Donnerstag, 28. November 2013

Mündliches

Aus meinen Paar-Problemen sind dieses Jahr ein paar Probleme geworden, indem ich Single wurde. Unter anderem scheint mein Chef - er könnte wahrlich mein Vater sein - nun bemüht, einen neuen Mann für mich zu finden. Er kommt zum Beispiel von Terminen und erzählt mir, wen er da in meinem Alter getroffen hat - und dass derjenige auch allein ist. Eines Tages werde ich dem Chef einfach sagen müssen, dass das zwar lieb gemeint aber sinnlos ist.

Mein Chef hat aber auch gesagt, dass ich richtig große Probleme mit ihm bekomme, wenn ich mit irgendeinem der vier männlichen Kollegen um die 30 ins Bett steigen sollte. So gratulierte mir mein Chef also sehr herzlich zu meiner Scheidung und schob sogleich folgende Warnung nach: "Ich schmeiße dich im hohen Bogen raus, wenn du mit einem von den Jungs vögelst!" - was wirklich kategorisch ausgeschlossen ist: Keine Sorge! Der eine ist glücklich verheiratet. Der andere hat eine Freundin, mit der ich übrigens auch befreundet bin, und eine Tochter. Der dritte und der vierte haben auch jeweils eine Freundin.

Was für pubertäres Gesindel um die 30 aber eine ideale Vorlage für hemmungslose Späße ist. Wer sich schon immer mal gefragt hat, was so in Redaktionen besprochen wird, der darf jetzt 1. rot werden, 2. die wahre Coolness meines Chefs bewundern, sich 3. fragen, warum ich eigentlich so eine coole Braut bin und 4. uns um all den derben Spaß beneiden, den wir uns jeden Tag machen:

Kandidat vier hat Geburtstag, tritt an den Single-Schreibtisch, knubbelt am Knopf seiner Hose rum und sagt: "Ich weiß ja, dass du rausfliegst, wenn wir vögeln. Aber zum Geburtstag könntest du mir ruhig mal einen blasen!"
Single (verschluckt sich sogleich am Tee und wird rot): "Ähm, da müsste ich mal eben den Chef fragen, ob das okay wäre oder ob das schon Vögelei ist!"
Single geht ins Büro vom Chef, der gerade telefoniert. Vier folgt. 
Chef (ins Telefon): "Äh, ich rufe Sie gleich zurück. Hier stehen gerade zwei Kollegen vor mir, die gucken komisch. Ich glaub die wollen heiraten oder so." 
Pause
Chef (wieder ins Telefon): "Nee, nicht zwei Homos. Einer davon ist schon eine Frau, denke ich. Ich muss das jetzt mal klären, die gucken wirklich so komisch."
Chef legt auf: "Ja, bitte?"
Single: "Du hast doch gesagt, dass du mich rauswirfst, wenn ich mit einem von den Jungs vögeln sollte..."
Chef (weit aufgerissene Augen): "Ja, das habe ich auch so gemeint."
Single: "Aber der vier hat ja heute Geburtstag und da wollten wir mal fragen, ob ich ihm da einen blasen dürfte so als Geschenk?"
Chef: "Ach so. Das ist ja nicht vögeln. Aber macht bitte leise."
Ende der Geschichte - es bleibt natürlich bei lustigen Verbalattacken dieser Art. Also wir finden das jedenfalls lustig, sexy Sexismus ist unser Ding. Aber es gilt noch immer: never fuck the company

Ich möchte hiermit aber mal kategorisch ausschließen, diesen Dialog jemals laut zu lesen. Der Rest dieses Blogs ist aber frei von meiner Zensur und darf gewünscht werden - es ist Euer Job!

Mittwoch, 27. November 2013

XXL

Journalisten haben auch Chronistenpflicht. Das heißt, mal verknappt ausgedrückt, dass wir als Journalisten das dokumentieren, was war, passiert und ist.

Die Chronistenpflicht meiner selbst führt nun zu diesem kleinen Post hier. Klein, weil mir vor Freude die vielen Worte fehlen, die ich sonst so mache. 

Ich habe heute mein erstes Autogramm gegeben! Und das bedeutet nicht nur etwas, weil es das erste Mal ist. Ich habe nämlich heute dem Feuerwehrmann ein Autogramm gegeben, dessen Geschichte das große Mädchen in mir zum Weinen gebracht hat. Und das kleine Mädchen in mir hüpft daher seit ein paar Stunden vor freudigem Stolz auf und ab.

Mal angenommen, dass ich irgendwann in meinem Leben noch einmal ein Autogramm geben sollte, wird dieser Tag immer ein Feiertag für das kleine und das große Mädchen bleiben, weil dieses Autogramm immer etwas ganz besonderes ist und bleibt in meiner Chronik.

