Sonntag, 25. November 2012

Wer recherchiert, verliert

Bequemlichkeit ist Trumpf. Wer seine Ruhe haben will, der sollte Ruhe bewahren. Der Aufforderung "Das schreiben Sie aber nicht!" ist dafür unbedingt Folge zu leisten. Anders gesagt: Fragen Sie nur, was von Ihnen erwartet wird. Schreiben Sie nur, was Ihnen gesagt wird. Hinterfragen Sie nicht, was Ihnen gesagt wird. Sehen Sie sich nur an, was Ihnen gezeigt wird. Schauen Sie nicht genau hin. Dann wird alles gut. Auch der Journalismus, wie ihn viele gerne hätten. Ruhig. Kuschlig. Unkritisch. Diktiert.*

Gerade im Lokalen, wo man gerne eine betont langjährige und gute Zusammenarbeit zwischen Amts- und Würdenträgern und der Redaktion als verlängertem Amtsblatt pflegt, wird schon als stachlig empfunden, was eigentlich nur handelsüblich und ein bisschen lehrbuchhafter Journalismus ist. Es ist die Macht der Gewohnheit von Lesern und manchmal auch Machern. Scheint die Schonzeit vorbei, reagieren Leser schonungslos enttäuscht. Ein bisschen mehr Kindergarten-Flauschigkeit, gute Laune und A sieht es so, B gibt es gar nicht ... darf es da schon sein. So kam eines Tages eine ältere Dame in unsere Redaktion und schlussfolgerte, die Stadt werde absichtlich von bestimmten Kollegen schlecht geschrieben - und in dem kostenlos in den Briefkasten flatternden Anzeigenblättchen sei deutlich weniger schlechte Laune drin als in den Berichten unseres Blattes über kaputte Haushalte, Sparmaßnahmen in Tiergärten, der Flachserei über Politiker oder den angreifenden Kommentaren mit Majestätsbeleidigungen wie dem Vorwurf der Phrasendrescherei gegenüber dem Stadtoberhaupt. Bürgermeister zuweilen fordern gerne mal zu Lokalpatriotismus auf, um nicht schon wieder "Das schreiben Sie aber nicht!" oder "Schreiben Sie das mal lieber auf!" zu sagen. Hauptsache, alles bleibt beim Alten oder im Verborgenen.

Wer mehr oder was anders macht, macht sich nicht eben beliebt oder wird von ein paar wenigen Fans auf einen Sockel gehoben, den er eigentlich nicht verdient, weil er seinen Job macht. So kann es aber schon einmal vorkommen, dass sich ein ganzer Gemeinderat (rund 20 Mann) mit scharf zusammengezogenen und eindringlichen Augenbrauen zu einem umdreht, wenn der Bürgermeister "Das schreiben Sie aber nicht!" sagt. Dann kann es schon einmal passieren, dass die Augen gerollt werden, wenn man des Weges kommt. Gerade für langgediente Kollegen, die wie unsereins in der eigenen Heimatstadt journalistisch arbeiten, ist das unangenehm. Als ruhestörend wird schon empfunden, wenn der Nachbar die Meinung nicht immer teilt und am Gartenzaun vielleicht mal nicht nur übers Wetter gesprochen werden kann, sondern der eigene Zeitungskommmentar zu rechtfertigen wäre. Reportage über einen Swingerclub im Landkreis schreiben? Nein! Dann wissen doch die Nachbarn, dass man dort war, wenn auch rein beruflicher Natur. Blumentöpfe zu gewinnen, sollte aber nicht (immer) das Maß der Dinge sein.

* Frauen sollen in den Augen vieler wohl auch besser noch so sein.

Zusammenfassung für meinen Mann: No risk, no funich bitte daher um Verständnis; und ich fand den Swingerclub damals eine sehr spannende Story, alle anderen Geschichten auch.

Donnerstag, 22. November 2012

Irre! Lauter Irre!

