Mittwoch, 30. Januar 2013

Es schreit! Du? Oder ich?

Wir Journalisten sind kommunikative Wesen. Wir unterhalten uns gerne mit Menschen. Ist ja unser Job. Wir hängen davon ab, dass sich Menschen, vor allem aber Insider und Politiker, mit uns unterhalten und uns über Dinge informieren, die wir ohne sie nie erfahren würden. Ohne geht es nicht. Wir pflegen also unsere Kontakte, damit wir weiter von ihnen mit den für uns lebenswichtigen Infos versorgt werden. Heißt: telefonieren, viiiiiiel telefonieren und ab und an ein kleines Schwätzchen, wenn man sich mal über den Weg läuft. Lokalpolitiker werden dann nach einer Weile zutraulich - nein, nicht in diesem Brüderle-Sinne! Sie wissen einfach, wen sie in der Redaktion anrufen, wenn der Schuh mal drückt und sie über die Presse was bewegen und erreichen wollen ... ein Schelm, wer da ans Instrumentalisieren denkt. Die Macht der Medien greift ja auch im Lokalen. 

Aktuell drückt der Schuh bei einem Mann. Er redet sehr gerne. Er redet sehr viel. Er redet sehr laut. Er verbeißt sich ins Thema. Und er ruft an. Neuerdings jeden Tag. Den Kollegen am Tisch gegenüber. Und mich. Zuerst - Herr im Himmel, ausnahmsweise mal vielen Dank für den zweiten Platz! - immer den Kollegen. Keine Reaktion? Dann klingelt es am anderen, meinem Ende des kleinen Büros. Leuchtet die Nummer des Herrn auf den Displays auf, dann zucken wir Büroinsassen. Und spielen Telefon-Pingpong. Der Kollege geht nicht ran, weil er die Folgen für mich kennt. Ich geh nicht ran, weil ich immer Ohrenbluten bekomme, wenn der Mann durch den Hörer plärrt und sich dabei doch nur im Kreis dreht. Der Mann klingelt wieder von vorn. Der Kollege - sehr erfahren in dieser Sache, weil Jungpapa - kann aber ewig "Du bist dran, Schatz, es schreit" spielen. Verschärft wird der Spaß nur noch dadurch, dass immer irgendeine Sekretärin plötzlich auf unsere Nichtreaktion reagiert und das Telefonat übernimmt ... und dem Mann sagt, dass wir da sind. Dann kommt er eben gleich mal vorbei. Die lokaljournalistische Medienmacht sitzt ja um die Ecke. Wer also kümmert sich um den kleinen Schreihals, wenn er plötzlich im Zimmer steht?

Zusammenfassung für meinen Mann: Es gibt so Tage, nach denen man einfach nichts mehr hören will!

Montag, 28. Januar 2013

Pssst, bitte ...

... oder anders ausgedrückt: Ich will und kann es nicht (mehr) hören, lieber Kollege!

Ich will nicht hören, dass ...
  • ... du überschlagen hast, wer im vergangenen Jahr die meisten Knallerthemen hatte und ich auf Augenhöhe mit dir vorn liege.
  • ... du der Meinung bist, dass ich jetzt höchstens von zehn bis zwei arbeiten dürfte, um einen meinen anderen Kollegen vergleichbaren Stundenlohn zu haben.
  • ... du glaubst, ich sei wie du ein bisschen "schneller" und "besser" als die meisten hier und hier unter diesen printgekristen Bedingungen fehl am Platz.
  • ... du ein "schlechtes Gewissen" hast bei jeder 08/15-Aufgabe, die du mir gibst.
  • ... du den "Glauben verlieren" könntest
  • ... du es "unfair" und "zum Kotzen" findest, dass ich weit entfernt von einem Vertrag bin.
  • ... du der Meinung bist, dass ich das nicht mehr lange "ertragen" und mich bald aus dem Staub machen werde.
  • ... du mich ja auch gar nicht runterziehen willst.
Zusammenfassung für meinen Mann: Der Kollege ist schlecht gelaunt über Dinge, die nur mich übellaunig machen sollten.

