Dienstag, 19. April 2016

Warum ich nicht schreibe

Kluge Köpfe meinen, dass Journalismus Literatur in Eile wäre und Journalisten bloß verhinderte Schriftsteller seien. Einige Journalisten haben das ja schon bewiesen, indem sie das Fachgebiet wechselten. Das ist mir lieber als jene Journalisten, die plötzlich Regierungssprecher werden und jetzt die alten Kollegen triezen. So lag die Frage einer befreundeten Echt-Schriftstellerin wohl nahe, ob bei mir nicht auch der Wunsch zum Schreiben bestehe ... ich hatte nicht sofort eine Antwort parat.

Es mangelt mir nicht an Selbstbewusstsein - im Sinne von sich selbst bewusst sein. Und eigentlich mag ich den Begriff "Powerfrau" auch nicht sonderlich. Doch was soll ich machen ... Angesichts dieser Powerfrau war ich für ein bis zwei Momente eingeschüchtert. Sie schreibt Romane. Richtig gut gemachte unterhaltende Romane mit Krimi-Einschlägen, die über das vorhersehbare Happy-End-Gehasche üblicher Frauenliteratur hinausgehen. Sie hat einige davon fertig in Gedanken, Gedanken-Schubladen und echten Schubladen. Sie hat immer wieder neue Ideen. Das Lesen eines unveröffentlichten Manuskripts hat mich als sonst nur überzeugten TV-Täter sogar zum Krimileser gemacht. Sie hat es mit ihrem Debüt im vergangenen Sommer weit nach oben in der Bestsellerliste geschafft - verdientermaßen. Ihr zweiter Roman kommt in knapp zwei Monaten in den Handel. 

So weit würde ich es nicht bringen. Warum? Weil ich Selbstbewusstsein habe. Den guten Journalisten und den guten Schriftsteller eint, dass gute Schreibe allein nicht reicht. Zu diesem Handwerkszeug sollten sich Fähigkeiten wie Recherche, Beobachtungsgabe, Gespür, Gefühl und noch einiges mehr gesellen. Ein Getriebensein noch dazu. Der innere Drang, den sie als Schriftstellerin spürt, wenn sie eine Geschichte unbedingt aufschreiben und erzählen muss, den verspüre ich - bislang - nur im Journalistischen. Oft muss ich eine Story einfach machen - so zwanghaft, dass ich schreibe wie wild und an nicht viel anderes denke, viel dafür opfere. Betrachte ich die Welt um mich herum, sehe ich darin und auch in vielen Menschen "bloß" potenzielle Zeitungsgeschichten.

Und wenn ich mal schriftstellerische Ideen habe, kommen diese für meinen durch einen Magister in Literaturwissenschaft geprägten Geschmack nicht weit genug von der Realität und vor allem meiner selbst weg. Es geht doch um Dichtung und Wahrheit ... Ich habe mir als Teenager die Geschichte meiner Familie angesehen, ein Haufen Leben zwischen Weltkriegen und Weltgeschichte und ich erkannte Potenzial - für einen großen Roman dem Laden von Strittmatter nahe (Teenager eben). Ich schaue mir mein eigenes Leben an und ich entdecke Potenzial - für einen Film, der reichlich euphemistisch ins Genre "Romantische Komödie" einsortiert würde und Dienstag bei Sat1 liefe. Das ist alles ziemlich egozentrisch. Wann kommt da die Dichtung zur Wahrheit ins Spiel? Und nichts dabei treibt mich so an, dass ich das unbedingt aufschreiben muss. Dabei weiß ich um mein Handwerkszeug und mein Talent. Ich weiß, was ich kann. Also lasse ich das Schriftstellern.

Der neue Roman meiner Schriftsteller-Freundin wird mit vier Seiten im Verlagsprogramm beworben und einem eigenen Aufsteller für die Buchhandlungen. Darüber freut sie sich riesig, das macht sie stolz. Diese Werbung beinhaltet einen ganzen Abschnitt von mir aus einer Rezension über ihr Debüt. Darüber freue ich mich riesig, das macht mich stolz. Ich bin eben ein guter Journalist. Ich habe Selbstbewusstsein.

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