Samstag, 21. März 2015

Früher war mehr ... Jugend

Es gibt hier einen Menschen, der will mich scheinbar immer wieder neu kennenlernen, wozu ich ihm fast gratulieren möchte ... Jedenfalls fängt er Gespräche mit mir wieder und wieder mit einem bestimmten Satz an. Er sieht mich mit meinem Notizbuch sitzen oder stehen, taucht neben mir auf, dreht den Kopf in meine Richtung, guckt die 174 Zentimeter einmal von oben nach unten, dann von unten nach oben und sagt: "Wir haben doch mal zusammen Müll gesammelt, stimmt's?" 

Bäm! Wären wir in einer Kneipe oder Bar, würde ich die stille Verbundenheit gemeinsamen Müllsammelns sogar so ulkig finden, dass ich das schon wieder gut finden würde.

Als er heute fragte "Wir haben doch mal zusammen Müll gesammelt, stimmt's?" saßen wir gerade bei einer Nominierungsveranstaltung für einen Kandidaten zur Landratswahl. Der Mensch nämlich gehört einer Partei an und sitzt im Stadtrat. Ich wundere mich nur, dass mein Kollege neben mir sich noch wundert, dass der Mann immer verwundert zu uns hinter auf die Pressebank schaut. Mein Kollege weiß ja nicht, dass der Mann diverse Male nach dem öffentlichen Teil der Sitzung, wenn kurz noch Presse- und Parteienvertreter ein bisschen auf dem Gang tuscheln, zu mir kam und fragte: "Wir haben doch mal zusammen Müll gesammelt, stimmt's?"

Haben wir tatsächlich mal. Vor fünf Jahren. Da hatte die Partei hier eine große Müllsammelaktion organisiert, zogen behandschuhte Mitglieder durch den Stadtpark und stopften Kippen, Taschentücher, Flaschen und jede Menge anderes Gerümpel in große blaue Müllsäcke. Da ich meistens nicht einfach nur zusehen kann, hab ich auch damals kurzerhand mit angepackt. So kam es neulich, dass ich plötzlich Improvisation in einem Theaterkurs betrieb, über den ich nur schreiben wollte. Ich hoffe sehr, dass ich nicht eines Tages einem Arzt das Skalpell entreiße und kurzerhand (Ironie aus) einen Penis vergrößere, wenn ich eigentlich nur über plastische Chirurgie im örtlichen Krankenhaus schreiben will. Ergo: Ja, wir haben mal zusammen Müll gesammelt.

Hätten wir heute inoffiziell und nicht bei dieser K-Frage nebeneinander gesessen, hätte er den zarten Keim eines Gesprächs selbst in den Tod gequatscht. Denn heute hat er mich wohl ein für alle Mal erkannt. "Wir haben doch mal zusammen Müll gesammelt, stimmt's? Damals waren Sie noch richtig jung! Das ist schooooooon Jahre her!"

Dienstag, 17. März 2015

Explosion - Alarm, Alarm

Es ist scheinbar gelungen, rund 100 Menschen aus einem Altenheim an mir vorbei zu evakuieren. Und ich habe es nicht gemerkt, obwohl ich die ganze Zeit daneben stand. Das jedenfalls schreibt ein gemeinhin dem Boulevard zugeordnetes Medium online über einen Feuerwehreinsatz am vergangenen Freitag. 

Also das B-Medium schreibt natürlich nicht, dass ich es nicht gemerkt habe. Es schreibt eigentlich auch nicht direkt von einer Evakuierung. Aber es gibt Menschen, die interpretieren das Geschriebene so. Und dann sprechen sie mich als Verfasser eines anders lautenden Artikels darauf an und interpretieren ganz recht: Ich bin angepisst, tierisch genervt und übellaunig!

Kurz zusammengefasst: Vergangenen Freitag kam es zu einem Gefahrguteinsatz der hiesigen Feuerwehr in einem Altenheim. In der hauseigenen Wäscherei des mit knapp 100 Plätze Kapazität ausgestatteten Heims war ein Behälter mit einer Chemikalie umgekippt. Der Hausmeister wurde sicherheitshalber ins Krankenhaus gebracht. Zunächst wurde Peressigsäure vermutet, es stellte sich - so jedenfalls die Info nach Anfrage vor Ort - als Wasserstoffperoxid heraus. Ein paar Räume im direkten Umfeld der Wäscherei wurden vorsorglich geräumt, Feuerwehrkameraden in Schutzanzügen beseitigten die Chemie, die Bewohner konnten im Heim bleiben. So weit, so unspektakulär ... eigentlich. Ich verfasste einen etwas mehr Worte brauchenden Artikel dazu, der am Samstag veröffentlicht wurde. 

