Samstag, 23. Juli 2016

Die Männer meines Lebens

Glaube ich Zeitschriften, Fernsehproduktionen und Büchern, geht es für Frauen darum, den Mann fürs Leben, die Liebe fürs Leben zu finden. Ich glaube nicht. Einer reicht nicht.

Es fängt schon damit an, dass ich mich oft frage, wie es eigentlich andere Frauen ohne Brüder schaffen? Ich habe drei Brüder. Meine Eltern haben mir viel gegeben, vor allem gaben sie mir drei Brüder. Ein Leben ohne Brüder scheint mir möglich. Aber sinnlos. Ich kann mit meinen Brüdern - allen zusammen oder jeweils einem davon - einfach nur mal da sitzen. Wir mampfen was, spülen alles mit Bier runter und schweigen uns an. Wir sagen uns in diesen Momenten mehr als Worte können. Wenn einer von ihnen sagt "alles klar, du musst gar nix sagen", weiß ich, dass er weiß, dass ich weiß, dass er mich ohne Worte versteht. Ansonsten prügeln wir uns - verbal.

Gewalt ist (k)eine Lösung. Das habe ich auch von meinen Brüdern. Als ich gerade eingeschult war, hat mich ein älteres Mädchen aus der Vierten massiv geärgert, auch mit Gewalt. Mein ältester Bruder hat sich gekümmert. Ich kann nicht sagen, was er getan hat. Bei der Mafia redet auch keiner über die Methoden. "Erlebnisorientierte Sportgruppe" heißt es bei meinen Brüdern, wenn sie Menschen um mich - bevorzugt Männern, mit denen das weiterführend Zwischenmenschliche wegen deren Verfehlungen nicht gelang - ein paar Takte vermitteln wollen.

Ich bin also von Geburt an ein Jungsmädchen. Eine von den Jungs. Kindergarten- und Schulzeit verbrachte ich gerne mit Jungs. Erst als Teenager habe ich eine gewisse Tragik darin gesehen, dass ich wiederum für sie der Kumpel war und die anderen Mädchen die Angebeteten des Monats oder mehr waren. Heute weiß ich, dass ich genau damit das große Los gezogen habe. Ich habe Männer fürs Leben.

Viele davon habe ich durch meinen Job als Journalist gefunden. Wie die drei, mit denen ich das Volontariat absolvierte. Manchmal sitzen wir einfach da, spülen bis spät in die Nacht mit Bier und alles ist gut. Mehr gibt es nicht zu sagen. Es gibt weitere Männer, mit denen ich regelmäßig die Nacht verbringe. So wie Mister XL, den Feuerwehrmann, über den ich mal schrieb. Nicht nur wegen seines Ehrenamts fällt er in die Kategorie Freunde, die man jederzeit nachts um vier aus dem Bett klingeln kann. 

Ich habe Männer in meinem Leben, die können mit mir einfach nur bis zum Morgengrauen reden und schweigen. Sie müssten danach in eine ganz andere Richtung laufen und einer mindestens besteht darauf, mich nach Hause zu bringen. Jedes Mal diskutieren wir darüber, dass ich meine, das nicht zu brauchen - und sie es sehr wohl anders sehen. Einmal sind wir dabei auf den Pkw eines Mannes getroffen, der zum Ende eines Was-auch-immer zu einer Art Stalker mutierte. "Du bist ein Kumpel mit Titten für mich, aber auch eine Dame, geh mal weiter", sagte ein Mann meines Lebens. Danach sagte er, dass er jetzt gar nicht mehr so Druck auf der Blase hätte.

Ich habe auch Männer in meinem Leben, mit denen Beziehungen & Co. zwar nicht gut im Frauenzeitschriftenfilmbuch-Sinne ausgingen, die aber trotzdem an meiner Seite bleiben als jene, die ich nachts um vier aus dem Bett klingeln kann.

Ja. Vielleicht stimmt, was in den Zeitschriften steht. Frauen suchen Helden-Männer fürs Leben, Ritter in glänzender Rüstung. Männer, die uns vermitteln, dass wir nicht alles allein schaffen können, wollen und müssen. Ich war jedenfalls schwer gerührt, als einer meiner Männer einem Angebeteten des Monats das Folgende sagte: "Isch kannsch schon jud leiden, abbbber wenn du meinäh Tinäh wehtust, muss isch disch verprügeln!" Okay, er war betrunken. Aber in dieser Krisensituation noch an mich und mein kleines Herz zu denken - also das zeugt von wahrer Freundschaftsliebe. Es gibt sie wohl nur unter Männern.

Freitag, 8. Juli 2016

Ist es noch weit?

Wenn es etwas gibt, auf das ich mich noch mehr freue als auf Weihnachten und Ostern und Geburtstag* zusammen, dann ist es Brandenburg. Brandenburg, das ist dieses wunderschöne Stückchen Erde, das mir in den vergangenen drei Jahren in die Seele gewachsen und zum Paradies geworden ist. Ich lerne von Brandenburg. Ich lebe Brandenburg. Ich liebe Brandenburg. 

Mich trennen noch 160 Kilometer und vier Redaktionswochen von Brandenburg. Und von Anblicken wie diesen hier. Anblicke, die es hier zwar gibt, die ich dort erst richtig zu schätzen weiß, die ich dort erst erkenne:


Denn in Brandenburg sind meine Sinne nicht vernebelt von meinem Multitasking. In Brandenburg fällt der Kopf aus. Ich denke nicht, also bin ich ... in Brandenburg. Am liebsten ganz allein. Einsam bin ich nie. Vergangenes Jahr habe ich es geschafft, Tage kein einziges Wort zu reden, weil niemand da war, um zuzuhören - vor allem war niemand da, mich vollzuquatschen oder irgendwas von mir zu wollen. Die Bäckersfrau war die erste, zu der ich wieder sprach - nur ein "Hallo, ich möchte ein Gurkenbrot bitte!" und das war's für die nächsten zwei Tage. Das will ich wieder haben. Ich will, ich will, ich will - Ruhe. 

Mein Job ist es Fragen zu stellen, bestimmte überhaupt erst aufzuwerfen, Fragen zu klären, Debatten anzustoßen, Probleme mitzuwälzen, Lösungen aufzuzeigen, Antworten zu hören, Antworten zu gewichten, Informationen zu beschaffen und Informationen zu verbreiten, das Alles und Nichts dieser Welt ständig mitzubekommen, keine Ruhe zu kennen. Alles schön, ich brauche auch das, ich lebe und liebe meine Berufung. Aber irgendwann muss mal Pause sein.

In Brandenburg muss ich nur die wirklich wichtigen Fragen des Lebens klären: Ist noch Bier da? Ist das Grillgut gut? Auf welche Seite drehe ich mich jetzt? Was ist mit mir? Mehr ist nicht wirklich wichtig.


* Ostern und Geburtstag zusammen klappt schon immer mal - WTT.