Sonntag, 5. Oktober 2014

Schublade

Ich erweitere gerade meinen Horizont und sammle Erfahrungen, wie ich künftig Menschen noch leichter in meinen Schubladen verstauen kann. Der geneigte Leser erinnert sich vielleicht, dass ich gerade mal nicht hauptamtlich Tageszeitungsjournalist bin. Ich übernehme als Elternzeitvertretung den Dienst bei einem Anzeigenblatt - wieso, weshalb, warum steht hier. Man könnte also beim Blick auf meinen Lebenslauf sagen, dass ich nun bis auf TV wirklich alles schon gemacht habe, was so Journalismus genannt wird.

Und ich stelle nach diversen Stationen fest: Ganz egal, ob nun Journalist bei einer Tageszeitung, bei einem Anzeigenblatt oder einem Rundfunksender - der Journalist ist hier wie dort ein ganz bestimmter Typ Mensch. Auch an meinen neuen und leider - ich hab sie schon gern wegen der Wellenlänge und so - nur zeitweisen Kollegen fällt auf: Der Journalist an sich ist vom Wesen her zunächst erstmal eher mufflig und nicht leicht zu begeistern. Im besten Sinne. Journalisten sind ja nun einmal Leute, die grundsätzlich die Dinge hinterfragen soll(t)en und schon (zu) viel gesehen und erlebt haben. Wer die Wahrheit finden will, muss die Lüge erkennen. Der Journalist wittert überall kleine und große Lügen. Das hinterlässt Spuren. Also wird alles mit einem Spruch garniert, der mindestens ironisch und in der Regel sarkastisch bis zynisch ist - das soll unseren Abstand zu einer Sache und Objektivität belegen. Wobei natürlich Muffligkeit aus Prinzip schon wieder sehr subjektiv ist. Das ewig gut gelaunte Dasein, wie es ja oft mit einer gewissen Naivität einhergeht, und die schnelle Begeisterung, die noch dazu mit Worten wie "prima" ausgedrückt wird, ist dem echten Journalisten eigentlich fremd. Wobei ... ich kenne sogar eine "Journalistin", die zeichnet sich durch genau solch eine ewig gute Laune aus... 

Und es fällt auf: Journalisten haben tatsächlich einen bestimmten Look. Zumindest die "älteren" Journalisten, die mindestens 1984 auf die Welt kamen - ich beschrieb es hier bereits. Auch meine neuen Kolleginnen schätzen Umhängetaschen mehr als alles andere, sammeln Kugelschreiber darin, halten 3,2 cm bereits für einen Absatz am Schuh und kommen mit Jeans statt Kleidchen bestens durchs Leben. Alles andere, was im weitesten Sinne bei einer Zeitung, einem Anzeigenblatt oder einem Rundfunksender arbeitet - vom Azubi über den Kaufmann oder Berater bis zur Sekretärin - sieht irgendwie ganz anders aus. Ich meine, dass ich auf jedem Zeitungs-, Anzeigenblatt- oder Rundfunksenderflur erkennen würde, wer dort als Redakteur arbeitet und wer was anderes ist. Wegen der Schublade...

Andere haben nämlich auch einen unnachahmlichen Look. Jenen, dem man gerne den Stempel "gepflegt" aufdrückt. Wobei ein Mensch, der nicht danach aussieht als würde er seine Abende in einem Wohnzimmer verbringen, das aussieht als wäre es direkt der Ausstellungsfläche eines Möbelhauses im mittleren Preissegment entsprungen, ja nicht gleich ungepflegt ist – sondern nur andere Hobbys pflegt als RTL schauen und an besonders prickelnden Abenden dazu mal noch einen Sekt zu trinken. Man ist ja auch nicht gleich ungepflegt, wenn man eine Frisur hat, die morgens nicht zwangsweise geföhnt oder mit an künstlerischer Begabung grenzender Geschicklichkeit gesteckt werden muss. Nägel aus Kunststoff allein machen ja auch noch keinen echten Menschen. Make-up, das aussieht als wolle man gleich in die Oper oder in einer mitspielen, lässt einen ja nicht das Gesicht wahren. Rückgrat bekommt man nicht durch Schulterpolster. Man muss keine Duftwolke aus Haarspray und Parfum nach sich ziehen, um seine Marken zu setzen. Und bloß weil man beim Gehen kein klackerndes Geräusch macht, heißt das, dass man auf der Stelle tritt.

Wer so aussieht, kann kein Journalist sein ...da würde ja die Schublade sperren ...

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