Danke! Mehr haben weder das kleine noch das große Mädchen an Worten.

Dienstag, 26. November 2013

08/15 wäre so toll

Ich sehe mich heute leider zu diesen Fingerübungen hier gezwungen. Ihr müsst das gar nicht lesen. Ich muss das nur schreiben. Dann tauen meine Finger nämlich wieder auf. Meine üble Laune allein schafft das heute nicht, ich brauche einfach Bewegung. Ich hatte heute 17 Uhr einen Termin. Aha, mag der geneigte Leser nun die Augen rollen. Einen Termin zu haben, das ist ja nichts so außergewöhnliches an sich im journalistischen Leben. Ohne Termin keine Fingerübung für die Zeitung, also kein Artikel.

Aber: Dieser Termin war und ist die vollmundig angekündigte Inbetriebnahme eines in der Einladung als "Energie-Juwel" gepriesenen Solar-Mini-Kraftwerks, in Stellung gebracht vor dem "traumhaften" Ambiente eines alten Ritterguts. Zu Gast sollten "bundesweit angereiste Fachexperten" sein, um "modernste autarke Energieerzeugung" zu erleben nebst E-Autos mit "sensationellen" Reichweiten. Dieses Kraftwerk ist eigentlich auch nur ein Türmchen, an dessen Ende eine Fliesenwand wie im Baumarkt, nur eben aus Solar-Modulen, angebracht ist. Eigentlich sieht das Ding ein bisschen aus wie einer dieser Parabolspiegel irgendwo in der Wüste. Ist eigentlich auch sch...egal. Ich habe es nicht so mit Technik. Ich habe einfach nur schlechte Laune.

Denn: Bevor ich zu diesem Termin mit meinem kleinen Auto huschte, welches ich erst noch von Eis befreien musste (die Laune, die Laune!), schrieb ich zu diesem Zeitpunkt noch deutlich besser gelaunt eine XL-Mail, ich müsse nun zu einem dieser 08/15-Termine. Die Art Termin, die irgendwie immer gleich alle gleich langweilig sind: Rede wird gehalten, danach gibt es ein paar Schnittchen, bisschen noch mehr blabla und man kann wieder gehen.

Aber: alles ganz anders als 08/15. Die Inbetriebnahme dieses "Energie-Juwels" findet - natürlich - im Freien statt. Es reicht den Protagonisten aber nicht, mal symbolisch einen Stecker in die Steckdose zu wamsen. Nein! Es muss ja die ganz große Show sein. Bei Minusgraden. Im Freien. Wo es stockfinster ist. Das muss man dann einfach mal auf sich wirken lassen: Laser-Show. Klassische Musik. Nebelmaschine. Ich meine die Götterdämmerung von Wagner zu vernehmen - das kann aber auch Einbildung sein. Laser. Musik. Nebel. 15 Minuten lang. Dann wird der Solarspaß angemacht. Nebel pufft, der Laser schnellt gen Himmel. Dann Rede. Technische Details und Daten. Vortrag. Im Freien. Wo es stockfinster ist. Und kalt. Schon mal versucht im Dunkeln mit Eisfingern zu schreiben, wenn einem die Tinte im Kulli gefriert und alle um einen herum entweder Handschuhe* oder die Finger in den Hosen- und Manteltaschen tragen, weil es knirschkalt ist? Nein? Nicht? Klar! So eine Schwachsinnsidee hat ja auch sonst keiner!

Also: Der Mann, der auch die Presse eingeladen hat, macht jetzt aus seinem "Energie-Juwel" gleich noch einen "Energie-Diamanten". Und es ist ihm auch sehr wichtig zu sagen, dass man in ein komplettes Überwachungssystem investiert hat und man als Gast hier quasi vom Parkplatz bis zur Eingangstür des "traumhaften" Ambientes namens Rittergut komplett gefilmt wird - mit Nachtsichttechnik. Wenn ich die von Blindheit geschlagenen Kringel in meinem Notizbuch richtig deute, habe ich das so auch aufgeschrieben. Erst nach 40 Minuten in der Kälte begeben wir uns ins Innere des "traumhaften" Ambientes. Dort gibt es Glühwein zum Aufwärmen. Den man aber nicht trinken kann, wenn man mit dem Auto ist. Kein Tee, kein Kaffee. Alkohol. Und der Mann spricht wieder vom "Energie-Juwel" - in dem Raum sind 20 Leute und er hantiert dabei mit einem Mikro als wäre er Thomas Gottschalk vor ausverkaufter Stadthalle. Mir friert das Gesicht ein - ich wünsche mich in die Dunkelheit zurück und stehle mich davon.

Und: Wenn ich jetzt Glühwein im Haus hätte, würde ich mir diesen Termin nachträglich warm, hell und vollkommen 08/15 saufen!

