Sonntag, 28. April 2013

Alles muss raus!

Kritik gehört zu unserem Job. Man nennt es Blattkritik oder Zeitungseinschätzung, wenn die aktuelle Ausgabe durch einen Kollegen kritisch betrachtet und bewertet wird - nicht nur Rechtschreib- und Tippfehler sollten Erwähnung finden, sondern eben kritisch mit dem großen Ganzen ins Gericht gegangen werden. 

Mit Fragen wie diesen: Ist das Layout in Ordnung? Stimmt die Themenauswahl? Sind die Themen gut umgesetzt? Welche Geschichte ist stark und welche schwach? Ist das wirklich ein Seitenfoto oder einfach nur ein großes Foto? Wie geht es anders und besser, das Produkt Zeitung? Die Blattkritik dient also eigentlich dazu, Fehler aufzudecken und sich und das Produkt durch konstruktive Kritik zu verbessern. 

Ich melde mich gerne freiwillig zur Blattkritik. Ich habe das schon als Volontär gerne gemacht und nehme bei der Blattkritik - wuhu, Achtung! Wortwitz! - nur äußerst ungern ein Blatt vor den Mund. Was gesagt werden muss, muss gesagt werden. Manchmal hat man so Gedanken, die man einfach artikulieren muss.

Auf dem Jacobsweg der Blattkritik fallen gerne mal Begrifflichkeiten, Stich- und Schimpfworte wie:

"mistig", "beschissenes Layout, echt jetzt", "sieht blöd aus so", "total daneben", "sieht aus wie Kraut und Rüben", "falscher Aufbau", "sinnloser Einstieg, da will man sofort das Lesen wieder einstellen", "ein Einstiegssatz über 14 Zeilen ist Körperverletzung", "wer bei diesem Text nicht einschläft, hatte echt einen Kaffee zu viel", "feinstes Behördendeutsch wie im Amtsblatt - aber das kriege ich wenigstens kostenlos", "die Überschrift hat Kinderbuchniveau, der Text ist noch drunter", "das Bild wäre nicht mal auf zwei Spalten in Ordnung", "pure PR", "habe ich nur gelesen, weil ich musste" oder "laaaaaaaaangweilig" (was nur Simpsonsfans zu belächeln wissen). 

Jaaaaaaaaaaaa, verdammt! Diese Herangehensweise ist natürlich grundsätzlich falsch, arrogant, missbilligend, arschlochhaft (ich kann mich selbst nicht leiden) und bei den Kollegen ungefähr so beliebt wie ein PC-Absturz kurz vor Produktionsschluss!

Aber nach mehr als zweijähriger Beobachtungszeit in meiner Lokalredaktion habe ich verschiedene Arten der Blattkritik entdeckt, mit denen wir alle mal auffallen:

  • Zur Lage der Nation sprechen: Der Kollege kritisiert nicht Form und Inhalt, journalistische Qualität und Herangehensweise der Ausgabe - sondern versteigt sich in Allgemeines zur kleinen Lokalweltlage. Er kritisiert also lieber die Frisur des Landrats und nicht die Tatsache, dass er auf mindestens drei Fotos aus der Ausgabe grinst. Er kritsiert auch nicht, dass ein Text viel zu zahlenlastig und falsch aufgebaut ist. Nein, er spricht darüber, dass es ja schon immer Ärger mit Sperrmüll gab und sein Nachbar auch immer das Zeug so blöd vor die Tür stellt. Aha! Interessant alles
  • Das habe ich gestern schon: Die Kollegin wertet die Ausgabe einzig nach dem Gesichtspunkt, welche Texte sie vor Erscheinen bereits am gestrigen Tage Korrektur gelesen hat. Schön wird das erst recht durch Sätze wie "Da habe ich dir ja gestern schon was dazu gesagt" mit einem Blick zum Kollegen. Das Gesagte bleibt im Rund der Blattkritik unausgesprochen. Auch sehr beliebt ist der Verweis, man habe ja etliche Fehler gestern schon aus dem Text geholt. Der Rest ist Schweigen.
  • Da fehlt ein Komma: Die Kollegin/der Kollege beweist Aufmerksamkeit und Fleiß, indem er jedes einzelne vergessene Komma auflistet und sich vor allem auf die Rechtschreibung bezieht. Auch das ist natürlich ein wichtiger Aspekt, solche Fehler sollten ja gar nicht erst passieren - das stimmt natürlich, das sehe sogar ich ein.
  • Da war ich beteiligt: Die Kollegin/der Kollege lässt jene Seiten, auf denen er auch nur eine Meldung geschrieben hat, vollkommen aus. Argumentation ist einzig und allein die Tatsache, dass er oder sie ja an der Produktion dieser Seite beteiligt war. So bleibt von sechs bis acht Lokalseiten oft nur eine einzige ausgewertete Seite übrig und der Erkenntnisgewinn ist gleich null.
  • Chef nicht kritisieren: Machen fast alle Kollegen - bloß nicht den Chef kritisieren. Im kritischsten Falle werden die Kollegen noch kuschelkritisch und sagen Dinge wie "Na, du hast aber auch immer Stress, da ist das ja nicht schlimm!" Oh, doch! Dem Leser ist egal, wie unser Arbeitsalltag aussieht!
Zusammenfassung für meinen Mann: Harmoniesucht ist Quatsch in diesem Job!

Mittwoch, 17. April 2013

Körbe

Umfragen sind bekanntlich (siehe hier) echt und überhaupt nicht mein Ding! Inzwischen sind wir in der Redaktion zwar dazu übergegangen, nicht mehr gefesselt an einen Wochentag - den Sonnabend - eine Umfrage zu machen, sondern spontan zu Themen umzufragen. Der Mist aber bleibt. Heute nun also erwischte es mal wieder mich. Das tat sehr weh!

Grund: Ich habe mir mal wieder mehr Körbe gefangen, als fürs Selbstbewusstsein gut sein könnte ... ich muss mal wieder stark an mir zweifeln. Das Thema der Umfrage: "Wissen Sie noch was Sie von dem Geld gekauft haben, das Sie zur Jugendweihe bekommen haben?"

Der Journalist begibt sich für eine Umfrage mit Fotoapparat und Stift am besten in eine halbwegs belebte Fußgängerzone oder Einkaufsstraße, setzt ein nettes Gesicht auf, stellt sich kurz vor und stellt die Frage und die Bedingung. Denn wie auch immer das Thema lautet, es gibt eine Regel: Der nett gefragte umgefragte Mensch kommt mit kurzem Statement, Namen, Beruf, Alter und Bild in die Zeitung. Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Reaktion auf diesen Fakt oder den Umfrage-Versuch des Journalisten allgemein, die unsereins vor allem sinnlos Zeit kostet:
  • Straßenseite wechseln, bevor Journalist überhaupt die Frage stellt = Journalist verliert neun Sekunden Lebenszeit
  • Journalisten verdutzt angucken, mit dem Kopf schütteln und kommentarlos weitergehen, während Journalist spricht = Journalist verliert zwölf Sekunden Lebenszeit
  • Journalisten genervt angucken, ruppig ein "Nein, lassssssssssen Sie mich bloß in Ruhe" zischen und gehen = Journalist verliert 40 Sekunden Lebenszeit
  • Auf die Abopreise und die Zeitung/die Medien im Allgemeinen schimpfen, die Umfrage am Ende einer Hasstirade ablehnen = Journalist verliert mindestens zwei Minuten Lebenszeit
  • Umfrage mitmachen, nett was erzählen und im Moment der Namenspreisgabe oder des Fotos doch einen Rückzieher machen = Journalist verliert mindestens dreieinhalb Minuten Lebenszeit
  • Umfrage mitmachen, nett was erzählen, sich fotografieren und benamsen lassen, Journalist ziehen lassen und in der Redaktion die Umfrage nebst kurzer Bildbearbeitung tippen lassen. Zirka eine Stunde nach dem Kontakt auf der Straße in der Redaktion anrufen und irgendeiner Sekretärin sagen, dass man nicht mehr in der Umfrage sein will = Journalist verliert mindestens 15 Minuten Lebenszeit und langsam die Contenance
  • Umfrage mitmachen, nett was erzählen, das volle Programm mitmachen, bereit zum Erscheinen in der Zeitung erklären, aber nicht mehr aufhören zu reden - zur Lage der Welt allgemein - und Journalist kurz an der Hand packen, wenn er nach höflicher (!) Verabschiedung gehen will = Journalist bekommt Text, verliert aber insgesamt mindestens 30 Minuten Lebenszeit
Verschiedene dieser Dinge sind mir heute mehrfach passiert. Insgesamt habe ich dadurch gefühlt gut drei Wochen Lebenszeit verloren ... traurige Sache!

