Sonntag, 3. März 2013

Kleine Fluchten

Der Sonntag gehört der Familie. Wie blöd! Wer sonntags regelmäßig für sich und seine Ruhe haben möchte, der wird einfach Printjournalist. Dann hat er regelmäßig Sonntagsdienst, um die Lokalzeitung für Montag zu produzieren ... und er hat seine Ruhe. Zeitgleich haben ein bis zwei weitere Kollegen Sonntagsdienst ... und ihre Ruhe. Denn: Sonntags stirbt jeder für sich allein. So sitzt jeder einzeln vor ein bis zwei blitzeblanken Zeitungsseiten, die gefüllt werden müssen. Sonntags in der Redaktion ist ungefähr so:


Und genau das ist super! Mal abgesehen davon, dass gelegentlich mal ein Kollege seine Bürotür öffnet, um sich einen Kaffee zu holen und dann wieder hinterm Schreibtisch zu verschwinden, herrscht absolute Ruhe. Kaum ein Mensch ruft sonntags bei einer Zeitungsredaktion an. Kaum ein Mensch betritt sonntags eine Zeitungsredaktion. 

Sonntags ist Ruhe! Ideale Bedingungen für ein wenig mehr Spaß im Büro:

Sonntags fängt der Journalist möglichst zeitig an, er will es ja auskosten. Wenn er die heimischen vier Wände verlässt, setzt er sich selbstverständlich noch ein halbwegs bedauerndes Gesicht auf, winkt der Familie und hüpft dann pfeifend ins Auto. In der Redaktion nutzt der Journalist die Abwesenheit des direkten Büronachbarn durch intensive musikalische Bürobeschallung - am besten Hip-Hop, Reggae oder Dancehall (irgendwas tanzbares halt) und am besten laut.

Sonntags ist der Journalist meist allein mit sich und der Seite, kann vielleicht auf Zuarbeiten freier Mitarbeiter hoffen. Ansonsten schafft es der Sonntagsdiener vielleicht noch dem Kollegen einen 60-Zeiler aus dem Kreuz zu leiern ... der Rest der blitzeblanken Seite gehört ihm ganz allein. Heißt: 300 bis 400 Zeilen dürfen/müssen/sollen da aus der eigenen Feder drauf. Es quatscht aber auch keiner rein! 

Also nutzt der Sonntagsdiener all jene Themen, Layout-Variationen, Überschriften und Formulierungen, die er schon immer mal machen wollte und pfeift auf die Kritik am Montag darauf. Zum Mittag gibt es sonntags meist Fast Food, das obendrein am PC verspeist wird. Der Journalist macht sich einen Spaß daraus. Hat er die Seite fertig bleibt der Sonntagsdiener noch ein bisschen länger in der Redaktion und macht so Sachen, die ihm die  Auszeit verlängern ... Schränke aufräumen, Unterlagen sortieren, Notizen ordnen, Bürowände mit Kalendern und Pinnwänden verzieren ... wenn nix mehr geht, steigt er wieder ins Auto und fährt heim zur Familie. Dafür setzt er sich natürlich ein erfreutes Gesicht auf. 

Zusammenfassung für meinen Mann: Dass ich aus einer großen Familie stamme, das heißt nicht automatisch, dass ich auch ein Familienmensch bin.

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