kann von mir nämlich nicht gerade behaupten, unglaublich gut mit Kindern umgehen zu können - die wenigsten Kinder schließlich wissen mit Ironie umzugehen und ich kann kaum was ohne Ironie machen. Ich finde Kinder auch nicht so toll wie die meisten anderen Menschen, große Ansammlungen von Kindern (groß = mehr als zwei) finde ich schlicht nervtötend. Aber wie bitte mit Behinderten reden? Leuten, "die geistig nicht ganz auf der Höhe sind", wie mein Kollege es noch gestern nannte? Ich? Deren Geist nie still steht, der permanent voll gestopft ist mit mal mehr und mal weniger guten Gedanken? Reden über einen Job wie meinen? Über die mitunter sehr komplexen Sachen, die wir machen? Wie will man das erklären, wie in modernen Zeiten eine Zeitung entsteht? Was, wenn ich was falsch mache? Was könnte ich alles falsch machen?

Absoluter Schwachsinn! Lange nicht hat mir eine dieser Flirtschulstunden so viel Spaß gemacht! Denn wenn einer "geistig nicht ganz auf der Höhe" ist, dann ja wohl mal Journalisten!!! Ich hatte es schon geahnt, nun bin ich überzeugt davon.

Wir haben uns nett unterhalten. Über die Sachen, die wir gerne machen. Ein Junge zum Beispiel singt gerne. Seine Banknachbarin spielt lieber mit ihren Katzen. Ein anderer macht am liebsten Sachen an der frischen Luft. Der 18-Jährige vorne links mag Sport. Ich arbeite eben als Journalist. Ich berichtete, was ich so den ganzen Tag mache und habe mal erzählt, wie so ein Layout eigentlich entsteht und sich die Zeitungsseite über den Tag füllt. Leider ist der Marketingguru nicht schlau genug, uns mit Laptops auszustatten, an denen wir es wirklich zeigen könnten. Also stelle ich mich immer mit einem leeren A3-Blatt, ein paar gebastelten Textboxen und dann folgend den Ausdrucken von verschiedenen Entwicklungsstufen des Layouts der am Tag des Flirts erscheinenden Ausgabe vor die Schüler. Heute erzählte ich auch mal, wie sich eine Zeitungsseite so grundsätzlich aufbaut: Da ist der Aufmacher, der Keller, der Anker, heute hatten wir einen Überleger auf der Seite - Journalistensprech eben, der für uns ja Sinn macht. Kurz und knapp mal ein Beispiel: Der Keller ist ganz unten auf der Seite. Das hat schon alles auch Symbolcharakter und so.

Na und? Das Mädchen in der ersten Reihe musste trotzdem einfach lachen. Denn - ich zitiere - ein Kopf ist oben an einem Menschen dran, der Anker ist an einem Schiff, der Keller gehört zu einem Haus. Und ein Überleger ist ein Wort für einen Menschen, der wohl viel denkt? Und ein Aufmacher ist sowieso ein doofes Wort. Wahrscheinlich sind wir Reporter ja auch ein bisschen doof? Weil die Worte gehören doch alle nicht zusammen, überhaupt gar nicht und das macht doch keinen Sinn! 

Morgen bin ich in der Förderschule zu Gast. Ich freue mich auf neue Erkenntnisse!

Anmerkung der Redakteurin: Dieser Blogpost ist absolut frei von Ironie, es finden sich höchstens Spuren von Selbstironie.

Samstag, 5. Oktober 2013

Wir müssen (nicht) reden

Ich? Der letzte Schütze Arsch im Glied? Verdammte Scheiße, aber ja! 

Wir schreiben den 2. Oktober 2013, irgendwas gegen neun. Es ist produktionsfrei. Am 3. Oktober - Feiertag - erscheint keine Zeitung. Der stellvertretende Redaktionsleiter ist da und meine Wenigkeit, um dem Feiertagsdiener ein paar Dinge vorzubereiten. Sonst niemand.

