Sonntag, 1. Februar 2015

Eingegroovt

Es war einmal ...

Früher war mein lokaljournalistischer Alltag unter anderem dadurch geprägt, dass ich jede Menge Verantwortung auch für die weiteren wichtigen Aspekte der Zeitungsmacherei abseits des Schreibens hatte. Layouten, fotografieren, planen, organisieren, etc. und noch viel mehr - ich war ein Allesmacher. Und das fand ich nicht mal immer gut - lest hier.

Es ist aber auch so ...

Ich bin eine Frau. Und ich will als solche natürlich immer das, was ich nicht haben kann. Und dann werde ich mürrisch. 

In der Zeit, in der ich bei einem Anzeigenblatt Dienst tat und schnell merkte, was ich wirklich will (siehe hier), wurde die Blattstruktur der Lokalzeitung umgestellt. Grob umrissen: Der Redaktionsleiter sitzt jetzt nicht mehr mit in der Kleinstadt, sondern an einem Lokaldesk. Von dort aus wird gesteuert und die Zeitung gemacht. Das heißt: Das Allesmachen kann ich mir nun klemmen. Ich schreibe "nur" noch, biete meine Geschichten an und liefere sie ab - ob von einem Schreibtisch in der Redaktion, meinem heimischen Schreibtisch oder der Couch aus, das ist letztlich wurscht ... Hauptsache, es wird geliefert. 
Auch die tägliche Mittagsblattkritik vor Ort gibt es nicht mehr - das fehlt mir manchmal. Dafür gibt es Themenkonferenzen, in denen wir "Reporter" in großer Runde unsere Ideen durchsprechen - das bereichert mich enorm.
Insgesamt ist die Freiheit als reiner Reporter also gewachsen. Kommen und Gehen? Wie es mir gefällt. Und das ist nur ein Beispiel. Dafür fallen andere Annehmlichkeiten leider weg. Ein Beispiel: Einfach mal am Layout zuppeln, weil ich vier Zeilen mehr Platz brauche? Das geht nicht mehr. Und es werden weit häufiger als früher Überschriften geändert. So kommt es mal zu dem, was man im Journalismus "Verschlimmbesserung" nennt und mal zur tatsächlichen Verbesserung der Sache.

Am Anfang fand ich all das furchtbar. Ich war geschockt von dem Wandel und der Flut an Organisationsaufwand, weil so einiges an Arbeit (siehe am Layout zuppeln) nicht mehr so fix auf dem kurzen Dienstweg geht. Mir fehlte die Verantwortung. Es gab Tage, da wollte ich am liebsten sofort alles hinschmeißen und ganz was anderes machen. Und es gab Momente, die mich unglaublich frustrierten. Ich war morgens schon bockig, nicht mehr "kleiner Chef" sein zu können. Ich wartete und wartete, dass dieses Gefühl vorbeigehen mag ... eine Woche, zwei Wochen, drei Wochen ... und nix passierte ...

Nun, nach einem Monat im neuen redaktionellen Leben, kam das Gefühl wie sanfter Holzhammer am Freitagnachmittag. Ich hatte meine Arbeit in Ruhe erledigt und mich dabei nur auf den Text konzentrieren können. Ich hatte Termine für die kommende Woche vereinbart und musste dabei nicht auf Anwesenheitspflichten in der Redaktion achten. Ich steckte ein gut mit Geschichten gefülltes Notizbuch in meine Tasche. Ich habe Fotos gesehen, die der Profifotograf passend zu meinen Geschichten gemacht hat und war beeindruckt. Und so ging ich um fünf gelassen wie lange nicht mehr heim. Die Seite war noch nicht produziert und ich hatte auch keine Zeile eines Kollegen auf Korrektur gelesen, aber das war und vor allem ist ja auch nicht (mehr) mein Bier.

Ich weiß nicht, was in meinem Kopf passiert ist ... Kann sein, dass es am sehr ausgiebigen Yoga-Üben liegt. Es heißt ja "do your practice and all is coming" ("Mach deine Übungen, und der Rest ergibt sich von selbst"). Vielleicht kann ich ja wirklich einfach loslassen? Oder ich steuere auf Altersweisheit und Altersmilde zu? Hat sich eine angenehme Wurschtigkeit ergeben, nehme ich nicht mehr alles viel zu ernst und verbissen? Hmmmm ... Aber plötzlich finde ich es richtig gut, dass ich kein Allesmacher mehr sein muss und nur noch machen darf, was ich wirklich kann.

Aus all dem, davon bin ich überzeugt, kann ich das Beste für mich machen.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das einzig Beständige ist der Wandel. vg v. F.

Anonym hat gesagt…

Ein wenig klingt es für mich auch nach Resignation (aka Einsicht in die Notwendigkeit), wenn nicht gar innerer Kündigung ...
vg
André Dreilich