Sonntag, 25. November 2012

Wer recherchiert, verliert

Bequemlichkeit ist Trumpf. Wer seine Ruhe haben will, der sollte Ruhe bewahren. Der Aufforderung "Das schreiben Sie aber nicht!" ist dafür unbedingt Folge zu leisten. Anders gesagt: Fragen Sie nur, was von Ihnen erwartet wird. Schreiben Sie nur, was Ihnen gesagt wird. Hinterfragen Sie nicht, was Ihnen gesagt wird. Sehen Sie sich nur an, was Ihnen gezeigt wird. Schauen Sie nicht genau hin. Dann wird alles gut. Auch der Journalismus, wie ihn viele gerne hätten. Ruhig. Kuschlig. Unkritisch. Diktiert.*

Gerade im Lokalen, wo man gerne eine betont langjährige und gute Zusammenarbeit zwischen Amts- und Würdenträgern und der Redaktion als verlängertem Amtsblatt pflegt, wird schon als stachlig empfunden, was eigentlich nur handelsüblich und ein bisschen lehrbuchhafter Journalismus ist. Es ist die Macht der Gewohnheit von Lesern und manchmal auch Machern. Scheint die Schonzeit vorbei, reagieren Leser schonungslos enttäuscht. Ein bisschen mehr Kindergarten-Flauschigkeit, gute Laune und A sieht es so, B gibt es gar nicht ... darf es da schon sein. So kam eines Tages eine ältere Dame in unsere Redaktion und schlussfolgerte, die Stadt werde absichtlich von bestimmten Kollegen schlecht geschrieben - und in dem kostenlos in den Briefkasten flatternden Anzeigenblättchen sei deutlich weniger schlechte Laune drin als in den Berichten unseres Blattes über kaputte Haushalte, Sparmaßnahmen in Tiergärten, der Flachserei über Politiker oder den angreifenden Kommentaren mit Majestätsbeleidigungen wie dem Vorwurf der Phrasendrescherei gegenüber dem Stadtoberhaupt. Bürgermeister zuweilen fordern gerne mal zu Lokalpatriotismus auf, um nicht schon wieder "Das schreiben Sie aber nicht!" oder "Schreiben Sie das mal lieber auf!" zu sagen. Hauptsache, alles bleibt beim Alten oder im Verborgenen.

Wer mehr oder was anders macht, macht sich nicht eben beliebt oder wird von ein paar wenigen Fans auf einen Sockel gehoben, den er eigentlich nicht verdient, weil er seinen Job macht. So kann es aber schon einmal vorkommen, dass sich ein ganzer Gemeinderat (rund 20 Mann) mit scharf zusammengezogenen und eindringlichen Augenbrauen zu einem umdreht, wenn der Bürgermeister "Das schreiben Sie aber nicht!" sagt. Dann kann es schon einmal passieren, dass die Augen gerollt werden, wenn man des Weges kommt. Gerade für langgediente Kollegen, die wie unsereins in der eigenen Heimatstadt journalistisch arbeiten, ist das unangenehm. Als ruhestörend wird schon empfunden, wenn der Nachbar die Meinung nicht immer teilt und am Gartenzaun vielleicht mal nicht nur übers Wetter gesprochen werden kann, sondern der eigene Zeitungskommmentar zu rechtfertigen wäre. Reportage über einen Swingerclub im Landkreis schreiben? Nein! Dann wissen doch die Nachbarn, dass man dort war, wenn auch rein beruflicher Natur. Blumentöpfe zu gewinnen, sollte aber nicht (immer) das Maß der Dinge sein.

* Frauen sollen in den Augen vieler wohl auch besser noch so sein.

Zusammenfassung für meinen Mann: No risk, no funich bitte daher um Verständnis; und ich fand den Swingerclub damals eine sehr spannende Story, alle anderen Geschichten auch.

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