Gemerkt? Mein Job ist manchmal nervig - Euer Job! hier ist besser. Sucht, was ich lesen soll und Ihr hören wollt. Danke!

* Ich hatte meine Handschuhe im Auto gelassen. Ich dachte nämlich, dass sie mir nur im Weg sind, wenn ich nach einem kurzen und sinnvollen (!!!) Moment draußen dann im warmen Gebäude mit Kamera, Notizbuch und Stift hantieren muss oder ich sie versehentlich an der Garderobe vergessen könnte. Oder so. Ja! Ich hab sie einfach vergessen. Schreibt sich aber auch blöd mit Handschuhen.

Samstag, 23. November 2013

Gute Zeilen, schlechte Zeilen

Es ist gar nicht so leicht, ein guter Journalist zu sein. Und das nicht, weil man eine ganze Menge können muss, um ein guter Journalist zu sein und neben Handwerkszeug auch noch ein bisschen Talent mitbringen muss. Man muss auch eine ganze große Menge Erwartungshaltung abkönnen. Die der Leser. Und, fast schlimmer noch, die eigene an sich selbst.

Ich habe gerade einen zirka 80 Zeilen langen Text für ein Anzeigenblättchen verfasst. Das bringt einem nämlich auch ein paar Euros, die man in Stromrechnungen, Tankrechnungen, die Krankenkasse oder aber Bücher und Schuhe investieren kann. Mir fällt die Entscheidung zwischen Buch und Schuh oft schwer

In diesem Falle habe ich den Lokaltermin, die Eröffnung eines Ladens der örtlichen Behindertenwerkstatt, gleich doppelt besetzt. Für die Zeitung, die mir monatlich eine Pauschale überweist. Für das Anzeigenblättchen, das mir Zeilen bezahlt. 

Wenn man als me, myself and I arbeitet, braucht man quasi die Fähigkeit, auch mal so weit neben sich zu stehen, dass man sich selbst dabei zuwinken kann - privat gelingt mir das recht häufig recht gut. Jobtechnisch muss man mit Kühlkopflastigkeit schauen, dass man genug Infos in den Block und genug Fotomotive in den Kasten bekommt. Man darf nämlich Texte und Bilder nicht doppelt verkaufen. Dann müssen sich die Leute auf dem Foto eben immer wieder anders hinstellen.

Anschließend schreibt man einfach zwei möglichst unterschiedliche Texte über ein und dieselbe Geschichte. Den ersten Text habe ich gestern abgeliefert und heute ist er in der Zeitung. Er ist ... na ja ... er ist okay. Mehr nicht. Aber beim Lesen des zweiten Textes fürs Anzeigenblättchen habe ich soeben leider festgestellt, dass ich den schon noch weniger okay finde. Das mit dem weniger okay kann aber auch daran liegen, dass ich zum großen Teil aus der Rede des Landrats zitiere, deren Ausdruck ich mir mit einem kurzen Tausendwattlächeln erschlichen habe. Aber fürs Blättchen möge es doch schon noch reichen?! Hm. Ein kleines Würmchen voller Eitelkeit, Erkenntnis und Erwartungshaltung krabbelt grad durch meinen Bauch. Lösung? Flugs ein Pseudonym verwendet und den Text fortgeschickt per Mail! Damit ist wenigstens die Erwartungshaltung ausgeknockt und das Würmchen läuft leiser.

Wobei kein Mensch - auch der nicht, der jeden Tag Texte produzieren muss - jeden Tag eigene und fremde Erwartungshaltung erfüllen kann! Ich gewinne da noch jeden Tag neue Erkenntnisse und Einbrüche: Auch dem guten Journalisten werden immer wieder gute und weniger gute Texte gelingen. Man hat ja gute und schlechte Tage, gute und schlechte Themen, gute und schlechte Ideen, gute und schlechte Gesprächspartner. Manchmal hangelt man sich mit einer Reihe von Kopfschuss-Wörtern zu einem Text, der als okay durchgeht. Wenn ein Termin oder Thema schon nur so "na ja" oder Schulterzucken ist ... wird auch der Artikel oft nur so "na ja" und ein Schulterzucken ... und man grummelt beim Lesen am Folgetag ein wenig über sich selbst.  Also ich mache das jedenfalls.

Aber manchmal - Selbstverteidigung - hat man einfach keine Lust noch die x-te Blutspende mit einem journalistischen Kleinod der kreativen Phrasendrescherei anzukündigen oder überhaupt der Zeitungsrandspalte (das ist da, wo oft dieses nette "red" steht) deutlich mehr Mühe als "Ich schreibe möglichst nach aktuellem Duden und ohne verdrehte Daten oder Uhrzeiten, mehr gibt es nicht zu erwarten" zu widmen. Manchmal macht man von 15 bis 100 Zeilen einfach nur grundsolide Arbeit - wenn man Glück hat, ist man gut genug, dass es nicht gleich auffällt, wenn man einen schlechten Tag oder ganze schlechte Zeiten hat. Oder man hat Glück und kann sich einen Decknamen oder das red geben (siehe oben).