Ein bisschen seltsam sind wir Journalisten schon. Bedauerlicherweise resultiert daraus nicht immer, dass wir auch komisch sind. Ist aber eigentlich kein Wunder: Wer diesen Job heutzutage ergreift, der muss angesichts der Tatsache, dass schon ein befristeter Vertrag mit Bezahlung fern aller Tarifverträge und Arbeitszeitenregelungen als Jackpot zu betrachten ist, schon irre sein. Wer diesen Job heutzutage bereits länger ausübt, der muss angesichts der Tatsache, dass entgegen seiner Anfänge immer mehr Aufgaben vom Layouten übers Fotografieren bis Gewinnmaximieren im Zuge verlegerischer Sparkurse auf einzelne Redakteure abgewälzt werden, irre werden. Der Jungkollege wird damit groß. Der Altkollege wird davon überrannt. Beide müssen sie Tag für Tag eine Tagesanfang für Tagesanfang schier unendlich scheinende Weite an Zeitungsseite befüllen - wie sinnvoll sie das tun, ist eine Frage kollegialen Stärke. Speziell im Lokaljournalismus ist das schwer, wie hier zu lesen ist. Resultat in jedem Fall, ob jung oder alt: Beide sind sie irre, total!

Die Kollegin scheint schon ein wenig überwältigt von all dem Kram und kompensiert dies wie jeder halbwegs gute Mensch mit viel Lachen, manchmal nur still in sich hinein. Aber sie hat noch Spaß an ihrer Arbeit, obwohl das Zeugs siehe oben ist. Manchmal nennt sie mich Schneewittchen. Warum weiß sie wahrscheinlich selber und damit auch ich nicht. Kürzlich folgte auf diese Bezeichnung auch noch das Mitbringen eines Apfels, den sie mir auf den Schreibtisch packte und guten Appetit wünschte. Ich würde auch nie und niemals nie nicht in den Laderaum eines Transporters steigen, ich habe schließlich "Das Schweigen der Lämmer" gesehen und will nicht in einem Kellerloch landen, in dem ich mich dann mit Lotion einreiben muss. Also schnelle Antwort: "Vielen Dank, aber meine Mama hat mir Märchen vorgelesen, auf die Nummer mit dem Apfel falle ich nicht rein!" Ergo: hysterisches Gekicher ihrerseits, hatten wir beide wieder mal Spaß.

Nun ist - sie hätte den Apfel mal besser selbst gegessen - besagte Kollegin erkältet. Sie niest neuerdings sehr viel. Sie niest. Ich kann das nicht jedes Mal kommentieren, sie gehört eigentlich ins Bett. Doch sie sagt "Danke!" Zwei Minuten später niest sie wieder. Ich sage grad gar nix dazu, weil ich mit dem Kollegen telefoniere und das Wort "Seitenkopf" benutze. Sie sagt dennoch "Danke!" Ernsthaft. Was ist das nur für ein Job, in dem man Dinge hört, die grad gar nicht gesagt werden konnten?

Laut sachdienlichen Hinweisen nämlich könnte auch ich dem Wahnsinn anheim gefallen sein und kompensiere das mit Komik. Ich leide an Tourette. Zynismus-, Sarkasmus- und Ironietourette - das unkontrollierte Ausstoßen amüsant bis humorvoller Sticheleien gegen alles, was sich bei drei noch nicht auf einen Baum gerettet hat. Austeilen und einstecken können halten sich nur leider nicht die Waage. Austeilen geht besser - führt dazu, dass mich manch ein Bürgermeister am liebsten wegstecken und den Schlüssel dann wegschmeißen würde, wie mir jüngst sehr glaubhaft versichert wurde. Die Stimmen in meinem Kopf aber flüstern mir, dass das nicht auf Dauer gut gehen wird. Wenn mir der erste Obstkorb in die Redaktion geschickt wird, schmeiße ich ihn in den Müll! Ernsthaft.


Zusammenfassung für meinen Mann: Ich habe vielleicht Glück, dass bei mir seltsam noch gleichzeitig komisch ist.

Sonntag, 18. November 2012

Zweifel

Manchmal sind wir Journalisten so verdammt scharf auf eine Story, wollen sie so unbedingt haben, ans Tageslicht befördern, öffentlich machen, was bis jetzt nur ein Gerücht oder im Verborgenen ist, die große Titelgeschichte, die große Schlagzeile, sie soll uns gehören, ganz allein - wir wollen es so unbedingt, dass unser eigener moralischer Kompass nicht mehr zuverlässig nach Norden zeigt. 

