Donnerstag, 30. August 2012

Die Wahrheit über den Ponyhof ...

oder wie der Kugelige platzt


Wenn man davon träumt, als Journalist zu arbeiten (jeden Tag neue Leute treffen, beim Milchkaffee in aller Ruhe mit spannenden Menschen reden, hinter Kulissen blicken, tolle Geschichten auftun), sagt man einfach, man wolle was mit Medien  machen. 
Alle Jungen, alle Mädchen
Woll'n auf dem schnellsten Wege zu den Medien
Ja, wer was auf sich hält in diesem Land
Geht nach Berlin und wird berühmter Praktikant
Und so ergattert sich jeder einen Sitz
Auf der großen Milchkaffee-Rampe ins Nichts
Ich sag: Hab Talent, 'n dickes Fell und hab Geduld
Jan Delay, Showgeschäft
Medien. Journalismus. Um dort zu landen, kann man verschiedene Wege einschlagen. Man könnte erst einmal direkt Journalistik studieren. Oder was anderes und dann ein Volontariat oder den Besuch einer Journalistenschule dranhängen. Das war mein Plan. Mein Magisterzeugnis hatte ich in Regelstudienzeit und noch vor meinem 23. Geburtstag in der Tasche - eine Woche vorher, um genau zu sein, aber es kommt ganz gut, das von sich behaupten zu können. Ich ging auf Suche nach einem Volontariat. Kam aber entweder zu spät oder überzeugte einfach nicht. Wie, zum Beispiel, bei einem Vorstellungsgespräch für einen großen Verlag mit Sitz in Hamburg, der diverse Zeitschriften vom Jugend- über Frauen- bis zu Automagazinen herausgibt, seine angehenden Journalisten teuer und vielfältig ausbildet. Mir gegenüber saß die klassische Personalerin, es war kein Bewerbungsgespräch - es war psychologisch geschicktes Durchleuchten meiner Person. Und sie befand, dass mir "einfach noch Erfahrungen" fehlen würden. Also weiter Praktika schrubben, frei arbeiten, damit Berufs- und Lebenserfahrung sammeln?
Es ist Zeit für die Wahrheit: Ich bin ein ungeduldiger Mensch und daher schnell frustriert, desillusioniert ... entschied mich fürs Zweitstudium für den neu eingeführten Master in Journalistik. Mir war natürlich schon klar, dass das eben auch ein theoretisches Studium und kein Volontariat oder eine Journalistenschule ist, ein wenig Schliff erwartete ich mir dennoch. Die Aufnahmeprüfung war ein verheißungsvoller Mix aus Wissenstest und Probearbeiten wie dem Schreiben eines Kommentars. Wer diese Hürde genommen hatte, durfte eine Runde weiter zu den Gesprächen in Gruppen, wo wir wieder unsere Eignung nachweisen und erklären sollten, warum wir Journalist werden wollen.  Große Neugier, Lust am Schreiben, der Wunsch etwas zu bewegen in dieser Welt, und sei es nur die Frau am Frühstückstisch, die sich zu ihrem Mann dreht und ihm einen Artikel empfiehlt - das waren und bleiben meine Antworten. Am Ende zählte ich von den gut 50 Angetretenen zu den knapp 20 Auserwählten, die ihr Studium beginnen durften.

Ich kannte die Sache mit den Eifelturm der Wissenschaften, dass es aber derart praxisfern zugehen würde, das schockierte mich dann doch. Ich war frustriert, desillusioniert. So sehr, dass ich mir schon nach den ersten zehn Tagen selbst eingestehen musste, dass ich mich selbst eigentlich nur in diesem zweiten Studium geparkt hatte. Keine gute Voraussetzung, trotzdem wuppte ich drei Semester - Durchhaltevermögen kann Segen und Fluch sein. Ich absolvierte brav die Prüfungen, schrieb mal wieder Hausarbeiten. Und versuchte, übrigens sehr erfolgreich, nicht wie wild zu schreien, wenn ein Prof der ganzen Runde erklärte, was denn so die Anforderungen des wissenschaftlichen Arbeitens sind. Im Geiste sah ich mich dann immer über meiner Magisterarbeit zur Darstellung von Flucht und Vertreibung in der deutschen Gegenwartsliteratur sitzen und fragte mich, warum er die Sache mit den korrekten Literaturverweisen noch einmal vom Urschleim her aufzog. Die mit Bachelor ausgestatteten Studenten um mich herum nervten mich eigentlich nur. Die Professoren eben fast noch mehr. Einer war ganz besonders schlau und riet immer wieder gebetsmühlenartig, doch jeden Text erst einmal zur Seite zu legen und eine Nacht darüber zu schlafen, damit er richtig gut wird. Aus der Gebetsmühle wurde von Seminar zu Seminar immer mehr Dogma. Artikel schreiben und darüber schlafen. Ponyhof! Ist! Nicht! Das funktioniert in der Praxis, in der Regel, nicht! Bei jedem seiner Vorträge tauchte in meinem Kopf der kleine Comic auf, in dem ein kugelköpfiges Männchen mit Notizblock in Funktion eines Redakteurs einem beschlipsten kugelbäuchigen Männchen in Funktion des Chefs irgendeiner Tageszeitungsredaktion irgendwo in Deutschland sagte, er gehe jetzt nach zirka dreistündiger Fummelei an wirklich jeder seiner Formulierungen heim und lasse den Text erst einmal liegen. Übermorgen könne der Bericht über den Überfall auf die Tankstelle/die Eröffnung der neuen Schule/die neue Ausstellung im Heimatmuseum dann aber schon erscheinen. Der Kugelbäuchige wurde dann immer erst rot, dann noch kugeliger und kugeliger und kugeliger. Dann platzte er. Ich konnte ihn gut verstehen.

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