Montag, 11. September 2017

Beste Zeit

Da sitze ich nun. Die Büros sind dunkel. Die Telefone schweigen. Der Drucker gibt von Zeit zu Zeit ein Klicken von sich. Sonst Stille. Ich bin allein. Niemand ist da und niemand weiß, dass ich hier bin. Es ist mitten in der Nacht. Morgengrauen. Es ist spät am Abend, früh am Tag, Wochenende. Irgendwas ist passiert, das mich treibt, meine Arbeit zu machen, weil ich eben meine Arbeit mache so wie ich sie mache. Ein Haus hat gebrannt, ein Unfall ist passiert, irgendwas ist eben außerhalb der Kernarbeitszeit passiert und ich arbeite, weil ich das nun einmal so mache. Wie gut.

Da sitze ich und bin allein. Ich arbeite, konzentriert und schnell, fokussiert, interessiert, motiviert. Es ist mitten in der Nacht, Morgengrauen, es ist spät am Abend, früh am Tag, Wochenende. Es ist die beste Zeit des Tages, der beste Tag der Woche. Es ist der Moment, in dem ich Ruhe und die Macht habe. Ich bin jetzt mein eigener Chef, mein Kollege, meine Sekretärin, meine Rechtschreibkontrolle, mein Lehrmeister. Ich kann tun und lassen, was ich will. Ich entscheide. Ich mache. Ich handle.

Niemand wird anrufen und mir erzählen, worauf ich im Text achten soll, noch bevor ich überhaupt den ersten Buchstaben getippt habe. Niemand wird meinen Artikel bearbeiten während ich noch an ihm schreibe. Niemand wird fragen, ob ich ein Video und Bilder für eine Galerie habe. Das habe ich vorhin mit mir selbst schon am Einsatzort geklärt. Niemand drängelt. Niemand stört. Niemand ist ungeduldig, außer mir selbst. Ich mache, was ich zu machen habe und stelle es so wie ich es gemacht habe ins Netz, stehe dazu und zu den Fehlern, die ich gemacht habe - meine Sache, mein Ding, meine Entscheidungen, meine Ruhe ... bis auch die anderen aufgewacht sind.

Es ploppen keine Rundmails mit sinnlosen Informationen auf, die höchstens zwei der zwanzig angeschriebenen Menschen interessieren. Es ruft auch kein Leser an, schmettert mir kommentarlos seine Kundennummer entgegen und ist dann enttäuscht, dass ich nur Redakteur bin und Abodaten gar nicht verwalten kann. Es kommt kein Babuschek ins Haus und raubt mir die Nerven. Ich arbeite in einem Zug. Das einzige, was mich aufhalten kann, ist die eigene Müdigkeit und die des Systems. Wenn es nicht mitten in der Nacht, im Morgengrauen, spät am Abend, früh am Tag oder Wochenende wäre, könnte es immer so sein.