Moral generell ist ein heikles Grenzgängerthema für Leute, die von Beruf aus leidenschaftlich sein sollten. Leidenschaft geht selten mit Aalglätte einher. So schrieb ein Kollege mal einen bissigen Kommentar darüber, wie schlecht doch das Rauchen sei - als der Text fertig war, ging er vor die Tür und steckte sich erst mal eine an. Ich schrieb vor zirka einem Jahr mal darüber, wie wichtig Blitzer sind und wie schlecht blindes Rasen im Straßenverkehr ist - als der Text fertig war, düste ich mit 70 Sachen durch die Stadt. Seitdem vermeide ich derartige Kommentare, fahre aber auch oft langsamer. Wir heben also den Zeigefinger und kreuzen hinterm Rücken die Finger. Erst recht, wenn die heiße Story greifbar erscheint und wir sie schon in großen Lettern sehen können.

Allein der Gedanke, dass ein anderer sie haben könnte oder - schlimmer noch - ein anderer, der nicht einmal in unserer Liga spielt, die heiße Story öffentlich machen könnte und wir dann nur noch aufschreiben können, was er politikend herausgekitzelt hat, bringt uns um den Verstand! Der Ärger ballt sich dann zur Faust und boxt uns in den Bauch. Mit Schmerzen denken wir dann darüber nach, ob wir ein Gerücht nicht doch endlich beweisen wollen. Mit Schmerzen denken wir darüber nach, moralisch fragwürdige Recherchemethoden anzuwenden. Mit Schmerzen denken wir darüber nach, uns wie kleine Detektive zu benehmen, uns nachts an dunklen Ecken rumzutreiben, um dann wieder die große Keule rauszuholen, die wir vor Kurzem noch ablehnten. Obendrein, ohne dafür bezahlt zu werden. Wir zahlen lieber selbst einen hohen Preis ... notfalls, um uns selbst eine gewisse Preisverdächtigkeit zu beweisen!

UPDATE: Läuft.

Zusammenfassung für meinen Mann: Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung - oder einer zu weit.

Samstag, 17. November 2012

Hyperaktives Aufmerksamkeitsdefizit

Diagnose: Unsympath, seltsam! Es muss ganz schlimm sein, mit mir zu reden. Wahrscheinlich gewinnt man unweigerlich den Eindruck, ich sei nie vollkommen bei der Sache und dem Menschen vor mir. Was nicht stimmt! Dummerweise aber so erscheint. Mein Hirn ist eine gigantische und datenhungrige Festplatte, ein Aktenschrank mit unendlicher Weite - es will immer gefüttert werden, das kleine Monster! Es schneidet fast alles mit, es funktioniert sogar teil-fotografisch. Nur leider nicht zuverlässig, sondern eher wahllos und nach seinem ganz eigenen Zufallsprinzip, auf Nebensächlichkeiten und so manchen Schwachsinn bezogen. Für meinen Job nützt es mir eigentlich überhaupt kein Stück!

Mein Kollege hoffte jedenfalls, nachdem ich ihm diverse Telefonnummern oder Geburtstage von Kollegen aus dem Stegreif aufsagte oder sein Vorlesen von Nummern mit "Ja, die kommt mir bekannt vor, die habe ich irgendwann schon einmal gewählt" quittierte, das Terminbuch der Redaktion praktisch auswendig kenne, in Sekundenschnelle die richtige Notizbuchseite finden kann oder sehr häufig Dinge wie "Die Meldung hatten wir an einem Dienstag vor drei Wochen schon drin, die stand mal unten links als 16-Punkt-Meldung auf der ersten Seite, rechts daneben war der Text über den Abriss des Wohnblocks, auf der folgenden Seite war das schöne Herbstmotiv" sage schlicht darauf, dass ich als Festplatte zuverlässig funktioniere und wies mich bei einem Stadtratsbesuch darauf hin, dass einer neben mir grad eine nicht öffentliche Beschlussvorlage nach oben halte, ich solle doch "bitte mal, nur einen Blick, jetzt schnell" darauf werfen, "bitte" ... hat aber nix genutzt, auf Kommando funktioniert das nicht! Die Vorlage war zu kurz oben und meine Festplatte hatte obendrein keine Lust auf die Info, keine Lust aufs Ausgenutztwerden!