Aber manchmal hat man so einen guten Tag, dass man sogar die Routinearbeiten in der schreiblangweiligen Randspalte mit viel Liebe und Hingabe und ein bisschen Witz erledigt. Zum Beispiel bei der Ankündigung, dass demnächst Militärmusiker in der Stadt aufspielen und Geld für einen guten Zweck gesammelt wird. Man kann dies hier als Einstieg schreiben: "Das Wehrbereichsmusikkorps ist am kommenden XY in XY zu Gast..." Oder man schreibt, dabei den militärverrückten Oberbürgermeister im Hinterkopf*, der die Meldung per klarer Ansage im Pressegespräch unbedingt in der Zeitung haben will: "Für den guten Zweck wird der Marsch geblasen..." Also ich fands irgendwie mal ganz nett ... Denn: Man kann ja auch aus kleinen Zeilen gute Zeilen machen!

Übrigens: Gestern ergab sich beim Kleinstädterausflug in die große Stadt ein spontaner Besuch mit Freunden in der MB in Leipzig. Da landet man ja gerne mal, wenn man hungrig und suchend durch die Stadt zieht. Ich bin jetzt sehr beruhigt. Der Raum, in dem "meine" Lesung beim durstigen Pegasus stattfindet, ist gerade klein genug, um eine große Anzahl Buh-Rufer auszuschließen. Also denkt dran, Ihr habt auch noch was zu tun - es ist Euer Job! Ich mach doch nicht die ganze Arbeit allein, ich muss ja schon schreiben und lesen und Ihr nur zuhören ... tzzzzzzzzzzzzzzzzzz

* Wörtlich genommen: Ich frage mich gerade, was dieser Mann wohl in meinem Hinterkopf erleben würde und wie es ihm (oder irgendeiner anderen Person) dort gefallen würde? Wahrscheinlich würde er irgendwann verstört bis (verstört) lachend über meine Zunge - das ist dort, wo ich mein Herz trage - wieder rausgekrabbelt kommen aus meinem Hinterkopf.

Mittwoch, 20. November 2013

Als morgen gestern heute war

Oder: Häh? 

 

Mein Beruf stürzt mich immer wieder in mir äußerst lästige Momente tiefer Verwirrung und Orientierungslosigkeit. Im Moment weiß ich nicht mit Sicherheit zu sagen, was für einen Wochentag wir haben. Ich schätze mal, dass es sich um einen Mittwoch und Feiertag handelt. Ich bin mir aber nicht so sicher*. Ich werde mal nachschauen müssen. Passiert mir heute nicht zum ersten Mal.

Weil: In meinem Job ist morgen heute gestern und übermorgen morgen und gestern vorgestern und heute schon gestern und vorbei bevor morgen überhaupt anfängt. Alles klar?

Mir auch nicht! Weil: Man sitzt als Journalist immer an irgendeinem Tag X da und schreibt über das, was heute ist für die morgige Ausgabe, dass es gestern ist. Da sagt dir also jemand heute, dass er heute die Patenschaft für ein Tiergartentier übernimmt und du bist schreibend schon längst in der Zukunft angelangt - und er sagte (Präteritum) es gestern (noch präteritumiger).

Oder man kündigt eine Veranstaltung, die morgen ist als heute an. Also: morgen ist es möglich, ein Theaterstück anzusehen und du tippst das Wort heute, weil du schreibend total futurama bist. Besser noch: heute für morgen schreiben, dass morgen etwas ist - das ist dann also übermorgen in Echtzeit. Dann bist du futuramiger. Noch besseriger: die Leser heute für morgen darauf hinweisen, dass übermorgen dieses und jenes ist. Futur-au.

Verwirrend kommen noch diese Sonntags- und Feiertagsdienste dazu. Das führt dazu, dass die Arbeitswoche manchmal nicht am Freitag endet oder am Montag startet - sondern einfach durchläuft. Was ist dann kommende und was diese Woche?

Und weil an Feiertagen keine Zeitungen erscheinen, arbeitet der Journalist nicht an dem Tag vor dem Feiertag - dafür aber am Feiertag selbst. Während viele andere Menschen (viele, nicht alle!) Zeit haben zu recherchieren, was für einen Wochentag wir eigentlich haben, lebst du als Journalist in der Gewissheit, dass ja heute schon morgen alles gestern und vorbei war.

Das ist eine der vielen Sachen, die uns zu Berufszynikern machen und vergessen lässt, welchen Tag wir eigentlich haben.

