Dienstag, 29. Oktober 2013

Ich habe vielleicht Probleme. Aber du hast einen Kommunikationsplan.

Seit fast 125 Jahren gibt es in meiner Heimat- und Berichterstattungsstadt eine Post. Mal so. Mal so. Durchaus auch mal als Reichspost. Auch mal als Deutsche Post (DDR). Mal als Deutsche Bundespost. Mal als Deutsche Post AG. Mehr als 100 Jahre konnte man an jenem Ort Briefmarken kaufen, Briefe versenden, Pakete aufgeben und welche abholen. So Sachen halt, die man auf einer Post so macht. Aber Post ist nicht gleich Post. Das ist wichtig zu merken!

Weil die Frauen auf der Post (oder dem, was man* gemeinhin dafür hält) seit ein paar Tagen immer so verheulte Augen haben sollen, fragt der geneigte Journalist ja mal nach. Bei den Frauen. Die wissen seit einer Woche von ihrem Unglück. Und dann fragt man bei der Post, ob das mit der Schließung stimmt. Was an sich schon blöd ist. 

Die Post hat nämlich eine Pressestelle. Die Pressestelle veröffentlicht im Internet die Telefonnummern, aber keine Mail-Adressen. Der geneigte Journalist stellt solche Anfragen aber gerne schriftlich, um später auch was schriftlich in Händen zu halten - Konzernpressesprecherdeutsch braucht man ohnehin schriftlich, mündlich kann man sich das nämlich kaum merken. Gegen Telefone haben wir aber auch nichts. Grundsätzlich. Da geht nur leider nicht immer jemand ran. Erst recht nicht, wenn unsereins abends sein Problem gelöst haben will. Dafür volles Verständnis. Aber wir haben was gegen und definitiv kein Verständnis für anonyme Kontaktformulare, in die wir unsere Anfragen hacken sollen.

Heute hat der eine Pressesprecher von der Post (oder dem, was man gemeinhin dafür hält) aber auch auf das Formular hin zurück gerufen - kann an dieser Sache mit "Ich bitte um Ihre Antwort bis 12 Uhr" gelegen haben. Der Pressesprecher betont nun ausdrücklich, dass es nicht die Post sei, die in der Stadt schließt. Sondern das Postbank-Finanzcenter, das die Sache mit der Post (oder dem, was man gemeinhin dafür hält) im Partnermanagement betreibt. Eine eigene Filiale haben sie schon lange nicht mehr. Aha. 

Auch nach der Schließung sei aber die Postdienstleistung vor Ort kein Problem. Es gibt DHL-Paketshos, Verkaufspunkte, Partnerfilialen. Ein bisschen auf der Homepage von der Post (oder dem, was man gemeinhin dafür hält) gesurft: Man kann bei dem einen Pakete abgeben, aber keine Briefmarken kaufen. Bei dem anderen kann man Briefmarken kaufen, aber keine Pakete abgeben. Und die Partnerfiliale hat jeden Tag mittags drei Stunden zu. Ansonsten gibt es eine Packstation. Einwände, dass so eine computergestützte Station für eine 87-Jährige kein Service sei, lässt der Pressesprecher nicht gelten. Er sei nicht zum Diskutieren da. Aha.

Aber die Post (oder das, was man gemeinhin dafür hält) bemüht sich auch nach dem Ende des Postbank-Finanzcenters in dem Haus, wo immer die Post (genau das, was man dafür hält) war, eine neue Partnerfiliale in einem anderen Gebäude zu finden. Damit auch die Kunden von der Postbank wohin können, wenn sie mal was wollen. Beratung gibt es ja aber nach Schließung auch 30 Minuten Fahrtzeit entfernt. Aha.

Alles Weitere sei Sache der Postbank. Weil eigentlich ist die Post (oder das, was man gemeinhin dafür hält) ja nicht zuständig für die Anfrage, weil es geht ja nicht um die Post (genau das, was man dafür hält).

Bei der Postbank veröffentlicht man Mail-Adressen. Aber die für die Region zuständige Pressesprecherin ist im Urlaub. Veröffentlicht wird nur eine Service-Zentralnummer für Journalisten, die einen dann nach viel Warteschleifenmusik zum nächsten zuständigen Pressesprecher leitet. Auf die Frage, was genau aus den x Frauen vom Postbank-Finanzcenter (man ist ja lernfähig) wird und ob ihre Arbeitsplätze gestrichen oder sie versetzt werden, sagt der Pressesprecher "Das ist aber eine sehr konkrete Anfrage!". Aha. 