Dafür geht das: Ich sitze zufällig fünf Minuten mit einem an sich ganz netten Dorfjugendlichen zweifelhafter Tätowierungs- und Bodybuildingsucht am dunklen Busbahnhof und er erzählt mir von seinem Kummer mit dem Bürgermeister und dem Jugendclub. Vier Autos fahren vorbei, eines davon sehr zügig, was in meiner Region im Dunkeln aber häufiger mal vorkommt. Das fünfte Auto hält an und der Mann darin zückt seinen Kripo-Ausweis und fragt mich, ob alles okay sei, ich freiwillig hier sitze und ob das schnelle Auto mir aufgefallen sei, ihm komme das hier alles seltsam vor. Antwort: "Schwarzer 3er-BMW, mindestens fünf Jahre alt, Kennzeichen XYZ-XY 123, ist die Zweite links abgebogen". Die anderen hätte ich ihm aber auch noch aufsagen können.

Sitze ich im Auto, lese ich jedes mir entgegenkommende Kennzeichen durch - lösche die Infos aber ganz schnell wieder, genau wie die meisten Telefonnummern, damit ich nicht durchdrehe! Sitze, stehe oder laufe ich irgendwo sonst, dann registriere ich, wer vorbeigeht/vorbeifährt und was er macht/trägt. Ich schaffe es kaum, meine Augen mal mehrere Sekunden auf einen Punkt zu fixieren, mein Blick schweift immer durch den Raum und nimmt auf, was passiert und wer kommt oder geht - was nach beunruhigender Unruhe aussehen muss. In meinem Kopf kann ich immer wieder Filme von Begegnungen und Terminen ablaufen lassen, detailgetreu. Ich leide wahrscheinlich an Beobachtungssucht. Zumindest das könnte in meinem Job irgendwann mal ganz nützlich sein ...

Zusammenfassung für meinen Mann: Darum schlafe ich unruhig, in meinem Kopf rauscht zu viel!

Dienstag, 13. November 2012

Mercy On Me

Gott! Sei meiner Seele gnädig! Es gibt schon genug Statistiken darüber, dass bestimmte Berufsgruppen einen bestimmten Hang zum Alkohol haben. Piloten. Ärzte. Lehrer. Journalisten, auch. Wir alle haben unsere Gründe. Ich mindestens einen. Immer dann, wenn ich die wöchentliche Witzig-muss-es-aber-sein-Kolumne meiner Lokalzeitung zu verfassen habe. 

Ich schrieb in dieser Rubrik schon über die Hochzeit von Kate und William, bezeichnete mich selbst tapfer als Brautzilla und Dörrpflaume, sezierte einen Besuch bei Ikea und beleidigte ein ums andere Mal diverse Lokalpolitker. Das ist mitunter sehr lustig. Für uns alle. Das Traurige ist nur, dass von zehn Redakteuren praktisch nur zwei die Kolumne permanent zu füttern bereit, weitere zwei gelegentlich in Laune dazu sind. Ergo: Witzigsein auf Kommando. Immer wieder. Vortäuschen ist das. Da muss der Schreiberling schon stark enthemmt sein ...

Diese Situation trinke ich mir ganz gerne schön. 

  • Samstag ist Kolumnentag. 
  • Montag davor wird festgelegt, wer witzig zu sein hat. 
  • Dienstagmittag bekomme ich Panik und Selbstzweifel. 
  • Dienstagabend kaufe ich Alkohol.
  • Dienstagspäterabend gieß ich mir ein Glas Wein/Bier/Wodka ein und fange an zu witzeln, schmeiße wenige Minuten später alles in den Müll, was ich geknopfdrucktgewitzelt habe und gehe frustriert ins Bett.
  • Eine Nacht schlaf ich drüber. 
  • Mittwochabend trinke ich zwei Glas Wein/Bier/Wodka. 
  • Mittwochspäterabend fang ich von vorne an und verfasse das Textchen von Dienstag noch einmal.
  • Donnerstagmorgen bin ich zufrieden, habe aber nicht selten katzenjammernden Kater. 
  • Freitagmorgen kopier ich den gesamten Spaß ins Layout für den nächsten Tag. 
  • Samstag schmunzelt vielleicht ein Leser drüber. 
  • Montag geht es wieder los.  