Bekannt dagegen ist, dass der 13. Januar ein Montag ist und Ihr eine Aufgabe habt - es ist Euer Job!

* Dass ich mir nicht sicher bin, liegt auch ein klitzkleinbisschen daran, dass ich bis heute von gestern an ins morgen getrunken und getanzt habe. Ich komme also nicht umhin mich zu fragen: Häh?

Sonntag, 17. November 2013

Euer Job!

Verrückt! Ich wurde gebeten, am 13. Januar 2014 ein bisschen was aus meinem Blog in Leipzig vorzulesen. Und zwar bei dieser schönen und spannenden Geschichte hier - Der durstige Pegasus, eine Leipziger Institution seit 30 Jahren. Der Autor und Gastgeber Norbert Marohn, das ist dieser hier, ist nämlich auf meinen Blog aufmerksam geworden und scheint Gefallen daran gefunden zu haben.  

Wie das? Dass er Gefallen an meinem Blog gefunden hat, ist natürlich selbsterklärend. Wie er auf mich kam? Das habe ich mal "recherchiert": Eigentlich ist mein Blog für eine recht exklusive Leserschaft bestimmt. Nur Leute, die es wirklichwirklichwirklich verdienen, haben von mir die Adresse bekommen. Aber den Blog zu schreiben, ermöglicht mir dieses nette Unternehmen namens Google. Und der Blog (der/die/das Blog, wie heißt es eigentlich richtig?) ist über die Suchmaschine auch auffindbar. 

Ach, dieses Internet findet einen doch überall ... auf alle Fälle ist ausgerechnet eine Kollegin von mir zufällig auf den Blog gestoßen - weil sie wahrscheinlich wie so viele nicht genau wusste, dass es sich Jakobsweg mit k schreibt, wenn dieser Selbstfindungsweg gemeint ist. Der andere Jacobsweg, also meiner, schreibt sich freilich mit c. Also hat sie mal ein bisschen was gelesen über Jacobs Wege. Die Kollegin ist aber auch nicht eine jener Kollegen, denen ich den Blog bewusst und etwas konfliktscheu vorenthalten habe, sondern meine erste Förderin. Also hat sie es verdient - wirklichwirklichwirklich. Und das meine ich nicht nur, weil ich jetzt weiß, dass sie mitlesen könnte - wirklichwirklichwirklich.

Die Kollegin war nämlich vor dem Wechsel zu unserer gemeinsamen Zeitung bei jenem Anzeigenblättchen beschäftigt, wo ich in der zehnten Klasse mein erstes Praktikum machte und sie hat mich damals endgültig davon überzeugt, dass ich Journalistin und sonst nix werde. Kurzum: eigentlich hätte ich der lieben Kollegin den Blog schon lange mal verraten sollen. 

Weiter im Text: Die Kollegin hat einen Mann, dem hat sie den Blog auch gezeigt. Der Mann hat einen Kumpel, der heißt Marohn. Und der suchte nach Bloggern, die beim Pegasus lesen könnten. Gefunden!

Der durstige Pegasus findet monatlich und immer montags 20 Uhr in der Moritzbastei im Café Schwalbennest statt. Der für Blogger ist am 13. Januar 2014. "Es werden dann drei BloggerInnen in ca. je einer halben Stunde ihre Texte vorstellen", hat mir der Herr Marohn heute gemailt (da fällt mir ein, dass ich mal darüber bloggen müsste, wie beknackt ich dieses Binnen-I eigentlich finde - BloggerInnen ... tzzzz, liebe LeutInnen). 

Auf jeden Fall findet der Herr Marohn, dass ich unbedingt den Post über dieses Telefonat mit einem Gemeinderat (Wir müssen nicht reden) lesen sollte, weil das echt lustig sei. Und er mag auch die Vorstellung, wie ich in einem Blumenladen nach einem Mann suche (Denken? Meist zu spät.) Also lese ich das am 13. Januar mal vor!

Ich selbst würde ja auch so einige Beiträge gerne lesen, die mir sehr viel bedeuten ... aber um mich geht es an dieser Stelle ja mal ausnahmsweise nicht. Daher finde ich, dass die Auswahl der zu lesenden Beiträge Euer Job ist! 