Im Erdgeschoss klingelt das Sekretariatstelefon. Dutzende Male. Geht keiner ran. Logisch. Ist ja keiner da. Also gehe ich mal ran, drücke also die Übernahmetaste und schon geht es los:

A sagt: "Die hm-hm-hm in hm-hm-hm, Jacobs Krönung*, schönen guuuu-uuu-ten Morgen!"
B sagt: "Warum geht bei Euch denn keiner ans Telefon?"
A sagt: "Bitte entschuldigen Sie, das Sekretariat ist heute nicht besetzt. Was kann ich denn für Sie tun?"
B sagt: "Müü-llllllllll-ler mein Name, geben Sie mir die Schneider!"
A sagt: "Das tut mir leid, meine Kollegin ist heute nicht da."
B sagt: "Typisch! Lässt sich vom Sekretariat verleugnen und verleugnen. Geht ja nicht mal ans Telefon."
A sagt: "Nein, das ist doch nicht wahr!"
B sagt: "Wieso?"
A sagt: "Weil sie wirklich nicht da ist und ich bin nicht das Sekretariat, heute ist produktionsfrei."
B sagt: "Was ist?"
A sagt: "Produktionsfrei. So nennen wir es, wenn Redaktionen eigentlich nicht besetzt sind, weil am Folgetag keine Zeitung erscheint."
B sagt: "Aha. Produktionsfrei also. Geben Sie mir jetzt die Schneider?"
A sagt: "Nee, die ist doch nicht da. Aber worum geht es denn, vielleicht kann ich Ihnen ja helfen?"
B sagt: "Es geht um die letzte Gemeinderatssitzung in hm-hm-hm und was sie draus gemacht hat."
A sagt: "Am Freitag ist Frau Schneider aber wieder da. Ich notiere Ihre Nummer und sie ruft Sie zurück, dann können Sie das mit ihr besprechen."
B sagt: "Das ist doch aber Eure Strategie!"
A sagt: "Was?"
B sagt: "Dinge aus dem Zusammenhang zu reißen und verkehrt darzustellen."
A sagt: "Also das kann ich so nicht stehen lassen. Dieser Eindruck ist falsch."
B sagt: "Aber doch! Sie hat die Sitzung überhaupt nicht als Ganzes aufgeschrieben, sie hat ganz viele Schnipsel daraus gemacht."
A sagt: "Aber das geht doch auch nicht."
B sagt: "Wieso?"
A sagt: "Wir können in einer Zeitung nicht das Protokoll einer Gemeinderats- oder Stadtratssitzung drucken - das war vielleicht früher mal so als in Klammern noch "stürmischer Beifall" und so stand. Natürlich gliedern wir heute die Sache auf. So wie es Beschlussvorlagen gibt, ergeben sich für uns doch logischerweise auch einzelne Punkte, die wir dann zu Nachrichten oder eben größeren Texten machen. Meinen Sie das? Ich kann Ihnen gerne erklären, wie ich arbeite - vielleicht verstehen Sie dann, dass es auch um die Auswahl von Informationen geht und nicht darum, jemanden zu schneiden oder fertig zu machen."
B sagt: "Ich weiß, dass wir nicht mehr in der DDR leben! Aber Ihr reißt die Sachen, die ich sage immer aus dem Zusammenhang. Das macht Ihr mit Absicht. Das ist Strategie. Das ist politisch so gewollt. Erst habe ich gedacht, dass es nur die Meier so macht, weil die als Journalistin per Du mit dem Bürgermeister ist. Schämen sollte man sich dafür! Aber die Schneider ist genauso! Ihr verfolgt eine ganz böse Strategie! Mit mir. Ihr schreibt nie, was ich zu sagen habe oder Ihr reißt es mit Absicht aus dem Zusammenhang! Damit ich blöd dastehe. Ihr macht mich fertig."
A sagt: "Das ist ein Verdacht, den Sie vielleicht lieber mit dem Redaktionsleiter oder seinem Stellvertreter besprechen sollten. Der Stellvertreter ist, wie gesagt, auch da, der ist der direkte Vorgesetzte von Frau Schneider. Ich kann Sie verbinden?"