Sonntag, 27. Januar 2013

So nich! Aus! Pfui!

Schlimme, schlimme Worte geistern immer wieder durch meinen Kopf, seit mein Chef mich mit einem düsteren "Komme ma her!" in sein Büro rief. Er legte mir eine im weitesten Sinne unserem Verlag zugehörige und ebenfalls im Verbreitungsgebiet erscheinende Zeitung vor. Wir pflegen Austausch mit dieser Zeitung. Sie übernehmen Artikel von uns und wir von ihnen. Das ist in Ordnung so und vertraglich geregelt. Gut geklaut ist besser als schlecht ausgedacht ... das gilt auch und erst recht im Journalismus. So sind wir eben. Das wird sogar professionell betrieben, wie hier zu sehen ist. Was er mir da aber vorlegte, traf mich ziemlich schwer. Die sind einfach zu weit gegangen!

Eine Mitarbeiterin dieser Zeitung probiert sich nun in anderen Jobs als dem der Journalistin aus. Sie schildert aus der Ich-Perspektive, was sie dabei so erlebt und empfindet, stellt so all die Berufe vor. Das liest sich ganz nett und gibt dem Leser Einblicke, die er sonst nicht hat. Das ist eine wirklich gute Idee. Keine, die die Welt besser macht. Aber eine, die sie für fünf Minuten Lesevergnügen unterhaltsamer macht. Der jobbende Journalist bekommt ebenfalls Einblicke, die er sonst nicht hat. Und Demut. Das schadet nie.

Zugegeben: Solch ein Perspektivwechsel hat keinen Anspruch auf Patent und ist nicht die großgroßartigste Idee in unserer Branche, sie wurde mit Sicherheit schon oft geboren. Aber irgendeiner fängt immer an. Ich! Aus Gründen! Als meine Zeitung mich mit einem Jahr Vorlauf offiziell rausschmiss, stand ich am nächsten Tag auf und machte mir bewusst, dass ich vielleicht mal testen sollte, ob irgendwas mir so viel Spaß machen könnte wie Journalistin zu sein. Ergebnis: nö! Aber ein Jahr lang suchte ich mir jeden Monat eine neue Wirkungstätte - putzte als Tierpflegerin Affennpisse weg, pumpte Klärgruben aus, lief mir die Füße beim Kellnern wund oder bugsierte Mülltonnen, bis es nicht mehr ging - holte mir oft Muskelkater und blaue Flecken, Blasen und die Erkenntnis, dass ich harte körperliche Arbeit eben nicht gewöhnt bin. Ich stand sehr oft sehr zeitig auf, um schon kurz nach fünf Uhr morgens in irgendwelchen Fabriken zu stehen. Ich opferte freie und Urlaubstage, um genügend Zeit für die anderen Jobs zu haben. Und ich arbeitete wirklich und guckte nicht nur zu. Ich war so sehr dabei. Ich nahm kein Blatt vor den Mund, schrieb hemmungslos alles auf und machte Jokes über mich selbst. Ich guckte unzählige Male in seltsamen Posen und Outfits auf Fotos aus der Zeitung. Nach einem Jahr wollte ich Schluss machen und erntete dafür allerorten Protest, bekomme mittlerweile sogar die Jobs angeboten und Zurufe auf der Straße! Die Idee kommt also offensichtlich gut an.

Und jetzt kommt da so jemand einfach so um die Ecke und klaut die gute Idee, kupfert ab, dreist! Das verletzt den Stolz! Kränkt die Ehre! Da kocht die Wut (noch immer) und sprudelten die Flüche, dass sogar der Chef kurz rot wurde. Nur eins brachte einen Moment Besänftigung. Die Feststellung von Chef und Kollegen, dass ich auf den Fotos und als Seitenoptik einfach besser komme als die andere. Da sind wir Frauen dann ja doch alle gleich. Nur ich bin eben besser. Zumindest beim Jobben. Und Ideen haben.

Zusammenfassung für meinen Mann: Ich hasse es, wenn mir Ideen geklaut werden, ich verstehe da keinen Spaß, echt!