Also! Da Ihr schon meinem Blog folgt, könnt Ihr ja auch meinen Anweisungen folgen:
- Lest noch einmal Eure persönlichen Lieblingsposts und/oder überlegt, welche Einträge ich am 13. Januar vorlesen sollte.
- Zur Erleichterung habe ich in der rechten Randspalte die Suchfunktion eingebaut, damit Ihr schneller zu den Einträgen findet, an die Ihr Euch gerne und gut erinnert.
- Schreibt mir in die Kommentarfunktion zu diesem Post hier mit einer kurzen Titel- oder auch Inhaltsangabe, was ich am 13. Januar lesen soll. Das geht auch anonym. Und es erleichtert mir die Auswahl, weil ich dann alles gebündelt unter diesem Post hier habe.
- Da ich sicherlich bis zum Januar noch so ein, zwei, viele Posts verfassen werde, verlinke ich diesen hier immer wieder und Ihr könnt auch neuere Beiträge wünschen.
- Wenn Ihr mögt, kommt am 13. Januar zu "meiner Lesung", damit ich nicht so alleine bin. Ihr könnt gerne Unterwäsche auf die "Bühne" werfen. Aber bitte nur frisch gewaschene Unterwäsche, ich kriege sehr schnell Herpesbläschen. Ich bitte auch von Plakaten mit Sprüchen wie "Christine, ich will ein Kind von dir!" abzusehen, da ich diesen Wunsch nicht erfüllen kann und will! Und ich will auch nicht mit jedem von Euch ins Bett! Die Hälfte meiner Leserschaft ist immerhin Familie oder weiblich, also möchte ich das wirklich nicht - igitt!
- Zum Schluss: Seid Euch sicher, dass ich sehr glücklich bin, dass Ihr mich überhaupt lest!

Samstag, 16. November 2013

XL

Ich habe mir vorhin drei Exemplare meiner eigenen Zeitung gekauft. Eine davon schicke ich meinem großen Bruder, oben in der Ecke steht "Wichtigste Geschichte meiner Laufbahn". Die zweite hebe ich mir gut auf, so dass ich niemals vergessen werde, warum ich meinen Job liebe. Die dritte habe ich noch im Laden mit Knittern geschunden, weil ich ganz schnell rausfinden musste, ob meine Geschichte so geworden ist, wie ich es wollte.

Manchmal hat man als Journalist die großartige Chance eine Geschichte zu schreiben, die größer ist als man selbst - eine Geschichte XL. Erinnern wir uns an die Tage des Hochwassers 2013. Was da in meinen noch ganz amüsant zu lesenden Gedanken zum Juni 2013 nicht steht: in diesen Tagen ist ein Fahrzeug der Feuerwehr in ein Haus gekracht und einer der Feuerwehrmänner wurde so schwer verletzt, dass er fast gestorben wäre. Aber er lebt.

Vor ein paar Wochen war der Feuerwehrmann zu Gast im Stadtrat, weil die Ersatzbeschaffung des Fahrzeugs beschlossen wurde. Als der Oberbürgermeister ihn als jenen Schwerstverletzten outete, beschloss mein Chef: "Die Geschichte holen wir uns, kümmer dich!" Er ist der Chef. Also ging ich zu dem Feuerwehrmann und fragte ihn einem Überfall gleich, ob ich schreiben dürfte und er solle es sich doch überlegen. Ich habe ihm aber, glaube ich, gar keine Visitenkarte von mir gegeben. Grund? Der wurde mir erst ein paar Tage später klar: Ich wollte die Geschichte nicht. Ich wollte die Verantwortung nicht. Die große Verantwortung, dass mir jemand seine Geschichte erzählt und ich sie aufschreiben muss, in der Gefahr diesem Menschen dabei in irgendeiner Form nicht gerecht zu werden oder Schmerzen durch blöde Formulierungen zu bereiten. Ich hatte Angst.

Ein paar Wochen später klingelte mein Dienstapparat und es meldete sich der Feuerwehrmann, dass er die Geschichte mit mir machen wollen würde. Ich legte professionelle Distanz an den Tag und vereinbarte einen Termin mit ihm. Dann legte ich auf und sagte laut "Verdammte Scheiße, verdammt". Auf die Frage meines Kollegen erläuterte ich ihm, wer sich da gemeldet hatte und er sagte nur "Keine Angst, du schaffst das schon!"

Also saß ich eines Nachmittags mit dem Feuerwehrmann da. Er erzählte. Ich hörte zu. Er erzählte, ich beendete Sätze für ihn. Ich fragte. Er erzählte. Zwei Stunden, glaube ich. Ich weiß aber nicht mal, ob er mir all die Dinge, die ich später für ihn aufgeschrieben habe überhaupt richtig gesagt hat. Ich frage mich: Habe ich das alles wirklich gehört? Oder habe ich irgendwie aus seinem Gesicht gelesen?

Habe ich irgendwo in seinem Gesicht gelesen, dass er dankbar ist für all das Schöne in seinem Leben. Dass er fünf Minuten reanimiert werden musste und praktisch tot war - und wie sehr ihn das quält, dass er fast seine Familie im Stich gelassen hätte und gestorben wäre. Dass er sich immer wieder fragt, was wäre wenn? Dass er nicht nach Grund und Sinn dieses Unfalls fragt. Dass er nicht viel weiß vom Unfall. Dass er niemandem die Schuld gibt. Dass er Angst hat vor vielen Dingen. Dass er für seine Kinder sterben würde. Dass er nicht er selbst ist seit diesem Unfall. Dass er sich selbst manchmal ankotzt. Dass er den Unfall aufarbeiten will und gleichzeitig Angst hat, sich an den Unfall erinnern zu können. Dass er sich Hilfe suchen will. Dass er keine Schwäche empfindet, wenn er emotional wird. Dass er einfach Tränen ablassen muss. Habe ich das wirklich gehört?