B sagt: "Nein!"
A sagt: "Aber ich bin wirklich die falsche Person, um das zu besprechen. Das ist was für den Chef!"
B sagt: "Wissen Sie überhaupt, wer ich bin?"
A sagt: "Ja, Sie sind hm-hm-hm Müller, Sie sitzen für die hm-hm-hm im Gemeinderat hm-hm-hm."
B sagt: "Woher wissen Sie das?"
A sagt: "Ich lese Zeitung."
B sagt: "Ich sage doch: Strategie! Ihr habt mich auf der Liste!"
A sagt: "Nein! Ich kann mir nur Namen und so gut merken, das ist keine Absicht. Entschuldigung! Soll ich Sie jetzt verbinden?"
B sagt: "Nein, ich möchte nicht mit dem Chef reden! Ich rede mit Ihnen!"
A sagt: "Aber ich sage doch, dass das nichts bringt. Sie sollten mit dem Chef oder seinem Vize reden. Wirklich. Sie müssen sich beruhigen."
B sagt: "Nein. Ich rede mit Ihnen! Ich muss mich nicht beruhigen!"
A sagt: "Wissen Sie überhaupt, wer ich bin?"
B sagt: "Ja. Die Sekretärin."
A sagt: "Nee, ich bin Frau Jacobs Krönung*, ich bin auch Journalistin und arbeite vor allem in der Stadt hm-hm-hm. Daher kann ich den konkreten Fall jetzt nicht genau klären, da sind mir zu wenig Details bekannt. Aber der Chef, soll ich Sie nun verbinden? Wissen Sie, ich bin genau wie Frau Schneider nur einfacher Journalist, nur noch ein bisschen, also viel jünger und eigentlich der letzte, der hier irgendwas zu sagen hat."
B sagt: "So, so. Frau hm-hm-hm - Sie sind mir jetzt weder positiv noch negativ aufgefallen. Ich lese den Teil der Zeitung, für den Sie schreiben, ja nicht."
A sagt: "Glauben Sie es mir einfach: Meistens falle ich den Leuten positiv auf."
B sagt: "Hm. Wenn Sie meinen."
A sagt: "Also wie jetzt weiter? Zum Chef verbinden oder die Frau Schneider ruft Sie zurück?"
B sagt: "Nee, ich rede doch mit Ihnen!"
A sagt: "Aber ich bin doch die Falsche für Ihr Problem!"
B sagt: "Aber Sie wissen doch alles bessser! Das ist auch so eine Strategie von Euch Schmierfinken!"
A sagt: "Die Beleidigung nehme ich Ihnen jetzt mal nicht krumm. Aber trotzdem sollten Sie jetzt wirklich mit dem Chef reden! Ich verbinde -"
B sagt: "Nein! Ich rede mit Ihnen!"
A sagt: "Aber das bringt nichts. Ich lege gleich auf, weil Sie sich nur in Rage reden und ich mich dann auch und das ist dann bestimmt nicht schön!"
B sagt: "Ach! Sie, Sie verdienen doch wohl genug, dass Sie sich mal mit einem kritischen Leser auseinandersetzen können - ich bezahle ja wohl ein Schweinegeld für das Abo und Sie, ja Sie sitzen sich den Arsch breit! Sie sitzen sich nur den Arsch breit und machen Ihren Job nicht richtig, sitzen sich nur den Arsch breit!"
A sagt: "Noch einmal: Wissen Sie überhaupt, wer ich bin? Haben Sie meinen Arsch schon mal gesehen?"
B sagt: "Nein."
A sagt: "Dann hören Sie zu: Ich bin hier der letzte Schütze Arsch im Glied! Ich bin hier nicht Chef! Ich kann Sie nur zum Chef durchstellen!"
B sagt: "Wie? Sie sind nicht der Chef? Ja, warum rede ich denn dann überhaupt mit Ihnen?"

B hat aufgelegt. A saß noch eine Weile vollkommen verstört da. Hiermit hat es A jetzt überwunden.

* Hab ich natürlich nicht gesagt!