Dienstag, 22. Januar 2013

Eine Frage der Moral

Einfach gehen. Einfach verschwinden. Einfach vollendete Tatsachen schaffen. Einfach eine Lücke lassen. Während der andere gar nicht da ist. Es gar nicht merken kann ... Ist es statthaft nach zwei Jahren so eine Bürobeziehung zu beenden? Ich habe es getan ...

Zwei Jahre lang teilte ich mit einer nicht immer einfachen, vielleicht aber doch dank der Macht der Gewohnheit und mangels Alternativen von mir lieb gewonnenen Kollegin das Büro. Eine ewige Achterbahn. Wir zickten uns nicht selten an, weil die Welten junger und älterer Frauen aufeinanderprallten. Das Zunderpotenzial konnte auch mal die Frage sein, ob wir uns beim Heizen des Büros an ihr oder an mir und meinen ewig kalten Füßen orientieren. Friede, Freude und Frauenkrams ... brachten wir uns - wir beide verabscheuen den bitteren und billigen Filterkaffee in der Redaktion - schon wenig später gegenseitig gerne Milchkaffee, Latte macchiato und andere Späße to go vom nahen Bäcker mit. Sie wusste immer, wie viel Zucker mein Kaffee braucht und dass ich Schokolade nicht ausstehen kann. 

Dann kam mein Arbeitsehemann auf Ideen ... Sein Bürokollege könne ja aus- und ich einziehen. Die Motoren und Antriebsfedern des Teams müssten in einem Büro sitzen, sagte er. Und fand den Kommentar, ich würde uns ja eher für Motor und Maschinenraum halten jetzt nicht so witzig. Trotzdem wollten wir die Idee zur Tatsache machen. Der andere Kollege kam eines Tages plötzlich selbst auf den Gedanken, in ein anderes Büro zu ziehen, weil er nicht mehr beim anderen sein wollte. Und schuf binnen weniger Stunden Tatsachen.

Heute habe ich nun meine Sachen gepackt und umgeräumt, habe fröhlich Kisten treppauf geschleppt - mein neues Büro ermöglicht mir schließlich den kleinen Triumph des gefühlten Aufstiegs. Notizbücher, Unterlagen, PC und Duden wechselten mit mir die Etage. Es machte Laune und fühlte sich nach Freiheit an. Der Kollege dagegen konnte sein unbändiges Staunen über all den Mädchenkram kaum verbergen und hatte einen kurzen Moment Panik und Zweifel an seiner Idee im Blick, als ich Handcreme, Lippenpflegestift und auch noch Parfum ins Büro purzeln ließ. Er wird es überstehen.

Wenn die Kollegin jetzt aber in Kürze wieder auf Arbeit kommt, wird sie ein verwaistes Büro vorfinden, wo sonst schon immer ich bei der Morgenlektüre saß. Ich werde ihr wohl doch noch einen Zettel "Ich bin weg" hinlegen. Und ihr einen Milchkaffee mitbringen.

UPDATE: Die Kollegin ist getroffen. Erklärungen wurden nötig. Es rettete der schöne Satz "Es liegt nicht an dir."

Zusammenfassung für meinen Mann: Ich habe ein neues Büro.

Samstag, 19. Januar 2013

Keine Leser

Wir stellen fest: Ich habe keine Leser. Ich habe Fans! Klingt ziemlich arrogant, das ist klar. Ist aber vollkommen berechtigt. Sonst mit sehr, sehr viel weniger Selbstbewusstsein ausgestattet als ich mir wahrscheinlich bis vielleicht erlauben dürfte, ist mein Job jene Lebenslage, in der ich mir meiner selbst immer sicher bin. Und ich bin ziemlich bis verdammt gut ... Glaubt man nämlich den Lesern meiner Lokalzeitung, so werde ich gerne gelesen. Nun gut, eine Lokalzeitung ist nicht die New York Times - dennoch scheint der Pulitzer ja schon so gut wie sicher. 