Man habe da schon was in Planung. Auch bezüglich der Infos für die Öffentlichkeit. Zu gegebener Zeit, noch nicht jetzt - nicht jetzt, wo ja die Frauen mit den verheulten Augen am Schalter des Postbank-Finanzcenters (oder dem, was man bis jetzt nicht dafür hielt) stehen. Stehe denn die Lokalredaktion schon im Verteiler? Denn dann sei man ja in der Empfängerliste für die Infos. Warum sollte sich das Unternehmen auch von sich aus melden?

Und dann kommt auf die Frage nach weiteren Details der Satz des Tages: "Da muss ich mal nachsehen, wann hm-hm-hm auf dem Kommunikationsplan steht?!"

Drei Stunden später scheint der Kommunikationsplan überarbeitet und die Pressemitteilung mit sehr viel Blabla geht eher raus als von der Postbank (genau das, was man JETZT dafür hält) gedacht.

Gute Nacht!

* man meint hier das, was man gemeinhin für Otto Normal und Lieschen Müller hält.

Samstag, 26. Oktober 2013

Bratwurstjournalismus? Schuldig im Sinne der Anklage!

... oder warum Lokaljournalisten langfristig zunehmen müssen

 

Lokaljournalismus wird oft der Vorwurf gemacht, vor allem Bratwurstjournalismus zu sein. Wirklich hübsche Beispiele für Bratwurstjournalismus finden sich hier

Ich, übrigens auch schon des Bratwurstierens schuldig geworden, definiere Bratwurstjournalismus selbstentschuldigend - und rechtfertige mich damit vor mir selbst, weil ich mich immer für mein(e) Vergehen schäme. Nach meiner Definition gilt:

Bratwurstangebot = Bratwurstjournalismus

Es sind nämlich gerade jene Veranstaltungen im Lokalen, wo es Bratwurst gibt, die uns in die Falle des Bratwurstjournalismus tappen lassen. Das Produkt Bratwurst lässt sich in diesem Gleichnis mühelos gegen jede andere Art Futter tauschen. Dorffeste, Feuerwehrfeste, Seniorenfeiern, Vereinsfeste. Außer Fressen, Saufen, Blasmusik ist bei solchen Gelegenheiten oft nicht viel los. Aber kaum eine Lokalpostille kann es sich leisten, solche Feste zu ignorieren. Die Leute nehmen das übel. Also muss man da leider hin. Daher ist auch schreibend nicht mehr viel mehr daraus zu machen als Programmablauf und Menüabfolge, das muss ich leider zugeben. Da muss man schon nach der kritischen Nadel im Heuhaufen der Gefälligkeit suchen, um mehr daraus zu machen. 

Meistens bekommt man als Journalist sogar noch eine Wurst, Kuchen oder sonstiges spendiert. Kombiniert mit dem Schreibtischjob, der Journalismus oft ist, erklärt sich das Format vieler meiner Kollegen. Und ich glaube inzwischen, dass einem mit solch Bratwürsten das Maul gestopft werden soll...

Erst heute war ich wieder bei so einem Termin. Seniorennachmittag. Der Bratwurstjournalist in mir verlangt es "traditioneller Seniorennachmittag" zu nennen. Eine Hundertschaft Senioren sitzt in einem Saal. Ein Mensch aus dem Rathaus überbringt die Grußworte des Bürgermeisters - irgendwas mit Wetter, gute Unterhaltung, lecker Kuchen usw ...  ich habe es schon wieder vergessen, Grußworte sind ja auch alle gleich.

Dann: Blasmusik, Blasmusik, Blasmusik ... rum-ta-dah-rumta-dah ... es pustet einem das Hirn weg. Dann Kaffee und Kuchen für alle. Kuchen wird gegessen, Kaffee in Ermangelung echter Milch mit fetter Kondensmilch auf meinen Geschmack getrimmt. Blasmusik, Blasmusik, Blasmusik... rum-ta-dah-rumta-dah ... 

Eine Tanzgruppe tritt auf. Line Dance ausgerechnet. Das ist im Lokalen ungefähr so inflationär wie Kosmetikproben in Frauenzeitschriften - du ahnst nichts Schlimmes und plötzlich hast du die nächste Wundercreme in Händen oder ein Parfum, das ja doch nur irgendwie nach WC-Raumspray riecht. Doch bewundernswert finden leider viele Menschen Line Dance. Die Frau aus dem Rathaus sagt jedenfalls, die Gruppe muss ich mir "unbedingt" ansehen und ich denke, dass ich mich unbedingt sofort übergeben muss, wenn ich mir wirklich noch eine Line Dance-Gruppe ansehen muss - das würde zumindest das Gewichtsproblem lösen, Bratwurstbulimie quasi. Es geht weiter mit Kaffee, Kaffee, Kaffee ... Blasmusik, Blasmusik, Blasmusik 

Die Blasmusik mit Mühe übertönend und dicht an das von Hörgerät gezierte Ohr eines alten Mannes gelehnt, versucht man dann noch den Programmablauf mit ein wenig Zitat zu schmücken. Wobei der Mann natürlich auch alles "prima" findet und es ihm "einfach gefällt" beim "traditionellen Seniorennachmittag". 