Irgendwann habe ich das Gespräch praktisch abgewürgt. Ich habe so etwas Blödes wie "Ich hätte dann alles" gesagt und bin gegangen. Warum? Ganz einfach: In mir stieg das dringende Bedürfnis auf, zu weinen.

Aber: Nicht aus Mitleid mit ihm! Nicht aus Wut, wie ich es hier tat und wie ich es die vergangenen Jahren fast ausschließlich konnte - Wut, dass dieser Mist überhaupt passiert ist. Nicht weil ich sauer auf jemanden und verletzt und gekränkt war, so wie ich vor einigen Wochen mal tränenlos wutheulen musste. Ich hätte einfach nur noch richtig und mit offenen Schleusen heulen können, weil ich meine eigene Regel "Große Mädchen weinen nicht!" endlich auch mal brechen wollte. Ich wollte richtig weinen, weil ich erkannte, dass die große Tine-Show so nicht weitergehen muss. Ich war traurig, dass ich so lange nicht stark genug war, vermeintlich schwach zu sein. Ich wollte weinen über die ganze Scheiße, die mir passiert ist, auch wenn sie kleiner ist als die Scheiße, die ihm passiert ist - Arbeitsvertrag futsch, Prozess am Hals, Ehe gescheitert, mein Ex-Mann will mich am liebsten gar nicht mehr in seinem Leben scheint mir, auch sonst will mich niemand - und trotzdem funktioniere ich immer weiter. Auch ein großes Mädchen muss da mal weinen.

Aber wie sollte das gehen? Sagt man da: "Du, dir ist zwar die richtig große Scheiße passiert, aber nimm du doch mal mich in den Arm, weil ich fühle mich grad noch beschissener!"? Also habe ich mir selbst gesagt, that the Tine-Show must go on und bin gegangen.

Dann habe ich zu Hause gesessen und habe mir das Gespräch noch einmal durch den Kopf gehen lassen - und ich habe geweint. Aber so richtig. Und das tat gut. Aber so richtig.

Am nächsten Morgen bin ich ins Büro, habe den Rechner gestartet, eine CD eingelegt, die Kopfhörer aufgesetzt und habe seine Geschichte aufgeschrieben. 300 Zeilen in drei Stunden. Wie in Trance. Als wär das meine Geschichte. Ist es ja auch - irgendwie. Alles um mich herum und sogar die Musik in meinen Ohren habe ich nur noch so wahrgenommen als hielte ich meinen Kopf in der Badewanne unter Wasser - alles gedämpft, alles weit weg. Ich weiß nur noch, dass mein Kollege die anderen Kollegen nicht mehr ins Büro gelassen hat. Ich weiß auch, dass ich danach dachte, ich müsste mal eine Geschichte machen über falsche Werbeversprechen von wegen wasser- und tränenfeste Mascara.

Ich habe die 300 Zeilen ausgedruckt und einmal gelesen. Ich schäme mich heute sehr dafür, dass ich wieder wütend wurde und in dem Moment des ersten Lesens dachte "Wie kann einer, der so schreiben kann keinen festen Job haben?!" - wie kann man die Geschichte eines so schweren Unfalls und großartigen Menschen in Händen halten und denken, man selbst habe grad mal wieder das größte Problem von allen? Ist das widerlich? Ja! Ist es!

Ich habe dem Feuerwehrmann die Geschichte geschickt und ihm geschrieben, dass er mit seiner Geschichte was in mir, nämlich echte Tränen ausgelöst hat. Stunden später kündete mein Handy eine SMS an und - nennt es meinetwegen Kitsch, ist mir doch egal! - ich wusste ohne auf das Display zu sehen, dass er es ist. Er nannte die Geschichte "überwältigend". Gut. Endlich musste ich nicht mehr allein mit der Geschichte sein und schickte sie zwei Menschen. Unter anderem meinem kleinen Bruder, weil der derjenige war, an den ich voller Sorge und zuerst dachte als der Feuerwehrmann fragte "Was wäre, wenn ich tot bin?"

Wir hörten nichts voneinander. Der Feuerwehrmann schickte mir ein paar Tage später eine E-Mail, ob wir uns noch einmal treffen könnten. Jetzt bekam ich Angst, dass er den ganzen Text umgeschrieben haben möchte vor dem geplanten Erscheinen. Aber als ich zum Treffen kam und ihn sah, war mir plötzlich klar: Alles gut, da muss nix geändert werden. Er hat sich bedankt bei mir.