UPDATE: Donnerstagmorgen. Text fertig. Er ist nicht großartig, aber solide. Zufriedenheit ist dennoch gestattet. Immerhin hat der Wein auch nach dem dritten Glas nicht wirklich geschmeckt.

Zusammenfassung für meinen Mann: Ich glaube gar nicht an Gott!

Samstag, 10. November 2012

Arbeitsehesinnschaffenskrise

Es hat uns ganz übel erwischt. Die gesamte Redaktion liegt flach - in so vielerlei Hinsicht. Wir haben uns einen ganz fiesen Virus eingefangen. Wir haben uns gegenseitig angesteckt. Wir haben eine böse Schaffens- und Sinnkrise. Es ist die große Langeweile, die wir unseren Lesern seit gut einer Woche alltäglich bieten. Das Elend fing schon am Montag in der morgendlichen Dienstberatung an ...

Der Kollege, der mir da immer gegenüber sitzt, und ich, wir kennen uns seit meinem Volontariat vor nun schon fast vier Jahren. Wir sind ein gut funktionierendes Arbeitsehepaar, spielen uns die Bälle zu, verstehen uns ohne (große) Worte, entwickeln im fünfminütigen Gespräch miteinander manchmal mehr Ideen als jeweils allein kreisend in mehreren Stunden, können auf einer Wellenlänge liegen. Warum auch immer hat unsere gesamte Redaktion in Sachen redaktionelle Beziehung aber seit einer Weile einen Knacks, es ist vorübergehend kompliziert geworden - aber das mit den Bällen klappte bis vor wenigen Tagen wenigstens noch. So saßen wir da an diesem Montag und schauten uns nur mit großen Augen an. Und nix passierte! Wir sind müde, ausgelaugt, urlaubsreif, jeder für sich ist mit dem Kopf überall sonst ... nur nicht dort, wo wir sein sollten ...

Blöd nur, dass das jeder aus der Zeitung herauslesen kann. Was wir diese Woche boten, das war ein einiziges täglich grüßendes Murmeltiertum - die immergleichen Themen, die immergleich von Jahr zu Jahr auftauchen und von uns obendrein und verdammte Scheiße noch mal auch immergleich umgesetzt wurden. Der Stil des einzelnen ist nicht mehr herauszulesen, dem Leser könnte man auch überall "Snoopy" als Autor über und unter den Text schreiben, es würde keinen Unterschied machen. Wir schreiben immergleich und das nicht einmal besonders gut, sondern wie Maschinen, die ein Programm abspulen. Man schreibt immergleich von "Schulterschluss", wenn sich jemand für was zusammentut - Politiker, Fraktionen oder Karnevalsvereine, wobei der Unterschied da ja nicht immer klar ist. Bei mir heißt es neuerdings immergleich nur noch "berappen", wenn irgendwer irgendwas bezahlen muss. Und wenn was beschlossen werden soll oder beschlossen wurde, heißt es "Grünes Licht". Wir sind (uns gegenseitig) langweilig geworden - der Tod jeder Beziehung überhaupt. Und wir sind, schlimmer noch, austauschbar.

Ich glaube, wir müssen reden ... und/oder uns endlich gegenseitig aus dem Dreck der Kreativlosigkeit ziehen! Oder jeder für sich.

UPDATE: Der Montag danach. Es gab zwischenzeitlich sich stark verdichtende Hinweise, dass wir auch oft das Wort "konstatieren" verwenden. Unterdessen schulterschließt man unbeeindruckt weiter ... ich könnte zum Konstatier werden.

Zusammenfassung für meinen Mann: Wir können nicht mehr.