Wie auch immer man also die Bratwurst dreht und wendet, hier ist außer der an Körperverletzung grenzenden Lautstärke der Blasmusik nicht viel an Kritik rauszuholen. Und nicht einmal die Lautstärke könnte man in der Zeitung kritisch bewerten, sie ist ja nur an die Hörgerätehundertschaft angepasst. Also noch ein paar Kekse vom unter die Nase gehaltenen Teller genascht und man verlässt mit einem Pfeifen im Ohr die Hundertschaft wieder. In der traurigen Gewissheit, dass man hier nicht viel mehr als Bratwurstjournalismus hinbekommen wird. Das ist vorsätzlicher Bratwurstjournalismus. Da kriegt man auch gleich wieder Lust auf Frustfressen!

Freitag, 18. Oktober 2013

Gewalttätig

Zur Info - auch für meine schärfsten Kritiker - man nennt die Medien auch die vierte Gewalt. Weil wir, die Medien, das politische Geschehen beeinflussen können. Gerade das macht es so wichtig, dass es gute Journalisten gibt. Journalisten, die sich dieser Gewalt stets bewusst sind und sie - vor allem - auch einzusetzen wissen. Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt ... manchmal wollen manche von uns wirklich die Welt verbessern und verändern, Prozesse anschieben, zum Nachdenken anregen ... so die Dinge verändern, seien es auch nur Kleinigkeiten.

Aber nicht jeder Politiker - sie machen ja auch im Lokalen vornehmlich eine andere Gewalt aus - versteht es, seine Gewaltposition richtig zu nutzen und sich dessen bewusst zu sein. Das unterscheidet den guten Journalisten vom schlechten Politiker. Zu weit verbreitet ist, das kann ich nach fast drei Jahren im Lokaljournalismus mit unzähligen Ortschaftsrats-, Gemeinderats- und Stadtratssitzungen wahrlich und guten Gewissens behaupten, der schlechte Kommunal- und Lokalpolitiker. 

Ich meine damit jene Lokalpolitiker, die beispielsweise erst zu Sitzungsbeginn in ihre Unterlagen blicken und dann die Dinge einfach abnicken (müssen). Jene Politiker, die sich eine Meinung von Fraktionsvorsitzenden ungefragt vorgeben lassen und sich eine andere Meinung nicht mehr leisten wollen. Oder die Meinung von den jeweiligen Bürgermeistern. Jene Politiker, die andere weit bessere und dadurch ja nicht selten diskussions- und meinungfreudigeren Politiker mit genervten Aussagen wie "Ich will heim" im Keim ersticken wollen - und das habe ich schon oft gehört. Wenngleich ich gerne zugebe, dass auch ich manchmal "Ich will heim" denke - aber ich bin Beobachter in solchen Momenten und nicht Entscheider.

Ich meine aber auch jene Lokalpolitiker, die die vierte Gewalt verkennen. Es geht schließlich auch um das Zusammenspiel der Gewalten, nicht immer sind sie sauber zu trennen - nicht immer müssen sie das, oder? Unsere Unabhängigkeit ist uns viel wert. Aber manchmal ist die Zusammenarbeit nötig - und daran ist, so sehe ich es jedenfalls, auch nichts Schlimmes. Solange man es immer noch schafft, die Distanz und Unabhängigkeit zu wahren, sich nicht vereinnahmen lässt, sondern sachorientiert handelt.

Die wenigsten Lokalpolitiker verstehen es aber, sich einen guten Draht zur Presse aufzubauen. Sie verkennen, wie viel es wert sein kann ein guter Dealer zu sein. Haben sie Angst, man könne ihnen daraus einen Strick drehen? Nein. Es ist nicht verboten.

Viel zu viele Politiker glauben noch, es reiche auf unser Agieren zu warten. Das sind dann jene Politiker, auf die wir nur noch reagieren. Sie sagen was im Gremium und wir fragen im Anschluss mal nach. Sie überraschen uns mit Bürger-Umfragen in unserem Briefkasten und wir reagieren. Wir mögen es aber nicht, jemandem nachzurennen. Viel zu wenige Politiker im Lokalen haben auch nur im Ansatz Ahnung von Pressearbeit. Pressearbeit versteht hier nicht allein das Versenden von Pressemitteilungen. Nein. 