Aber ernsthaft: Es hat schon etwas zu bedeuten, wenn mir bis eben noch vollkommen unbekannte Menschen die Straßenseite wechseln, um erst unsicher zu fragen "Sie sind doch die von der Zeitung?!" und dann "nur mal eben" zu sagen, dass sie herzhaft über die letzte Kolumne gelacht haben. Oder die örtliche Bibliothekschefin einen zur Seite nimmt, um zu sagen: "Sie sind ein Grund, die Zeitung nicht abzubestellen!" Oder die weggezogene Kirchenmitarbeiterin bittet, dass ich mehr Artikel von mir ins Netz stellen soll, weil ihr was fehlt. Oder diverse Menschen anderen mir bekannten Menschen erzählen, dass sie meine Texte immer besonders gern lesen. Oder beim allgemeinen Draufhauen auf die blöden und angeblich immer alles verdrehenden Medien im Allgemeinen im Ortschaftsrat eine Frau verteidigend das Wort ergreift, um zu sagen, dass ich da ja jetzt die falsche Adresse sei: "Ihre Texte sind immer gut!" Oder der Dorfbürgermeister im Anschluss doch noch eine E-Mail schickt, um die gute Zusammenarbeit zu loben und zu sagen, dass ich ebenso hartnäckig wie fair sei und keiner seiner Anranzer je böse gemeint oder gegen mich gerichtet sei. Oder die Sekretärin vom Dorfbürgermeister nur mal eben anruft, um zu sagen, dass sie grad einen Text von mir ausgeschnitten hat, um ihn ihrer Tochter zu schicken.* Hach. In solchen Momenten wird mir trotz nicht idealer Gesamtsituation ein für alle Mal klar: Ich kann weder Zeitung noch Stadt verlassen. Was sollen diese Leser denn ohne mich machen?

* Alles in den letzten Tagen passiert.

Zusammenfassung für meinen Mann: Läuft.

Dienstag, 15. Januar 2013

Journalisteneinweiser

Mein Lieblinsbürgermeister* hat mich auf eine Idee gebracht, die Lokaljournalisten weltweit helfen könnte. Ich hab da wie viele so einen Tinnitus. "Das schreiben Sie aber nicht!" pfeift der im Ohr. Es ist ein ebenso gern benutzter wie ungern gehörter Satz im journalistischen Alltag. Es kann recht heiter werden, diesen Satz immer wieder zu hören - noch heiterer stimmt es nur, diesen Satz zu ignorieren. Manchmal weiß man selbst nicht mehr, wann man denn nun was schreiben "darf" und wann nicht. Ein wahres Pingpong des Dürfens und Nichtdürfens garantieren bestimmte lokale Themen. 

Ein ganz großes Thema, immer wieder, in kleinen lokalen Gremien wie Orts- und Gemeinderat ist Schilf im Dorfteich. Zu viel des Guten und das häufig mit Bier getränkte Gremium ist ein wenig bis viel genervt. Das Schilf, heißt es dann, muss weg. Komplett. Schnell. Für immer. Findet auch ein Ortschaftsrat, den ich betreue. So diskutierten die Leute neulich, was denn mit dem Schilf geschehen könne - der Bürgermeister garnierte das Ganze immer mal mit "Ja, das könnten Sie ruhig mal thematisieren!" und lächelte mich an. Die Ideen wurden konkreter und nicht mehr ganz so legal**. Es hagelte "Das schreiben Sie aber nicht!" und weitere Abschweife rund ums Thema Gewässer brachten wieder "Na, das mit dem Biber könnten Sie aber mal öffentlich machen!" und dann wieder "Das schreiben Sie aber nicht!" und wieder und wieder ... bis einer im Rat sagte, dass ich das möglicherweise selbst erkennen könne und schon niemanden in die Pfanne hauen würde. Er könne doch Schiedsrichterkarten verwenden, schlug ich dem Bürgermeister also vor oder mich wie der Flight Line Marshaller (FLM) auf dem Flughafen einfach einweisen. Arme über Kreuz = nicht schreiben. Parallel zu dieser formschönen Geste kann er dann ja ungestört weiterreden. Oder eben die rote Karte aus der Gesäßtasche der Dorfbürgermeisteruniform (Jeans, Hemd, abgetretene Schuhe) ziehen. Ich bin nun sehr gespannt auf die erste Arschkarte meines Lebens. Oder die Verrenkungen des Bürgermeisters als FLM.