Ich schrieb unter anderem auch, dass während des mehrstündigen Einsatzes mehrfach Leute unverdrossen mitten durch die Einsatzstelle liefen. Unter anderem auch Anwohner der Heims, die auf einen Rollator angewiesen sind und mit Verweis auf ihre schwachen Beine angaben, sie wollen nach Hause - weshalb Polizei und Feuerwehr sie gewähren ließen. Das sah dann ungefähr so aus:


Ein ähnliches Bild gelang einem Fotografen, der sein Bildmaterial ans B-Medium vermittelte, wo die Kollegen - auch ich kann da jetzt freilich nur interpretieren - ihrerseits interpretierten, Bewohner hätten das Heim verlassen müssen: 

Bildausschnitt / Quelle: Foto TNN für bild.de

Tatsächlich handelt es sich hier ebenfalls um eine ältere Frau, die vom Einkauf kam und in ihre Wohnung nahe des Seniorenheims wollte, dafür aber einen Umweg um das Einsatzgeschehen herum nicht in Kauf nehmen wollte. Wo auf meinem Bild der Feuerwehrmann den Rollator über den Schlauch bugsierte, hilft hier ein Polizist.

Zunächst wies mich eine freundliche Sekretärin darauf hin, dass ich wohl was nicht richtig gemacht haben müsse, wenn die andere Zeitung davon schreibt, dass Senioren das Heim verlassen mussten. Ihr war jedoch schnell klar, dass ich das hätte bemerken müssen, wenn ich a) zwei Stunden den Einsatz vor Ort beobachte und b) anschließend mit dem Einsatzleiter spreche.

Als heute jedoch jener Dauer-Beschwerer in der Redaktion auftauchte, der als notorischer Gaffer zu jedem Fitzel etwas aus seiner Sicht Schlaues zu sagen hat, musste ich etwas unfreundlicher werden. Denn auch er meinte, mein Bericht sei falsch und "Lügenpresse", da eben darin von Evakuierung keine Rede sei - und das während das doch eindeutig bei den Kollegen vom anderen Medium stehe. 

"Ich war am Freitag vor Ort, über Stunden. Ich glaube nicht, dass es den Kameraden von der Feuerwehr gelungen ist, aus Spaß an der Freude mehrere Dutzend Menschen klammheimlich an mir vorbei zu evakuieren. Das hätte ich sehr wohl gesehen. Was ich nicht gesehen habe, war ein Kollege von der anderen Zeitung. Gesehen habe ich nur einen anderen Fotografen, dessen Bilder wohl weder Sie noch die Kollegen der anderen Zeitung richtig verstanden haben wollen!" Weil er dann nicht so richtig ruhig und vor allem weg sein wollte, ging der Disput zum Thema "Lügenpresse" noch ein wenig weiter ...

Wenn man interpretiert, was ich noch so gesagt habe, lautet die morgige Schlagzeile: "Jacobs Krönung explodiert" ...

Samstag, 7. März 2015

Darf man das?

Es ist bekanntlich mein Job, Fragen zu stellen. Ich stelle mir durchaus auch selbst Fragen, kleinerer und größerer Natur. Ich hinterfrage mich sogar selbst, komme dabei jedoch "nur" zu dem Schluss, dass ich die Liebe meines Lebens bin - womit ich vermutlich weiter als andere Menschen bin (,die sich lieber selbst bezweifeln als selbst lieben).

Gestern aber fragte ich mich, und diese Fragen sind selten bei mir: Darf man das? Darf ich das? Ist das erlaubt? Ist das okay? 

Grund war meine Anwesenheit beim Treffen des örtlichen Rolli-Clubs. Erst diese Woche hatte ich wieder einen großen Artikel über jenen in der Zeitung, weil die bisherige Vorsitzende ihr Amt auf- und an eine neue Mitstreiterin weitergibt - ein Doppelporträt über zwei tolle Frauen, ganz nach meinem Geschmack. Ich habe schon oft über den Club geschrieben, seine bisherige Vorsitzende schon vor einiger Zeit mal porträtiert (lest hier meine Erfahrung dazu). Entstanden ist über die Jahre eine sehr freundschaftliche Zusammenarbeit, mehr Freundschaft als Arbeit. Und das habe ich schon oft erlebt. Interviewpartner werden mehr, werden mindestens sehr gute Bekannte und dann Freunde - er hier zum Beispiel. Und so sammeln sich freundschaftlich gesinnte Kontakte im Rathaus, bei Polizei und Feuerwehr, in Unternehmen, Kanzleien, weiteren Vereinen, Parteien ... Leute, die zugleich "Informant" und "Intimus" sind ...

Ist es da noch okay, auch immer wieder drüber und speziell über diese Menschen zu schreiben? Kann ich da noch objektiv berichten? Kann man denn überhaupt so richtig objektiv sein? Nein! Man kann sich dessen nur bewusst sein, dass man es eben nie zu 100 Prozent ist ...

Andererseits: Wie hoch bitte ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Rolli-Club Müll im örtlichen Fluss verklappt und ich dann "gegen" ihn recherchieren müsste?

Gefährlicher wird es bei den Partei-"Freunden", Rathaus-Freunden und Unternehmer-Spezis. Wie hält man da den Laden sauber? Ist die Grenze scharf genug gezogen, indem ich ihnen gegenüber gerne gebetsmühlenartig wiederhole: "Wenn Ihr Scheiße baut, mache ich meinen Job und keinen Unterschied!"? Klappt es dann aber im Angesicht eines dampfenden Kackhaufens mit der Objektivität?

Noch bin ich nicht in diese Verlegenheiten gekommen. Aber es wird passieren. Da bin ich mir sicher. Ich werde vorbereitet sein. Oft hilft es ja schon, sich die richtigen Fragen zu stellen ...