Es geht darum, mit der Presse zu arbeiten. Ratsamer ist es also, von sich aus auf uns zuzugehen, wenn man mal eine gute Idee hat und diese nicht im stillen Kämmerlein auf Entdeckung hoffen zu lassen - nach dem Motto "Vielleicht sehen die von der Zeitung es ja". Man kann auch mal (!) Themen setzen. Uns Ideen geben. Vor allem aber Infos, Infos, Infos. Denn davon leben wir - die anderen leben davon, Erwähnung zu finden in der Presse. Wer nicht bekannt ist, wird auch nicht (wieder) gewählt. Wessen Worte und Taten nicht mitgeteilt werden in der Öffentlichkeit der lokalen Medien, der bleibt für die Öffentlichkeit ein unbeschriebenes Blatt - inhaltslos. Aber um Inhalte geht es doch, oder?

Also sollte man den Kontakt zu uns pflegen. Denn eitel sind wir ja auch. Wir mögen es nicht immer, den Leuten nachrennen zu müssen. Dazu müssen Lokal-Politiker auf uns zugehen und auch mal aus dem Nähkästchen nicht öffentlicher Sitzungen plaudern und so die Dinge ans Licht bringen (lassen). Und auch Journalisten gehen dann auf Politiker zu und geben Hinweise zu Dingen, die der Politiker so vielleicht noch gar nicht gesehen hatte. Oder sie geben Tipps, was Politiker noch anschieben könnten. Sie, die Politiker, lassen uns die Dinge ans Licht bringen. Und wir beleuchten die Dinge für sie, zeigen sie vielleicht erst auf. Ein Licht leuchtet quasi für das andere - eine Hand wäscht die andere. Dann können sich Dinge verändern lassen, wenn es manchmal auch nur Kleinigkeiten sind.

Dies alles ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber ich finde es vollkommen korrekt, dass ich manchmal gewalttätig werde.

Sonntag, 13. Oktober 2013

Typen

Als Journalist,der und damit auch als Journalistin,die kommt man nicht umhin, mit jenen Menschen Kontakt zu haben, mit denen sonst keiner Kontakt haben möchte - mit Politikern. Wir alle wissen ja inzwischen, wohin das führt, wenn sich Journalistin,die auf bundespolitischer Ebene mit Männern wie Brüderle,der rumtreibt und rumschreibt.

Mit komischen Typen zu tun zu haben, bleibt auch im Lokalen nicht aus. Komisch im eigentlichen Sinne. Im Sinne von "durch eigenartige Wesenszüge belustigend, zum Lachen reizend" und "sonderbar, seltsam" - mitunter aber auch komisch im Sinne von "spaßig und witzig". Es ist ein bisschen so, als hätte man (speziell Journalistin,die) eine Reihe schlechter Dates und würde doch nicht schlauer - weil es berufsmäßig passiert. Es passieren einem Typen wie diese, es sind immer die Falschen:

- Gucker,der: Spricht er in kommunalpolitischen Gremien und wähnt sich, gerade einen klugen/daher zitierfähigen Satz getan zu haben, guckt er dich an - ob du es auch geschnallt und mitgeschrieben hast. Weil er eigentlich immer und ständig glaubt, kluge/daher zitierfähige Sätze von sich zu geben, guckt er dich auch ständig an. Er erzählt quasi ständig schlechte Witze und das beschissene Date will einfach nicht enden, weil du ihm noch nicht genug Applaus gespendet hast. Lösung: höflich nicken und auch mal lachen, notfalls das Lachen vortäuschen.

- Schleimer,der: Um zu kriegen, was er will (Text, Partei-PR, groß/großartig, schnell und viel), schleimt er dich voll. Mit Komplimenten jeder Art. Nur du bekommst nichts zurück. Eigentlich liest er die Zeitung überhaupt nicht. Das hast du schon gemerkt. Heiße Infos hat er auch keine für dich - er weiß ja nicht mal, was in der Zeitung steht. Es ist ein bisschen so, als würdest du deinen Freund nach deiner Augenfarbe fragen und der antwortet mit einem verzogenen Grinsen etwas wie "Dunkel!?" oder " ... äh ... dein Vater muss dich sehr lieben, wenn er für deine Augen die Sterne vom Himmel geholt hat". Gerne lobt er bei jeder sich bietenden Gelegenheit deine Texte, er will sagen "Ich höre dir zu, ich achte dich" - und dafür sollst du tun, was er will. Er ruft dich gerne an, um zu säuseln, wie witzig und talentiert du bist. Für einen guten Schleim nimmt er es mit der Wahrheit nicht so genau. Kommt es ganz schlimm, so nennt er dich "meine Große, Schöne, Blonde" - und du (groß, schön, brünett) fragst dich nur, was der Scheiß mit der Blondine bitte soll?

