Freitag, 29. Mai 2015

Alles beim Alten

Der Monat, von dem mit empörender Vehemenz behauptet wird, dass er alles neu macht, ist fast rum. Irgendwie ist mir nach Bilanzziehen:

  • Ich habe auf zwei Kommentare jeweils mehrere erboste E-Mails bekommen, in denen unter anderem meine Kritik an lokalen Themen als zu kritisch kritisiert wurde. Einer der Kritik-Kritiker will nun mit seinen Parteikollegen ein Gespräch mit mir führen, um mir ein paar Dinge klar zu machen. Als der Chef heute fragte, ob ich in der morgigen Ausgabe ein bestimmtes Thema kommentieren könne, fragte ich, ob wir dann auch mal die Leserpost und die "verbalen Arschtritte" für mich veröffentlichen. Er meinte, dass ich alles richtig mache, wenn meine Meinung wieder Meinung hervorruft.
  • Auf einem Platz hat bei einer Wahlkampfveranstaltung, die ich weiträumig umlaufen habe, jemand hinter mir hergerufen, ich sei doch "die Jacob" und wunderte sich wohl, dass ich nicht stehenblieb. Ich bin noch schneller gegangen.
  • Meine Vermieterin hat zwei von mir gewählte Worte (Klamotte für Kleidung und Plaste für Kunststoff) als "nicht so schön" bezeichnet. Aber das sei vielleicht heutzutage so, meinte sie. Schon der Kollege habe doch letztens beim Runterfallen seiner Jacke nur die Schultern gezuckt und "Sind doch nur Sachen" gesagt - und die Jacke erstmal liegen lassen und weiter das Interview mit ihr geführt. Ich  war dumm und fragte: "Welcher Kollege?" Sie antwortete: "Na, der, der früher immer bei Ihnen ... ähm ... übernachtet hat!" Ich war peinlich berührt. Auf so vielen Ebenen.
  • Der Oberbürgermeister sorgt sich. Er hat im Pressegespräch gefragt, warum ich nur Wasser trinke. "Wasser macht garstig", begründete er.
  • Jemand hat auf meine Facebook-Chronik gepostet, ich hätte heute wieder eine tolle Story im Blatt und ich wusste nicht, was er meint. Erst als ich nachsah, wurde es mir klar und ich dachte: "Na ja ... Nee!"
Nix Neues also im Mai.

Mittwoch, 13. Mai 2015

Wir sind überall

Hatte ich hier noch beobachten dürfen, dass das Reden über Kinder und die Musik eine Universalsprache ist, möchte ich nun ergänzen: Journalisten sprechen erst recht eine Sprache. Nun ja. Nicht ganz. Aber wir erkennen einander.

Natürlich spielt das Thema Flüchtlinge und Integration auch in einer kleinen Stadt eine große Rolle. Nachdem also bereits am Sonntag Integrationstag angesagt war, gab es heute erstmals ein "Café International", bei dem Flüchtlinge und mögliche Paten miteinander ins Gespräch kommen sollten. Da geht man als Journalist gerne, zudem im Zuge der Chronistenpflicht hin. 

Gut 35 Leute, viele noch dazu mit Kindern, waren versammelt, saßen an Tischen und tranken Kaffee, unterhielten sich im Deutsch-Englisch-Hand-und-Fuß-Mix. Als Journalist gibt es für mich da nur ein Vorgehen: beobachten und so ausloten, wo eine Geschichte lauern könnte. Ich sehe den katholischen Pfarrer im Gespräch mit vier Männern, vermutlich aus Syrien. Es folgt: anpirschen, lächeln und ein bisschen Zähne zeigen, fragen und dann einfach dazu setzen. Nur werde ich das Gefühl nicht los, dass ich selbst bereits eine Weile beobachtet werde. Kaum habe ich das Notizbuch auf dem Tisch abgelegt, fragt mein Gegenüber mit neugierigen Augen, wer ich bin. Ich sage, was ich bin. Und prompt folgt "Meeeee toooooo", er also auch. Siehe da: 25 Jahre alt. Journalist und Christ. Aus Syrien. 

Wir stellen fest, dass wir beide Sprache lieben und gerne Geschichten suchen und finden. Weil man in Syrien für journalistische Arbeit fix mal in den Knast kommt, hat er angefangen, lieber Jura zu studieren. Die Arbeit als Journalist sei vielleicht doch besser, bestätigt er meinen Eindruck, dass man damit ja auch oft "Anwalt" sei. Fliehen musste er aus religiösen Gründen. Dabei gibt es für uns nur ein paar Glaubensfragen zu klären: Nikon oder Canon? Fifty-fifty. Großes oder kleines Notizbuch? Handlich muss es sein. Kugelschreiber oder Bleistift? Wenn er dir nicht zerbricht, schreibt der Bleistift in Kriegszeiten und unter deren Bedingungen zuverlässiger. 