* Auch das gibt es.
** Da will man dann wirklich niemanden in die Pfanne hauen und schreibt nicht.

Zusammenfassung für meinen Mann: Oft macht dieser Job einfach nur gute Laune, in diversen Ortschaftsräten habe ich mittlerweile Mitspracherecht.

Mittwoch, 9. Januar 2013

Shit happens

Also ... wenn die eigene Stadt im Locus landet, kann man das doch mal mit einer Schlagzeile im Lokus ... äh ... Lokalblatt würdigen!? Oder nicht!? Nun ja ... wenn man der Erwähnung in einem sehr löblichen Toiletten-Verzeichnis auch noch das Krönchen eines Kommentars aufsetzt, nähert man sich auch schon den Niederungen. Und dem am Folgetag veröffentlichten Ergebnis eines ganz persönlichen Scheißtages. 

Die Stadt hat drei öffentliche und zugleich für Behinderte geeignete Toiletten. Schöne Sache. Noch schöner (finde ich wirklich): Sie sind mit dem Euroschlüssel gesichert, der Behinderten den Zugang ermöglicht. Geplant war, den Artikel mit Statements der Vorsitzenden des örtlichen Rolli-Clubs zu ergänzen. Die aber hatte plötzlich einen Trauerfall in der Familie. Und deren Mann musste noch dazu plötzlich ins Krankenhaus. Der Termin platzte also verständlicherweise. Der direkte Chef fand das zwar Mist, aber nicht weiterer Reaktionen wert. So plante er mit dem Arbeitstitel "Euroschüssel", bat um reichlich Bilder zum Text (auch Innenaufnahmen) ... Und bot Chef an, ich könne das Thema kommentieren.* Diskussion? Zwecklos. 

Nicht sonderlich elegant schlug ich also die Brücke von den zwar im Locus verzeichneten Behindertentoiletten hin zu der Tatsache, dass diese öffentlichen Toiletten sonst irgendwo in der Stadt nicht groß erwähnt/ausgeschildert/verzeichnet werden. Blind ins Lästerverderben stürzend, erwähnte ich im vollen Besitz meiner geistigen Fähigkeiten obendrein, dass der den Locus herausgebende Verein ausgerechnet in Darmstadt sitzt (ich verzichte jetzt mal besonders bewusst auf leserführende Fettungen). Dennoch: Dass das insgesamt nach Meinung der Leser eher mal ein Griff ins Klo war, wurde mir spätestens mit dem ersten Anrufer des Tages klar. Der Anrufer, sonst zu meinem weiteren Bekannten- und Fankreis zu rechnen, fragte sofort nach meinem geistigen Gesundheits- und dem weiteren Gemütszustand und attestierte mir reichlich derbe maximal noch Klofrauentalent, zudem sei ich wohl eine WC-Ente. Er ließ sich durch vehemente Arschgeigen-Rufe meinerseits auch nicht bremsen. Erst als ich ihm sagte, dass aus jedem Papier ja über kurz oder lang Klopapier werde, schwieg er endlich.

* Ich habe angeblich immer und zu allem eine Meinung, noch dazu eine große Klappe.

Zusammenfassung für meinen Mann: Dank des Uralt-Kommentarfotos erkennt mich vielleicht niemand!?