Mittwoch, 7. November 2012

Die große Unbekannte

Wie gut: Ich habe offenbar null Wirkung auf Menschen! Seit zwei Jahren arbeite ich in meinem Landkreis als Journalistin. Ich habe mich in diesen zwei Jahren - zumindest äußerlich - nicht großartig verändert. Und doch bin ich wohl ein Mensch, den man ganz schnell wieder vergessen kann. Obwohl wir uns schon etliche Male begegnet sind, sogar miteinander gesprochen haben. Ich tauche also zu irgendeinem Pressetermin auf, bei solchen Presseterminen in Einzeitungskreisen de facto also als einzige Pressetante überhaupt - Stift, Block und Kamera unter und um den Arm geklemmt. Vielleicht ist es dieses Unbeholfene. So kommt es jedenfalls, dass man(n) mir immer wieder eine Frage stellt: "Und??? Sie sind wohl neu bei der XY-Zeitung???" - dem folgt auch gerne "Und??? Wie lange sind Sie schon hier als Volontärin???" Wahnsinnskompliment, die nahende 30 sieht man mir wohl doch nicht so massiv wie befürchtet an. Erst kürzlich fragte mich der Kreisoberste und ewige Chef meines Heimatlandkreises, wie lange ich denn schon bei der Zeitung sei und schob noch nach, dass er es ja immer schön findet, wenn dem Nachwuchs auch mal eine Chance gegeben wird und ich mich ja noch einfuchsen könne. Als ich, ihn unterbrechend, die Zeitfrage mit einem knappen "Zwei Jahre" beantwortete, meinte ich zumindest eine kurze Bewegung in seiner betonharten Frisur zu erahnen. Einmal sogar musste mir einer zu Hilfe eilen, weil ich vollkommen geplättet war von meiner eigenen Nullwirkung. Da fragte ein aufstrebender Jungpolitiker mal wieder "Und??? Sie sind wohl neu bei der XY-Zeitung???" und einer seiner Parteikollegen, Haudegen mit sympathischer Hemdsärmlichkeit, grätschte dazwischen: "Und??? SIE sind wohl ein neuer Leser???" Held!

Zusammenfassung für meinen Mann: Ach, du liest es doch auch so nicht, ich fasse hier bald nix mehr zusammen!

Montag, 5. November 2012

Abgesteckte Claims

Traurig, aber wahr: Journalisten gehören von Natur aus nicht gerade zu der Gattung Mensch, die permanent durch große Unkompliziertheit auffällt. Wenn es Außenstehende vielleicht nicht gleich merken, so wissen wir es doch voneinander: Journalisten sind eigentlich auch nur Menschen, aber in erster Linie sind sie nach ihrer Ansicht kleine Genies und als solche immer sehr nah am Rande des Wahnsinns. Genie und Wahnsinn trennen bekanntermaßen nur wenige Atemzüge, die Fronten sind da nur erahnbar, selbst für uns selbst. Klare Linien bevorzugen wir Journalisten nur bei unseren Themenschwerpunkten. Redaktionsintern stecken wir unsere Claims ab. Und wer auf unserer Ranch auftaucht, kann sich doch mal bitte auf was gefasst machen - böses Gucken (mindestens), im schlimmsten Fall wird (mit der Zunge) scharf geschossen. Der abgesteckte Claim in Sachen Gemeinden macht im Lokaljournalismus noch guten Sinn: Jeder bekommt ein paar Dörfer zugeteilt, besucht deren Gemeinderäte und erarbeitet sich eine Reihe von Kontakten und besser noch Informanten. Gut so. 