Sonntag, 10. Mai 2015

Schlüsselerlebnis

Arbeiten an einem Sonntag. Für viele Berufsgruppen ist dies selbstverständlich. Für uns Journalisten auch. Nicht immer ist das schön. Heute war es das. Schön. 

NotenSchlüssel zur Integration lautete das Motto des 1. Nordsächsischen Integrationstages, der heute in meiner Heimatstadt stattfand und den ich journalistisch begleitete. Der Landrat hatte sich im Dezember mit dem Chefdirigenten der Sächsischen Bläserphilharmonie in einer anderen Angelegenheit getroffen. "Wir haben uns nicht gekannt, aber wir haben uns erkannt", sagte er heute. Die zwei Herren entwickelten nebenbei eine Idee: Profimusiker, Musikschüler, Flüchtlinge und Asylsuchende gestalten ein gemeinsames Konzert. Einstudiert wurde es heute binnen weniger Stunden. Ein Wirrwarr aus Sprachen und Nationalitäten, Hunderte Menschen als ein großes Durcheinander. Musik ist eine Universalsprache, Harmonie gelingt. Ob nun der "Pink Panther" von Henri Mancini oder ein "Medley Calipsos", das Ergebnis klang gut. Es war mitreißend. Anders kann man es nicht sagen.

Das Konzert fand nach sieben Stunden Arbeit in einer Turnhalle statt. Auf den vielen Stühlen dort hatten die Familien unterschiedlichster Nationalitäten Platz genommen. Auch von der Tribüne lugten ein paar Neugierige hinunter und lauschten. Die Kinder wusselten dazwischen umher. Während ich zu Beginn des Tages nur wenig Polizei und Security sah, war nun zum Abschlusskonzert angesichts der Politprominenz wie Staatssekretären noch eine große Portion davon aufgefahren, als gelte es die spezieller zu schützen. Und die Securityfraktion trug - das mag Teil des Jobs sein - meist ein teilnahmsloses bis verkniffenes Gesicht dazu. Speziell die Securitydame, die die Tür bewachte, die nicht nur den Weg zur Tribüne, sondern auch den zum Ausgang darstellte. Immer wieder schickte sie Kinder starren und sie nicht weiter beachtenden Blickes weg - schimpfte sie sogar an, dass sie während des Konzerts leise sein sollten und sitzen bleiben müssten. Man zeige mir ein Kind auf der Welt, dass das nach einem Siebenstundentag hinbekommt?

Immer launiger wurde die Musik. Die Percussionmusikstücke dröhnten, dass man das Tanzen nur schwer zu unterdrücken vermochte. Mit jedem Musikstück, jedem dazu tanzenden Kind oder wippenden Windelpopoträger wurde die Frau von der Sicherheit lockerer. Bis sie nur noch lächelte, die Tür öffnete, mit den Kindern schäkerte und spielte und sich mit den Müttern "unterhielt". Mit Fingerzeig für das Alter der Knirpse, zum Beispiel. Das Reden über die lieben Kleinen, es scheint auch so eine Universalsprache zu sein. Und ihre strenge Kollegin im Gang? Jene, die sogar noch strenger immer nur an ihrem Knöpfchen im Ohr rumnestelte und über die Kinder hinwegsah? Die nahm eines kurzentschlossen bei der Hand und ging lächelnd und tanzenden Wiegeschritts mit ihm Richtung Toilette, weil seine Mama grad nicht auffindbar war. 

Freitag, 1. Mai 2015

Politik(er), weiche von meiner Laterne!

Ich habe ja nichts gegen Politiker ... Ich möchte diese Leute nur nicht in meiner Nachbarschaft haben. 

In wenigen Wochen findet in der Stadt die Wahl des Oberbürgermeisters, im Landkreis die des Landrats statt. Während für mich bei Letzterer noch ein klitzekleinwenig Spannung möglich scheint, wird bei Ersterer wohl nicht wirklich ein neuer OBM gewählt. Ich bin natürlich - es gehört ja zusätzlich zum Beruf des Journalisten - ein politischer Mensch. Aber nicht mehr an Sonntagen wie dem letzten.

Die Nacht war kurz. Der Alkohol war viel. Ich bin 31, was ja an sich ganz okay ist, ich habe ja nichts gegen das Alter. Aber da braucht es einfach zwei Kaffee, eine kalte Dusche, drei Aspirin und eine Puderquastentour durchs Gesicht mehr als früher, um sich halbwegs erfolgreich der Illusion hinzugeben, dass Partynächte immer möglich und ohne Folgen sein werden. Wenn man an solch einem Morgen notgedrungen (Hunger!) aus dem Haus stolpert und der erste Mann, den man sieht, ist ein Politiker, der einen von einer Laterne herab in Form seiner Wahlplakat gewordenen Machtarroganz angrinst, wünscht man sich wieder minderjährig zu sein - wegen der Straffreiheit.