Freitag, 22. Februar 2019

Ich mache bald Urlaub in den Misanthropen

Einmal pro Woche komme ich an diesen Punkt. „Ich hasse Menschen“ sage ich dann. Klingt hart? Einmal pro Woche ist doch noch gar nichts! Früher habe ich das täglich gesagt. Heute meditiere ich ja. Hilft aber nicht durchgängig gegen all den Scheiß da draußen.

Meistens ist es mein Job, der mich zu dieser Erkenntnis des Menschenhassens zwingt und mich das Negativ-Mantra irgendwas zwischen entnervt und echt angepisst ausspucken lässt.

Warum ich Menschen hasse? Wegen Vorfälle wie dieser:

Redaktion 8.30 Uhr. Ich bin gerade angekommen. Zuvor habe ich mittels Diensthandy schon zwei unfreundliche Mails aus dem allgemeinen Postfach der Redaktion weitergeleitet oder beantwortet und unzählig viel Spam gelöscht. Da wir kein richtiges Sekretariat mehr haben, macht man das jetzt eben als Redakteur so nebenbei auch mal noch mit. Einer der Schreiber beschwerte sich - mit ein, zwei Beleidigungen an uns Journalisten im Allgemeinen versehen - darüber, dass ein von ihm verschickter Leserbrief nach zehn Tagen noch immer nicht erschienen sei. Der andere Schreiber empfiehlt ein Video, das uns über die Verfehlungen der Bundeskanzlerin aufklären soll und mich unweigerlich an Hitlerbärte denken lässt.

Auf dem Display meines Diensttelefons ist ein verpasster Anruf angezeigt. Gestern um 22.16 Uhr sowie heute um 7.12 Uhr und 7.55 Uhr hat jemand versucht, mich zu erreichen. Ich rufe – es ist 8.32 Uhr – zurück. Es meldet sich eine Frauenstimme. Ich stelle mich vor und verweise auf den verpassten Anruf. Sie motzt mich umgehend an, warum ich denn bitte jetzt erst anrufen würde. Ich sage, dass ich den Anruf jetzt erst gesehen und umgehend angerufen habe. Still in mich hinein frage ich mich, warum ich in so eine Rechtfertigungshaltung kippe nur weil ihr Tonfall beschissen ist. Laut frage ich, worum es denn geht.

Sie wolle eine Anzeige schalten, sagt die Frau. Ich sage, dass ich Redakteurin bin und nicht für die Anzeigen zuständig. Das ist die Wahrheit. Die findet die Frau offenkundig nicht okay. Sie verweist darauf, dass im Impressum mein Name und meine Telefonnummer in Zuständigkeit für die Stadt stehen würden. Ich verweise darauf, dass dazu auch steht, dass ich in der Redaktion sitze und darüber in der Liste die Anzeigenabteilung ebenfalls mit Namen und Nummern aufgeführt ist. Murrend akzeptiert die Frau, dass ich ihr nicht helfen kann, betont aber, dass es ja wohl eher ums „nicht helfen wollen“ gehe.

Ich verweise auf die Anzeigenabteilung und nenne die Telefonnummer der Kollegin. Zugleich weise ich darauf hin, dass die erst ab 9 Uhr erreichbar ist. Das sei eine Frechheit, dass bei uns keiner zu ordentlichen Zeiten arbeite, sagt die Frau und will das mit der Anzeige lieber sein lassen. Ich gebe es auf.

In der Zeit, die ich mit diesem Telefonat verschwendet habe, hat jemand anderes es versucht. Auch diese Nummer rufe ich zurück. Am Apparat die Männerstimme eines akustisch wahrnehmbar älteren Mitmenschen. Als er erkennt, dass jetzt irgendwer von der Zeitung angerufen hat, legt er munter gleich mal los. „Bei euch geht keiner ran! Keinen erreicht man bei euch!“ Was er denn wolle, frage ich ihn. Er hat seine Zeitung nicht im Briefkasten. Wieder – ist ja wirklich schwer zu verdauen – muss ich drauf verweisen, dass ich nur Redakteurin bin und leider über die Abo- und Zustelldaten nicht verfüge und auch keine Kenntnis über mögliche Probleme bei der Zustellung habe, weshalb ich an die zuständige Nummer verweisen muss. Das genügt dem Mann scheinbar nicht. Jedenfalls putzt er mich weiter herunter, dass es ein Saftladen sei und er sich beim Chef über mich beschweren wird, dass ich ihm nicht helfen wolle und dass er dort erzählen werde, dass ich nicht an mein Telefon gehen würde. Es sei ja wohl wahrnehmbar besetzt gewesen und ich hätte ja umgehend zurückgerufen, versuche ich den Mann zu beschwichtigen. Er legt auf. Ich frage mich, warum nicht eigentlich ich schon viel früher aufgelegt habe.

Ergo: Ich hasse Menschen!

Mir ist ja durchaus bewusst, dass ich – davon gehe ich zumindest aus – noch auf einem sehr hohen Niveau jammere. Menschen, die beruflich zum Beispiel im medizinischen Sektor oder in einer Behörde mit Menschen zu tun haben, haben es vielleicht noch schlechter als ich.

Aber das Ding hier ist nun mal ziemlich subjektiv und da werde ich mich doch nochmal auskotzen dürfen, sobald mir irgendwas in die Nase fährt…also bitte…

Ich wünschte, ich hätte eine Stelle, bei der ich anrufen und einfach losschimpfen könnte und wenn mir dort einer erklärt, dass er nicht zuständig ist, aber die richtige Adresse kennt, dann flippe ich so richtig aus. Am besten ich rufe irgendeine Lokalredaktion an. Oder ich schicke denen Katzenvideos. Die wollen doch eh nicht richtig arbeiten, wenn die um sieben noch nicht ans Telefon gehen und um 22 Uhr nicht mehr! Saftladen!