Ich habe das Layout für die Geschichte gebaut. Auf dem Korrekturausdruck stand in großen Lettern "KEINE Änderung ohne Absprache mit mir!!!" und ich habe peinlich genau kontrolliert, dass auch nix verändert wurde. Heute ist die Geschichte erschienen. Ich bin dankbar, dass ich sie schreiben durfte! Und genau wie in diesem Fall gilt, dass nicht mehr wichtig ist, was andere dazu sagen. Entscheidend ist: Wir, der Feuerwehrmann und ich, sind glücklich mit dem Ende unserer Geschichte.

Denn ich weiß gar nicht, wer hier eigentlich wem geholfen hat. Habe ich ihm geholfen, weil ich aufgeschrieben habe, was er nicht in Worte fassen kann? Hat er mir geholfen, weil ich endlich Gefühle mir selbst gegenüber gezeigt habe? Keine Ahnung!

Ich weiß nur: Ich hoffe sehr, dass ich den Feuerwehrmann eines Tages zufällig beim Bäcker oder im Supermarkt treffe und er mir auf den Kopf zu sagen kann, dass er wieder ganz er selbst und mit sich und seiner Geschichte im Reinen ist. Ich wünsche mir, dass er im besten Sinne ab sofort ein Leben ohne besondere Vorkommnisse führen wird. Ein ganz normales Leben!

Sonntag, 3. November 2013

Denken? Meist zu spät.

Nicht immer halte ich die korrekte Reihenfolge von Denken und Reden ein. Wobei ich mir nicht sicher bin, was eigentlich die korrekte Reihenfolge ist.
Erst denken und dann den Mund aufmachen? 
Erst denken und dann handeln?*
Aber manchmal wäre es schon nicht so schlecht, wenn ich mal eine andere Reihenfolge beherzigen würde:

Auftrag: Umfrage (die ich ja bekanntlich sooooooo liebe - steht hier) machen. Es fehlt noch eine "männliche Stimme" für die morgige Ausgabe, wie der Chef sagt und dass es schnell gehen müsse, er wolle in 20 Minuten weg, also zackzack. Kamera, Stift, Block geschnappt und auf die Straße. Und? Weit und breit kein Mann in Sicht. Keiner! Kein einziger. Kurzentschlossen in den Blumenladen geflitzt - was schon wieder eine gewisse Naivität offenbart, denn eigentlich ist das ja fast der letzte Ort, an dem man zielgerichtet nach Männern suchen sollte, wenn nicht grad der Valentinstag naht ... und raus mit der Sprache: 
"Hallo, ich bin bei der Zeitung! Ich brauche einen Mann. Ganz schnell. Irgendeinen. Egal was für einen. Ich brauche nur einen Mann. Schnell."
Ich bekam einen 14-Jährigen. Das geht als Erfüllung des Auftrags gerade noch durch, alles Weitere wäre strafbar gewesen. Oder anderweitig lästig.

Unterhaltung mit dem evangelischen Pfarrer so über dies und das, Gott und die Welt, auch noch via facebook, weil wir sind ja ultramodern und vernetzt ... und raus mit der Sprache:
"Sie haben es ja auch nicht leicht. Immer wenn die Katholen Mist bauen, ist das ja auch schlecht für Ihr Image. Und die bauen ja oft Mist, die Katholen, ne?! Echt. Mit Ihnen würde ich nicht tauschen wollen. Ist ja auch oft einfach kalt in der Kirche und dann jeden Sonntag arbeiten!?"
Na ja. Ich hoffe, dass auch der Kirchenmann in Klischees denkt und sich schlicht dachte, ich hätte gesoffen, weil ja alle Journalisten ein bisschen bis mindestens so alkoholisch sind wie Horst Schlämmer.

Nach der Feststellung, dass ich (viele, aber definitiv keine Figurprobleme) und der Lokalpolitiker (offensichtlich definitiv ein Gewichtsproblem) zur selben Ärztin gehen, die immer gewichtsfixiert ist ... einfach raus mit der Sprache:
"Sagt Sie Ihnen auch, dass Sie abnehmen sollen?"
Er hat es zugegeben.

* Da kenne ich so einige, die das immer beherzigen - und die sind auch ... jedenfalls nicht glücklicher. Denn viele Leute denken ja zu viel. Sie denken zum Beispiel darüber nach, was denn die Leute denken könnten, wenn sie dies oder jenes täten ... dieses oder jenes ließen ... mit dieser oder jener Person ... und viele denken dabei so viel, dass sie ihren eigenen Bauch und sein Gefühl schon nicht mehr hören vor lauter Denkerei über das, was andere denken ...