- Abschätziger,der: Er nimmt dich eh nicht ernst und lächelt dich nur milde an - immerhin ist er dir dank Masse und Größe körperlich weit voraus (sonst nicht). Er sagt auch mal Sätze wie "Aber das erkläre ich dann dem Herrn Müller" und meint damit deinen älteren und vermutlich schon auf Linie gebrachten Kollegen. Er redet mit dir, als wärst du intellektuell nicht ganz auf der Höhe und leitet dies gerne mit Floskeln wie "junge Frau" ein. Oder er sagt im Beisein deines älteren Kollegen Dinge wie "Darf ich deine hübsche Kollegin mal sprechen?" - sobald du aber anfängst, mehr als zwei Sätze an einem Stück zu reden, steigt sein "Intellekt" beim Zuhören aus, er glotzt dich nur noch an und sagt dann Dinge wie "Ihr Mann hat es bestimmt auch nicht leicht."

- Dealer,der: Info gegen Text. Der Deal funktioniert. In einem affärenartigen Tänzchen kannst du mit diesem Typen haben, was du willst und brauchst und das schnell und umkompliziert - aber nur, sofern es ihm auch was nützt und sich gegen die anderen im Haifischbecken der Politik richtet. Dafür hält er auch mal die Waage zwischen Schleimer und Gucker. Im Gegensatz zu den anderen Typen liest er nicht nur deine Texte, er kennt dich sogar ganz gut und gelegentlich interessiert er sich für deine Person,die abseits von Journalistin,die. Text gegen Info. Mehr nicht. Der Deal funktioniert - bestens, wenn du dir dessen immer bewusst bist.

Freitag, 11. Oktober 2013

Fixes Fax

Gerne erinnere ich mich an jenes hier beschriebene Telefonat. Kurz: Der Anrufer unterstellte dem Blatt viel Böses. 

Ich möchte nicht vorenthalten, was aus der Sache geworden ist: Der Mann hat sein Abo gekündigt. Auf zwei Seiten Fax erläutert er, - das Wort Verfolgungswahn kommt einem dabei recht häufig in den Sinn - warum er das Abo kündigt. So nennt er eine Kollegin "eine Unterlasserin der alten Schule, als das Blatt noch das Zentralorgan der SED war".

tzzzzz ... 

Das Telefonat mit mir erwähnt er in dem Schreiben kein einziges Mal. Zum Glück?

Donnerstag, 10. Oktober 2013

Selber doof!

Marketingabteilungen von Zeitungshäusern haben mal nicht so gute, eher doofe und auch mal gute, eher weniger doofe Ideen. Gut würde ich das nennen, was sich in unserem Verbreitungsbebiet Zeitungsflirt nennt, aber eigentlich sehr viele Regionalzeitungen deutschlandweit machen: Schulklassen bekommen über den Zeitraum eines Monats jeden Tag Klassensätze der Zeitung und ein kleines Programm mit Aufgaben, Bastelideen und Angeboten. Das soll die lieben Kleinen an das Medium Zeitung heranführen - Kundschaft von morgen! 

Gerne angenommen wird das Angebot, sich einen Redakteur in die Schule zu holen. Der Journalist steht eine Stunde zur Verfügung, erzählt was von sich und seinem Beruf, beantwortet Fragen. Dieses Aktionsjahr habe ich die Termine koordiniert. Neben Grundschulen sind auch eine Schule für Kinder und Teenager mit geistiger Behinderung und eine Förderschule in den Reihen der Interessenten. Da mir klar war, dass niemand scharf auf diese Termine sein würde, habe ich mich gleich freiwillig gemeldet. 

