Dienstag, 22. Januar 2013

Eine Frage der Moral

Einfach gehen. Einfach verschwinden. Einfach vollendete Tatsachen schaffen. Einfach eine Lücke lassen. Während der andere gar nicht da ist. Es gar nicht merken kann ... Ist es statthaft nach zwei Jahren so eine Bürobeziehung zu beenden? Ich habe es getan ...

Zwei Jahre lang teilte ich mit einer nicht immer einfachen, vielleicht aber doch dank der Macht der Gewohnheit und mangels Alternativen von mir lieb gewonnenen Kollegin das Büro. Eine ewige Achterbahn. Wir zickten uns nicht selten an, weil die Welten junger und älterer Frauen aufeinanderprallten. Das Zunderpotenzial konnte auch mal die Frage sein, ob wir uns beim Heizen des Büros an ihr oder an mir und meinen ewig kalten Füßen orientieren. Friede, Freude und Frauenkrams ... brachten wir uns - wir beide verabscheuen den bitteren und billigen Filterkaffee in der Redaktion - schon wenig später gegenseitig gerne Milchkaffee, Latte macchiato und andere Späße to go vom nahen Bäcker mit. Sie wusste immer, wie viel Zucker mein Kaffee braucht und dass ich Schokolade nicht ausstehen kann. 

Dann kam mein Arbeitsehemann auf Ideen ... Sein Bürokollege könne ja aus- und ich einziehen. Die Motoren und Antriebsfedern des Teams müssten in einem Büro sitzen, sagte er. Und fand den Kommentar, ich würde uns ja eher für Motor und Maschinenraum halten jetzt nicht so witzig. Trotzdem wollten wir die Idee zur Tatsache machen. Der andere Kollege kam eines Tages plötzlich selbst auf den Gedanken, in ein anderes Büro zu ziehen, weil er nicht mehr beim anderen sein wollte. Und schuf binnen weniger Stunden Tatsachen.

Heute habe ich nun meine Sachen gepackt und umgeräumt, habe fröhlich Kisten treppauf geschleppt - mein neues Büro ermöglicht mir schließlich den kleinen Triumph des gefühlten Aufstiegs. Notizbücher, Unterlagen, PC und Duden wechselten mit mir die Etage. Es machte Laune und fühlte sich nach Freiheit an. Der Kollege dagegen konnte sein unbändiges Staunen über all den Mädchenkram kaum verbergen und hatte einen kurzen Moment Panik und Zweifel an seiner Idee im Blick, als ich Handcreme, Lippenpflegestift und auch noch Parfum ins Büro purzeln ließ. Er wird es überstehen.

Wenn die Kollegin jetzt aber in Kürze wieder auf Arbeit kommt, wird sie ein verwaistes Büro vorfinden, wo sonst schon immer ich bei der Morgenlektüre saß. Ich werde ihr wohl doch noch einen Zettel "Ich bin weg" hinlegen. Und ihr einen Milchkaffee mitbringen.

UPDATE: Die Kollegin ist getroffen. Erklärungen wurden nötig. Es rettete der schöne Satz "Es liegt nicht an dir."

Zusammenfassung für meinen Mann: Ich habe ein neues Büro.

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