Abgesteckte Claims gibt es aber auch in Form des Gewohnheitsrechts. Wer seit Jahren ein bestimmtes Thema bearbeitet, fühlt von Natur aus auch ein Anrecht darauf. Schön und gut, aber gefährlich: Gewohnheitsrecht birgt schließlich die Gefahr der Fachidiotie. Sich seit gefühlt 30 Jahren mit Macht der Gewohnheit zum Beispiel dem örtlichen Abwasserzweckverband zu widmen, macht einen zum absoluten Spezialisten. Der aber auch ganz ratzfatz seine Ansprechpartner besser als seine Leser versteht. Dann schreibt man mit schöner Regelmäßigkeit sogar von "Nenndurchmessern" nebst DIN-Angabe. Fachbegrifflichkeiten müssen auch mal sein, ist schon okay - aber das allein kann es doch nicht sein. Ebenso beliebt im Lokalen ist der Themenschwerpunkt Polizei und Feuerwehr - weil immer für eine actiongeladene oder sonst irgendwie interessante Story gut. Aber der Fachblick verklärt den Journalistenblick - einfach mal wie ein kleines Kind "wieso, weshalb, warum?" zu fragen und mal nicht mit der Macht der Gewohnheit über solche Themen zu schreiben, wird da zum Ding der Unmöglichkeit - es ist immer ein wenig zu "1000 Mal berührt", aber nix passiert. Das wäre zu lösen, wenn mal ein anderer sich dem Themenkomplex widmet. Aber diese Abos sind nicht übertragbar! Da hilft wohl nur: Wilder Westen! Da gibt es immer eine Frau im Saloon, der Claims so ziemlich schnuppe sind und die sich nimmt, was ihr gefällt.

Zusammenfassung für meinen Mann: Nein, wir Journalisten sind nicht wirklich Genies und die im Saloon ist nicht zwangsläufig eine Schlampe.

Samstag, 3. November 2012

Huch, jetzt ist es kaputt ...

Als Journalist kannst du die Augen nicht verschließen - jedenfalls dann nicht, wenn du deinen Job ernst nimmst und gut machen willst. Dann hilft nur noch "Augen zu und durch" ... Das Rathaus meiner Heimatstadt gerät ins (moralische) Trudeln - seit Jahren vielleicht, aber mindestens Monaten schon ... die ersten Stadtpolitiker haben schon vor Monaten die Messer gewetzt, aber neuerdings drehe ich wohl auch mit am Rad und es macht mich noch wahnsinnig ... Einer hat vermutlich/wahrscheinlich/wohl/vermeintlich/eventuell einer politisch nicht ganz korrekt was zu viel gegönnt. Fehler sind eingeräumt, die Dimensionen des Ganzen für Außenstehende erahnbar und für Recherchierende äußerst bedenklich, aber spannend! Augen auf: Als Journalist bist du Wahrheit und Gerechtigkeit verpflichtet. Du! Die anderen aber nicht! Die haben andere Ziele. Und da passt dein Hang zur Wahrheit ganz gut in den Kram. Wieder andere wollen dir ihre Wahrheit aufdrücken. Auf allen Kanälen nehmen sie Kontakt zu dir auf. Deine Handynummer gibst du nur an die, die zu einem ausgewählten Personenkreis gehören, dem du sie geben willst. Jetzt aber wird sie dir - vermutlich durchs Zutun unbedachter Sekretärinnen - auch noch genommen. Dann rufen die dich auch privat mal an - abends, am Wochenende, zwischendurch - informieren dich über Dinge, lobscharwenzeln dich voll, "interessieren" sich für dich, wollen dir Sachen verklickern. Ohren zu und durch. Ohne den Tatbestand der Platthübschigkeit zu erfüllen, hast du dich über Nacht in ein Spielzeugpüppchen verwandelt. Und die ziehen an dir. In alle Richtungen. Die schieben dich in eine Richtung. In deiner Redaktion geht es in die andere Richtung. Mal so. Mal so. Unberechenbar. Jeder greift sich Arme und Beine und dann wird losgerannt. Was du dir dabei auskugelst, ist denen scheißegal. Du weißt nicht, wo die Schützengräben verlaufen und darum fängst du dir bald einen Kopfschuss ein. Raus kommst du aus der Nummer aber nicht mehr, willst - die Sache mit der Wahrheit und der Glaube ans doch noch Gute - es aber auch nicht. Und dann plötzlich passiert zwischen deiner Erde und deinem Himmel was, das dir das Winken mit der Moralkeule eigentlich verbietet! Und plötzlich stehst du so weit neben dir, dass du dir selbst zuwinken kannst.

Zusammenfassung für meinen Mann: Ich bin nicht schlauer als das Leben.