Heute nun stand ich vor neun Teenagern von der Schule für geistig Behinderte. Und ich gebe zu: Ich hatte ein wenig Schiss vor diesem "Auftritt". Ich kann von mir nämlich nicht gerade behaupten, unglaublich gut mit Kindern umgehen zu können - die wenigsten Kinder schließlich wissen mit Ironie umzugehen und ich kann kaum was ohne Ironie machen. Ich finde Kinder auch nicht so toll wie die meisten anderen Menschen, große Ansammlungen von Kindern (groß = mehr als zwei) finde ich schlicht nervtötend. Aber wie bitte mit Behinderten reden? Leuten, "die geistig nicht ganz auf der Höhe sind", wie mein Kollege es noch gestern nannte? Ich? Deren Geist nie still steht, der permanent voll gestopft ist mit mal mehr und mal weniger guten Gedanken? Reden über einen Job wie meinen? Über die mitunter sehr komplexen Sachen, die wir machen? Wie will man das erklären, wie in modernen Zeiten eine Zeitung entsteht? Was, wenn ich was falsch mache? Was könnte ich alles falsch machen?

Absoluter Schwachsinn! Lange nicht hat mir eine dieser Flirtschulstunden so viel Spaß gemacht! Denn wenn einer "geistig nicht ganz auf der Höhe" ist, dann ja wohl mal Journalisten!!! Ich hatte es schon geahnt, nun bin ich überzeugt davon.

Wir haben uns nett unterhalten. Über die Sachen, die wir gerne machen. Ein Junge zum Beispiel singt gerne. Seine Banknachbarin spielt lieber mit ihren Katzen. Ein anderer macht am liebsten Sachen an der frischen Luft. Der 18-Jährige vorne links mag Sport. Ich arbeite eben als Journalist. Ich berichtete, was ich so den ganzen Tag mache und habe mal erzählt, wie so ein Layout eigentlich entsteht und sich die Zeitungsseite über den Tag füllt. Leider ist der Marketingguru nicht schlau genug, uns mit Laptops auszustatten, an denen wir es wirklich zeigen könnten. Also stelle ich mich immer mit einem leeren A3-Blatt, ein paar gebastelten Textboxen und dann folgend den Ausdrucken von verschiedenen Entwicklungsstufen des Layouts der am Tag des Flirts erscheinenden Ausgabe vor die Schüler. Heute erzählte ich auch mal, wie sich eine Zeitungsseite so grundsätzlich aufbaut: Da ist der Aufmacher, der Keller, der Anker, heute hatten wir einen Überleger auf der Seite - Journalistensprech eben, der für uns ja Sinn macht. Kurz und knapp mal ein Beispiel: Der Keller ist ganz unten auf der Seite. Das hat schon alles auch Symbolcharakter und so.

Na und? Das Mädchen in der ersten Reihe musste trotzdem einfach lachen. Denn - ich zitiere - ein Kopf ist oben an einem Menschen dran, der Anker ist an einem Schiff, der Keller gehört zu einem Haus. Und ein Überleger ist ein Wort für einen Menschen, der wohl viel denkt? Und ein Aufmacher ist sowieso ein doofes Wort. Wahrscheinlich sind wir Reporter ja auch ein bisschen doof? Weil die Worte gehören doch alle nicht zusammen, überhaupt gar nicht und das macht doch keinen Sinn! 

Morgen bin ich in der Förderschule zu Gast. Ich freue mich auf neue Erkenntnisse!

Anmerkung der Redakteurin: Dieser Blogpost ist absolut frei von Ironie, es finden sich höchstens Spuren von Selbstironie.

Samstag, 5. Oktober 2013

Wir müssen (nicht) reden

Ich? Der letzte Schütze Arsch im Glied? Verdammte Scheiße, aber ja! 

Wir schreiben den 2. Oktober 2013, irgendwas gegen neun. Es ist produktionsfrei. Am 3. Oktober - Feiertag - erscheint keine Zeitung. Der stellvertretende Redaktionsleiter ist da und meine Wenigkeit, um dem Feiertagsdiener ein paar Dinge vorzubereiten. Sonst niemand.

Im Erdgeschoss klingelt das Sekretariatstelefon. Dutzende Male. Geht keiner ran. Logisch. Ist ja keiner da. Also gehe ich mal ran, drücke also die Übernahmetaste und schon geht es los:

A sagt: "Die hm-hm-hm in hm-hm-hm, Jacobs Krönung*, schönen guuuu-uuu-ten Morgen!"
B sagt: "Warum geht bei Euch denn keiner ans Telefon?"
A sagt: "Bitte entschuldigen Sie, das Sekretariat ist heute nicht besetzt. Was kann ich denn für Sie tun?"
B sagt: "Müü-llllllllll-ler mein Name, geben Sie mir die Schneider!"
A sagt: "Das tut mir leid, meine Kollegin ist heute nicht da."
B sagt: "Typisch! Lässt sich vom Sekretariat verleugnen und verleugnen. Geht ja nicht mal ans Telefon."
A sagt: "Nein, das ist doch nicht wahr!"
B sagt: "Wieso?"
A sagt: "Weil sie wirklich nicht da ist und ich bin nicht das Sekretariat, heute ist produktionsfrei."
B sagt: "Was ist?"
A sagt: "Produktionsfrei. So nennen wir es, wenn Redaktionen eigentlich nicht besetzt sind, weil am Folgetag keine Zeitung erscheint."
B sagt: "Aha. Produktionsfrei also. Geben Sie mir jetzt die Schneider?"
A sagt: "Nee, die ist doch nicht da. Aber worum geht es denn, vielleicht kann ich Ihnen ja helfen?"
B sagt: "Es geht um die letzte Gemeinderatssitzung in hm-hm-hm und was sie draus gemacht hat."
A sagt: "Am Freitag ist Frau Schneider aber wieder da. Ich notiere Ihre Nummer und sie ruft Sie zurück, dann können Sie das mit ihr besprechen."
B sagt: "Das ist doch aber Eure Strategie!"
A sagt: "Was?"
B sagt: "Dinge aus dem Zusammenhang zu reißen und verkehrt darzustellen."
A sagt: "Also das kann ich so nicht stehen lassen. Dieser Eindruck ist falsch."
B sagt: "Aber doch! Sie hat die Sitzung überhaupt nicht als Ganzes aufgeschrieben, sie hat ganz viele Schnipsel daraus gemacht."
A sagt: "Aber das geht doch auch nicht."
B sagt: "Wieso?"
A sagt: "Wir können in einer Zeitung nicht das Protokoll einer Gemeinderats- oder Stadtratssitzung drucken - das war vielleicht früher mal so als in Klammern noch "stürmischer Beifall" und so stand. Natürlich gliedern wir heute die Sache auf. So wie es Beschlussvorlagen gibt, ergeben sich für uns doch logischerweise auch einzelne Punkte, die wir dann zu Nachrichten oder eben größeren Texten machen. Meinen Sie das? Ich kann Ihnen gerne erklären, wie ich arbeite - vielleicht verstehen Sie dann, dass es auch um die Auswahl von Informationen geht und nicht darum, jemanden zu schneiden oder fertig zu machen."
B sagt: "Ich weiß, dass wir nicht mehr in der DDR leben! Aber Ihr reißt die Sachen, die ich sage immer aus dem Zusammenhang. Das macht Ihr mit Absicht. Das ist Strategie. Das ist politisch so gewollt. Erst habe ich gedacht, dass es nur die Meier so macht, weil die als Journalistin per Du mit dem Bürgermeister ist. Schämen sollte man sich dafür! Aber die Schneider ist genauso! Ihr verfolgt eine ganz böse Strategie! Mit mir. Ihr schreibt nie, was ich zu sagen habe oder Ihr reißt es mit Absicht aus dem Zusammenhang! Damit ich blöd dastehe. Ihr macht mich fertig."
A sagt: "Das ist ein Verdacht, den Sie vielleicht lieber mit dem Redaktionsleiter oder seinem Stellvertreter besprechen sollten. Der Stellvertreter ist, wie gesagt, auch da, der ist der direkte Vorgesetzte von Frau Schneider. Ich kann Sie verbinden?"
B sagt: "Nein!"
A sagt: "Aber ich bin wirklich die falsche Person, um das zu besprechen. Das ist was für den Chef!"
B sagt: "Wissen Sie überhaupt, wer ich bin?"
A sagt: "Ja, Sie sind hm-hm-hm Müller, Sie sitzen für die hm-hm-hm im Gemeinderat hm-hm-hm."
B sagt: "Woher wissen Sie das?"
A sagt: "Ich lese Zeitung."
B sagt: "Ich sage doch: Strategie! Ihr habt mich auf der Liste!"
A sagt: "Nein! Ich kann mir nur Namen und so gut merken, das ist keine Absicht. Entschuldigung! Soll ich Sie jetzt verbinden?"
B sagt: "Nein, ich möchte nicht mit dem Chef reden! Ich rede mit Ihnen!"
A sagt: "Aber ich sage doch, dass das nichts bringt. Sie sollten mit dem Chef oder seinem Vize reden. Wirklich. Sie müssen sich beruhigen."
B sagt: "Nein. Ich rede mit Ihnen! Ich muss mich nicht beruhigen!"
A sagt: "Wissen Sie überhaupt, wer ich bin?"
B sagt: "Ja. Die Sekretärin."
A sagt: "Nee, ich bin Frau Jacobs Krönung*, ich bin auch Journalistin und arbeite vor allem in der Stadt hm-hm-hm. Daher kann ich den konkreten Fall jetzt nicht genau klären, da sind mir zu wenig Details bekannt. Aber der Chef, soll ich Sie nun verbinden? Wissen Sie, ich bin genau wie Frau Schneider nur einfacher Journalist, nur noch ein bisschen, also viel jünger und eigentlich der letzte, der hier irgendwas zu sagen hat."
B sagt: "So, so. Frau hm-hm-hm - Sie sind mir jetzt weder positiv noch negativ aufgefallen. Ich lese den Teil der Zeitung, für den Sie schreiben, ja nicht."
A sagt: "Glauben Sie es mir einfach: Meistens falle ich den Leuten positiv auf."
B sagt: "Hm. Wenn Sie meinen."
A sagt: "Also wie jetzt weiter? Zum Chef verbinden oder die Frau Schneider ruft Sie zurück?"
B sagt: "Nee, ich rede doch mit Ihnen!"
A sagt: "Aber ich bin doch die Falsche für Ihr Problem!"
B sagt: "Aber Sie wissen doch alles bessser! Das ist auch so eine Strategie von Euch Schmierfinken!"
A sagt: "Die Beleidigung nehme ich Ihnen jetzt mal nicht krumm. Aber trotzdem sollten Sie jetzt wirklich mit dem Chef reden! Ich verbinde -"
B sagt: "Nein! Ich rede mit Ihnen!"
A sagt: "Aber das bringt nichts. Ich lege gleich auf, weil Sie sich nur in Rage reden und ich mich dann auch und das ist dann bestimmt nicht schön!"
B sagt: "Ach! Sie, Sie verdienen doch wohl genug, dass Sie sich mal mit einem kritischen Leser auseinandersetzen können - ich bezahle ja wohl ein Schweinegeld für das Abo und Sie, ja Sie sitzen sich den Arsch breit! Sie sitzen sich nur den Arsch breit und machen Ihren Job nicht richtig, sitzen sich nur den Arsch breit!"
A sagt: "Noch einmal: Wissen Sie überhaupt, wer ich bin? Haben Sie meinen Arsch schon mal gesehen?"
B sagt: "Nein."
A sagt: "Dann hören Sie zu: Ich bin hier der letzte Schütze Arsch im Glied! Ich bin hier nicht Chef! Ich kann Sie nur zum Chef durchstellen!"
B sagt: "Wie? Sie sind nicht der Chef? Ja, warum rede ich denn dann überhaupt mit Ihnen?"

