Montag, 28. April 2014

Bollebollebolle

Ich wohne in einer Kleinstadt mit großartigen Menschen. Ich habe die Ehre einige dieser großartigen Menschen zu kennen, einer davon macht mich stolz wie Bolle...

Ein guter Freund hat für meine Kleinstadt eine kleine großartige Lesebühne geschaffen. Er ist ein schlauer Fuchs, den Schreibenden eine feine Bühne und den Zuhörern jeden vierten Sonntag im Monat ein paar schöne Momente bei freiem Eintritt zu bieten. Es lesen Leute vor Publikum, die sich das selbst nie zugetraut hätten. Es wird gelacht, nachgedacht, gestaunt, das Leben mit Buchstabensalaten aller Art genossen. Der Stoff ist so vielfältig wie die Vorleser. Mancher kommt jeden vierten Sonntag. Ich zum Beispiel führe die Zuhörer jedes Mal auf den Jacobsweg. Mein kleiner Bruder liest auch immer was vor. Der schreibt nämlich auch - genau wie seine große Schwester. Die große Schwester, die immer besser war in der Schule und auf die ihn alle Lehrer ansprachen und Erwartungen hatten. Die große Schwester, die auch sonst immer alles irgendwie besser gemacht hat - das Studium in Windeseile und sehr gut absolvierte, lange den geraden Weg ging, nie scheiterte ... alles eben ein bisschen besser.

Wer sich ein bisschen mit dem Haben von Geschwistern auskennt, der weiß: Es ist nicht immer leicht. In der Bewerbung um mein Volontariat schrieb ich den schönen Satz "Als eines von vier Kindern habe ich Teamfähigkeit, Organisationstalent, Verantwortungsbewusstsein und Durchsetzungsvermögen schon früh verinnerlicht" - ja, so kann man es auch ausdrücken ... So sehr wir, ich als one of the boys, auch eine verschworene Einheit sind, gibt und gab es auch die harten Momente des Geschwisterseins. Mittleres Kind und einziges Mädchen? Nicht einfach, aber dafür bin ich inzwischen dankbar. Nesthäkchen wie mein kleiner Bruder? Ui, das ist erst recht schwer! Und als Jüngster stehst du immer im Schatten deiner älteren Geschwister ... Pustekuchen!

Ich bin Journalist, mein kleiner Bruder kann schreiben!

Mein kleiner Bruder macht etwas, was man am ehesten noch als Poetry Slam beschreiben kann. Er schreibt Sätze, von dem dir jeder einzelne im Hirn explodiert vor Bildgewalt. Sätze, die alles in dir herausfordern und dein Denken wie deine Herzfrequenz beschleunigen, wenn du sie hörst. Sätze, die dich in Untiefen nicht nur (s)einer Seele sondern einer ganzen Generation entführen und dir den Spiegel vorhalten, dass du staunen und dein Leben anders und besser machen willst. 

Jetzt fragt Ihr Euch vielleicht: Ja, schön, kann man da mal eine Kostprobe haben? Nee, das möchte ich nicht! Denn, was mein kleiner Bruder macht, ist nicht gedacht für die copypastesaugenden Internetklicker, die nur schnellschnell irgendwas lesen und noch schneller vergessen wollen - ich wollte nur mal sagen, dass ich stolz bin im Schatten meines kleinen Bruders zu stehen. Und manchmal kann man die kleine Lesebühne vom hiesigen Web-Radio holen.

Aber wehe einer klaut bei dieser Gelegenheit die herzpochenden Explosionssätze meines kleinen Bruders! Dem blüht, was ihm ein paar Mal passierte: Es gibt Ärger, aber so richtig!, mit seiner großen Schwester!!!

Freitag, 25. April 2014

M oder M?

Es gibt Berufsgruppen, die werden gar nicht und es gibt Berufsgruppen, die werden häufig im TV und Film thematisiert. Eine Serie über Müllmänner oder Maurer? Hm. Eher unwahrscheinlich. Eine Serie über Ärzte oder Anwälte? Hm. Qual der Wahl, welche man denn schauen will. 

Journalisten werden auch ganz gerne mal im Fernsehen zur Figur. Nebenrolle. Zum Beispiel in Krimis, wo sie als Schmierfinken und/oder Informanten auftauchen, die Ermittler nerven und zu Schimpfereien über die Medien an sich herausfordern. Mit Klischees freilich wird nicht gespart. Entweder handelt es sich um die abgehalfterten Herren, die in einem Mantel der Art Horst Schlämmer Berufzynismus streuen oder es handelt sich um Frauen mit Hang zum Burschikosen. 

Insofern aber waren die Darstellungen trotz so mancher Klischees wenigstens noch so halbwegs nah an der Realität. Der Großteil der Journalistinnen hat tatsächlich Sinn für praktische Ästhetik, auch wenn es um das eigene Auftreten und Aussehen geht - ich habe es nicht nur an mir selbst beobachtet (lest hier). Jetzt aber sah ich in der vermutlich xten Wiederholung einer Krimiserie, ich meine es war "Der letzte Bulle", eine Journalistin des Typs Mäuschen. Mäuschen, Mäuschen, Mäuschen ...