Zusammenfassung für meinen Mann: Gibt es nicht - auch wenn ich für den Spiegel schreiben würde, würdest du es nicht lesen. 

Sonntag, 7. April 2013

Systemfehler

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Unsereins arbeitet mit launischen Wesen zusammen: Kollegen und Computern. Beides bringt uns manchmal bis oft nahe und bis darüber hinüber hinaus an den Rand des Wahnsinns. Mit beiden Dingen müssen wir uns aber irgendwie arrangieren. Der Wochenendausgabe stand nun ausgerechnet die Launenhaftigkeit der Technik entgegen, an die Launen der Kollegen hat man sich ja schon gewöhnen können. Der PC hatte so seine eigene freitägliche Herangehensweise, die ich nun langsam als große Herausforderung verstehe ... die ich auch gerne erneut erleben möchte, weil es sooooo, so schön war:

  • Anzeigenbingoploppplopp: Die Größe einer Werbeanzeige kann sich ruhig stündlich ändern - es macht ja kaum einen Unterschied zwischen "dreispaltig/blatthoch" und "45 mal 65 Millimeter", das hat doch nix zu bedeuten. Das permanente Umspiegeln der Seite hält den Geist doch fit.
  • Textflutschweg: Der Text kann ruhig immer wieder trotz permanenter Zwischenspeicherung (Strg + S, bis es krampft in den Fingern) wegploppen - es macht doch nix, wenn die Arbeit der vergangenen 30 Minuten immer wieder auf Nimmerwiedersehen verschwindet und auch der Onkel von der EDV keine Erklärung hat. Das permanente Neuschreiben lässt einen alles noch einmal genau überlegen und mit anderen Augen sehen.
  • Verwurschtelung: Das Foto zu einem Artikel kann doch gut und gerne plötzlich außerhalb des bedruckbaren Bereichs oder (noch besser) immer wieder mitten in einem anderen Text auftauchen - es macht doch nix, wenn der Leser das Foto eines Äffchens in der Alarmmeldung der Feuerwehr findet. Das überrascht den Leser, diese Ausgabe vergisst er dann wenigstens nicht so schnell.
  • Verweigerungshaltung: Das Layoutprogramm kann ruhig die Reaktion auf sämtliche Befehle verweigern - es macht doch nichts, wenn das Programm immer wieder abstürzt und alles dadurch mindestens doppelt so lange dauert, um doch nicht zuverlässig zu funktionieren. Es ist so unglaublich spannend, am nächsten Tag völlig verängstigt die Zeitung aufzuschlagen, weil man gefasst darauf ist, eine halbleere Seite oder das eigene Outlook-Adressbuch in die Produktion gejagt zu haben. 
  • Ausbruchssicher: Vielen Dank, dass der Klügere am Ende nachgegeben hat. Es war sicherlich nicht nett, eine halbe Stunde vor Produktionsschluss das Fenster zu öffnen und unter Flüchen wie "Du Scheißdreckskiste, du" und "Es kracht gleich, du Mistdings" zu berechnen, wie tief wohl die Beule ist, die ein handeslüblicher PC-Bildschirm im Blech eines Neuwagens hinterlassen würde. Unser Dank gilt der Kompromissbereitschaft der Technik.
Zusammenfassung für meinen Mann: Wundersamerweise erscheint doch jeden Tag wieder eine Zeitung.