B hat aufgelegt. A saß noch eine Weile vollkommen verstört da. Hiermit hat es A jetzt überwunden.

* Hab ich natürlich nicht gesagt!

Mittwoch, 2. Oktober 2013

Ach ja, da war mal was

Auf einfachen bis vielfachen Wunsch die Antwort auf die Frage, wieso es eigentlich keine "Zusammenfassung für meinen Mann" mehr gibt. Das ist ganz einfach. Es gibt den Mann nicht mehr. Also nicht mehr als meinen Mann. Sonst geht es ihm aber gut. Verliebt, verlobt, verheiratet - entliebt, getrennt, geschieden. Insgesamt ist das alles also gar nicht schlimm. Nebenbei: Wenn man mit 29 Jahren genug Stoff für ein ziemlich witziges und selbstironisches Buch erlebt hat und noch dazu ziemlich witzig und selbstironisch schreiben kann, ist das sogar richtig gut. Dazu also in Zukunft vielleicht mal mehr.

Die wohl am häufigsten gestellte Frage in diesem scheidenden Zusammenhang ist die, ob ich meinen alten Namen nun wieder annehmen will. Das habe ich bislang immer vehement abgelehnt. Ernsthaft ins Grübeln gebracht hat mich aber der mit großer Leidenschaft ausgeführte Vortrag eines befreundeten Kollegen, der mich schon aus Studien- und Volontärszeiten kennt. Es sei doch mein Name, mein Label, der Originalname fasse mich in einem Wort zusammen! Denn es sei immer wieder ein Erlebnis und große Wahrhaftigkeit gewesen, wenn ich meine Originalbezeichnung buchstabierte: "Gustav, Richard, Ä wie Ärger, Friedrich, Emil" Aha!

Ich antwortete damit, dass allein schon die Tatsache, dass ich den Namen unbedingt wegen des tollen Wortspiels "Jacobs Wege" und für meinen Blog überhaupt behalten will nicht weniger über meinen Charakter aussagt. Wenn jemand die genaue Schreibweise meines Namens wissen will, sage ich ja auch immer: "Wie Jacobs Krönung!"