Dienstag, 8. Januar 2013

Therapeut im Ehrenamt

Journalisten sehen und hören viel. Viel Unfug, durchaus - vor allem von Politikern. Aber auch viele, viele Lebensgeschichten bei den sogenannten menschelnden Geschichten. Wer ein Porträt über einen Menschen schreiben will, der irgendwie interessant genug für die große Geschichte in der Zeitung erscheint (weil er ein spannendes Hobby oder einen großen Plan hat, seit 1000 Jahren ein Ehrenamt ausübt oder sonst irgendwie auffällig geworden ist), muss sich mal ein paar Stündchen mit ihm hinsetzen. Und einfach zuhören, was der Mensch zu erzählen und zu sagen hat. Am besten lernt man einen Menschen natürlich in seiner natürlichen Umgebung kennen - in seinen eigenen vier Wänden, wo der Mensch sich wohl fühlt. Ein bisschen Überwindung kostet uns Journalisten das manchnmal schon. 

Erst gestern Abend war ich bei einem Mann zu Besuch, der dummerweise bei der Vereinbarung des Termins den nicht sehr vertrauensbildenden Satz "Ich kann dich danach auch nach Hause fahren" sagte. Das komische Gefühl bei der Sache allein in seiner Wohnung zu sein, blieb mindestens eine halbe von anderthalb Stunden an mir kleben. Als das seltsame Gefühl weggewischt war, hörte ich mal wieder viel von verpassten Chancen, gescheiterter Ehe, fast verlorenen Beinen und Kindern. Nicht alles, wurde ich gebeten, darf ich schreiben. Gehört aber ist es. Wie schon so oft für so viele Geschichten. Menschen haben mir schon sehr detailreich von den Prügelattacken ihrer Väter, Missbrauch, tödlichen Diagnosen und Krebsbehandlungen, Fehlgeburten, Kriegserlebnissen oder verkohlten Unfallopfern in Pkw-Wracks erzählt. Die Geschichte des Mannes schien dagegen fast harmlos. Ein paar Stunden später kam dennoch wie so oft auch von ihm eine Nachricht: "Vielen Dank fürs Zuhören, es tat gut mal über alles zu reden und alles los zu werden, vielen Dank". 

Macht Sinn. Der Journalist sitzt bei solchen Geschichten ja meist am anderen Ende einer Couch, schreibt Sachen in das Notizbuch auf seinem Schoss, nickt und hmt immer mal wieder an passender Stelle, stellt ein paar Fragen nach Gefühlen und hört ansonsten nur zu. Und mehr als einen Kaffee und die Bereitschaft, eines Tages (fast) alles über sich selbst in der Zeitung zu lesen, kostet die Therapiestunde nicht.

Zusammenfassung für meinen Mann: In dem Job stellt man oft fest, wie gut man es selbst hat.

Samstag, 5. Januar 2013

To do!

15 Dinge (mindestens), die Sie als Lokaljournalist in der eigenen Stadt getan/erlebt haben sollten:

  1. Negativ auffallen.
  2. Positiv auffallen.
  3. Mindestens einmal öffentlich Verbalprügel vom Bürgermeister oder anderen Amts- und Würdenträgern beziehen.
  4. Mindestens einmal öffentlich verbal zurückprügeln.
  5. Mindestens einmal Mist bauen, der nicht hätte sein müssen. Zum Beispiel in eine Radarfalle tappen, über die man noch vor wenigen Tagen selbst berichtet hat. 
  6. Mindestens einmal Amts- und Würdenträger/Politiker sanft bis derbe durch den Kakao ziehen und auf die Konsequenzen pfeifen.
  7. Sich mindestens einmal mit dem eigenen Chef anlegen, gerne auch lautstark.*
  8. Sich mindestens einmal selbst durch den Kakao ziehen oder besser noch ziehen lassen.
  9. Sich bietende Chancen und Gelegenheiten immer nutzen. Hinter Kulissen blicken, in Ecken stöbern, Neues erleben. Keinen Schiss haben. Bisschen Angst auch vor großen Tieren? Dann rein ins Zoogehege. Latente Höhenangst? Dann ab mit der Drehleiter über die Dächer der Stadt.** Angst vor Menschen? Perfekter Job!
  10. Professionelle Distanz beim Konsum diverser Genussmittel verletzen und (so) Freunde finden, die man eigentlich nicht haben sollte. Dabei mindestens einmal einer Person vor die Nase stolpern, der man in dieser Situation eigentlich nicht begegnen sollte.
  11. Deutlich jünger, weiblicher und etwas ansehnlicher als der Rest der Kollegen? Dann: mindestens einmal eindeutig zweideutige Anmache eines Dorfschulzen erdulden, bei weiteren Anmachen ausrasten. Nicht jung und weiblich, aber trotzdem angemacht? Dann: besser nicht darüber nachdenken!
  12. Mindestens einmal vollkommen blind tun, damit der eigene Kollege einen bloß nicht anspricht, während man einfach nur in Ruhe beim Bäcker in der Schlange stehen will.
  13. Sich mindestens einmal zwischen Supermarktregalen verstecken, damit der verschwatzte Kommunalpolitiker einen bloß nicht ansprechen kann.
  14. Mindestens einmal an der Supermarktkasse auf einen Artikel angesprochen werden. Am besten negativ, sonst macht es keinen Sinn. Dann unprofessionell rechtfertigen, sonst macht es keinen Sinn.
  15. Mindestens einmal an der Supermarktkasse von Amts- und Würdenträgern/Politikern mit Artikeln ertappt werden, die man lieber für sich behalten hätte. Dazu eignen sich: Mottenfallen, Klatschmagazine, Tampons und große Mengen Alkohol.