Mäuschen wie sie neuerdings auch immer wieder in der Realität des Journalismus auftauchen. Hohe Hacken an den pedikürten Füßen, kurze Kleidchen auf den zarten Leibern, lange Haare, die wimpernklimpernd um die eigenen Finger gewickelt werden ... bis einer eingewickelt ist. Und so sehr ich auch Carrie Bradshaw aus "Sex and the City" für ihren Intellekt, Humor, Charme und nahezu embed(d)ed journalism zu schätzen und in biggen Momenten auch zu beneiden weiß, so möchte ich sie doch jedes Mal belehren, wenn sie sich selbst als Journalistin bezeichnet. 

Zunächst einmal ist sie Kolumnistin, die nur einen Beitrag pro Woche abzuliefern hat und dennoch beinahe täglich Schuhe kauft, deren Preise meine Monatsmiete übersteigen. Und auch sonst sieht man ihrem Äußeren an, dass sie keine echte Journalistin sein kann, die Tag für Tag ranklotzt. Eine echte Journalistin trägt kein Täschchen, welches sie an einem immer wieder rutschenden Henkel auf der Schulter oder am Handgelenk drapiert, damit es vor allem gut aussieht. Journalistinnen greifen gerne zur Umhängetasche, die ein Notizbuch in A5 mindestens zu verstauen weiß. Eine echte Journalistin sucht in ihrer Tasche auch nicht nach ihrem einzigen Kugelschreiber. Journalistinnen verstauen gerne mehrere Schreibutensilien und haben ein nahezu komplett ausgestattetes Büro bei sich, wenn sie unterwegs sind, das ihnen jederzeit ermöglicht von fotografieren bis notieren zu arbeiten (seht hier).

Journalistinnen bevorzugen auch eine Absatzhöhe unterhalb der vier Zentimeter für ihre Schuhe. Sie sind leger schick angezogen und so jederzeit in der Lage, sich mit einem zu interviewenden Bauern auf die Weide zu stellen oder mit einem Bürgermeister in ein Zimmer zu setzen - und für beide Gelegenheiten gut angezogen. Sie können an einen Unfallort düsen und in Straßengräben hockend Fotos von Rettungsarbeiten schießen, ohne sich Fingernägel oder Pfennigabsätze dabei abzubrechen. Wenn sie zu frieren beginnen, ziehen sie einfach den Reißverschluß ihrer (Leder)Jacke hoch und müssen kein Mäntelchen vor Dreck oder das Gesamtbild ihres Stylings bewahren. Vor allem aber interessieren sie sich mehr für ihre Umwelt und Mitmenschen als für die neuesten Designerkollektionen und die eigene Maniküre.

Leider aber scheinen nachwachsende Journalistinnen sich mehr am Äußeren der Carrie Bradshaw zu orientieren als an ihren sonstigen Qualitäten. Sie verkennen, dass Carrie neben der Vogue vor allem eine Reihe Bücher verschlingt und mit Zeitungslektüre in die eigene Bildung investiert. Und bei ihnen ist auch das bisschen Carrie-Journalisten-Tum leider nur "schöne" Hülle und Outfit - von Intellekt, Humor und Charme, Klappe, Kurven und Köpfchen ist nichts zu spüren. Stellt sich die Frage, wohin uns der Trend noch führen wird: zur Model- oder Modelljournalistin?

Freitag, 18. April 2014

96 Sekunden Haltung, ungefähr

Der Mensch braucht Kaffee. Am besten in einem Café und in netter Gesellschaft. Das alles habe ich mir kürzlich mal wieder gegönnt. Der Auftritt eines hier nicht näher zu benennenden Politikers, von dem ich aufgrund seiner Neigung zur Perfektion gelegentlich annehme, dass er eine Extra-Schulung für seine immer akkurate Frisur absolviert hat und in seinem vermutlich begehbaren Schrank ein Fach nur für Accessoires wie Krawatten und Einstecktücher besitzt, hat diese Atmosphäre durch eine Vorführung in Sachen korrekter Auftritt und immerwährende Haltung bereichert.

Der Blick kann ungehindert aus dem Café mit angeschlossener Bäckereifiliale auf den Parkplatz schweifen. Es biegt jenes Vehikel ab, in dem der Politiker sonst meist chauffiert wird. Doch an diesem Tag lenkt er selbst die Geschicke des Pkw. Er stellt ihn ab. Steigt aus der Fahrertür. Sogleich an die linke hintere Tür. Es erscheint ein Sakko, welches sogleich übergezogen wird. Oha, möchte ich mutmaßen, er hat wohl einen wichtigen Termin, für den es sich korrekt zu kleiden gilt. Weiter herum um das Auto zur rechten hinteren Tür. Er entnimmt etwas - mehr als erahnbar, dass es sich um ein ausgehfeines Herrenhandtäschchen oder eine zu groß geratene Geldbörse handelt. Der Mann betritt das Café. Aha, möchte ich weiter mutmaßen, der wichtige Termin findet wohl hier statt.

Fürwahr. Es ist sehr wichtig, denn der Politiker auch nur Mensch. Der Mann ordert diverse Kohlenhydratprodukte. Bezahlt. Verlässt den Laden wieder. Zurück zum Auto. Kofferraumklappe. Brot und Brötchen verstauen. Hintere rechte Tür. Portemonnaie weg. Zur hinteren linken Tür. Das Sakko wieder aus, Stoff kurz abklopfen, uniformierte Gründlichkeit weghängen. Fahrertür. Weg.

Großzügig überschlagen wurde das Sakko ungefähr Pi mal Daumen ziemlich genau 96 Sekunden zum Zwecke der Transaktion Bares gegen Brot getragen. Das nenne ich Haltung und stets gefeierte Perfektion, wie Otto Normal sie kaum zu leben bereit ist.