... to be continued ... 

* Gilt für alle Journalisten.
** Kleinstadt = niedrigere Dächer.

Zusammenfassung für meinen Mann: Eigentlich schon alles erledigt.

Mittwoch, 2. Januar 2013

Und jährlich grüßt das Murmeltier

Es ist ein Job zum Wundern, Staunen und Rätseln

 

Dé­jà-vu im journalistischen Alltag geht so: Seite morgens layouten, Lücke auf der Randspaltenseite der Seite entdecken und diese endlich mal mit dem Text der freien Mitarbeiterin füllen, der sich schon eine Woche im Stehsatz rumdrückt. Am Nachmittag notwendigerweise beschließen, den Text auf Rechtschreibung zu kontrollieren, ihn zu bearbeiten und mit Überschrift zu versehen. Dazu muss der Text natürlich gelesen werden. Die freie Mitarbeiterin schreibt über das Jahrbuch zur Historie der Heimatstadt. Ist ihr Steckenpferd. "Wussten Sie schon, dass ...?" lässt sie gefühlt 20 Sätze ihres Artikels beginnen und listet mit jedem einzelnen Satz Erkenntnisse aus dem Jahrbuch auf. Dann erwähnt sie die Autoren des kleinen Heftchens, lobend. Und am Ende ihrer gefühlt gut 60 Zeilen (die Hälfte davon Wussten-Sie-Fragen) kommt die Kollegin zu dem Schluss, dass man das Büchlein an Historie Interessierten nur empfehlen kann. Überschrift fehlt dennoch noch. "Fundgrube für Regionalhistorisches" oder "Fundgrube für Historienfans" oder "Fundgrube der Regionalhistorie" ... das wäre doch was!, denkt sich der geneigte Bearbeiter, selbst grad nicht sonderlich kreativ. Und kriegt justament einen Flashback, dem ein übler Verdacht folgt, dem wiederum ein kurzes Stöbern im Archiv folgt.

Vor gut einem Jahr, ist ja auch ein Steckenpferd-Jahrbuch, erschien mit dem Titel "Fundgrube für Regionalhistorisches" ein Artikel der freien Mitarbeiterin zum Vorgängermodell: "Wussten Sie schon, dass ...?" ließ sie gefühlt 20 Sätze ihres Artikels beginnen und listete mit jedem einzelnen Satz Erkenntnisse aus dem Jahrbuch auf. Dann erwähnte sie die Autoren des kleinen Heftchens, lobend. Und am Ende kam die Kollegin zu dem Schluss, dass man das Büchlein an Historie Interessierten nur empfehlen kann. Aha! Das ist quasi die allerextremste Form aller extremen Kopfschüsse im journalistischen Alltag. Oder Absicht. Honorar gibt es trotzdem.

Zusammenfassung für meinen Mann: Fuck (teil)fotografisches Gedächtnis!