Mittwoch, 17. April 2013

Körbe

Umfragen sind bekanntlich (siehe hier) echt und überhaupt nicht mein Ding! Inzwischen sind wir in der Redaktion zwar dazu übergegangen, nicht mehr gefesselt an einen Wochentag - den Sonnabend - eine Umfrage zu machen, sondern spontan zu Themen umzufragen. Der Mist aber bleibt. Heute nun also erwischte es mal wieder mich. Das tat sehr weh!

Grund: Ich habe mir mal wieder mehr Körbe gefangen, als fürs Selbstbewusstsein gut sein könnte ... ich muss mal wieder stark an mir zweifeln. Das Thema der Umfrage: "Wissen Sie noch was Sie von dem Geld gekauft haben, das Sie zur Jugendweihe bekommen haben?"

Der Journalist begibt sich für eine Umfrage mit Fotoapparat und Stift am besten in eine halbwegs belebte Fußgängerzone oder Einkaufsstraße, setzt ein nettes Gesicht auf, stellt sich kurz vor und stellt die Frage und die Bedingung. Denn wie auch immer das Thema lautet, es gibt eine Regel: Der nett gefragte umgefragte Mensch kommt mit kurzem Statement, Namen, Beruf, Alter und Bild in die Zeitung. Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Reaktion auf diesen Fakt oder den Umfrage-Versuch des Journalisten allgemein, die unsereins vor allem sinnlos Zeit kostet:
  • Straßenseite wechseln, bevor Journalist überhaupt die Frage stellt = Journalist verliert neun Sekunden Lebenszeit
  • Journalisten verdutzt angucken, mit dem Kopf schütteln und kommentarlos weitergehen, während Journalist spricht = Journalist verliert zwölf Sekunden Lebenszeit
  • Journalisten genervt angucken, ruppig ein "Nein, lassssssssssen Sie mich bloß in Ruhe" zischen und gehen = Journalist verliert 40 Sekunden Lebenszeit
  • Auf die Abopreise und die Zeitung/die Medien im Allgemeinen schimpfen, die Umfrage am Ende einer Hasstirade ablehnen = Journalist verliert mindestens zwei Minuten Lebenszeit
  • Umfrage mitmachen, nett was erzählen und im Moment der Namenspreisgabe oder des Fotos doch einen Rückzieher machen = Journalist verliert mindestens dreieinhalb Minuten Lebenszeit
  • Umfrage mitmachen, nett was erzählen, sich fotografieren und benamsen lassen, Journalist ziehen lassen und in der Redaktion die Umfrage nebst kurzer Bildbearbeitung tippen lassen. Zirka eine Stunde nach dem Kontakt auf der Straße in der Redaktion anrufen und irgendeiner Sekretärin sagen, dass man nicht mehr in der Umfrage sein will = Journalist verliert mindestens 15 Minuten Lebenszeit und langsam die Contenance
  • Umfrage mitmachen, nett was erzählen, das volle Programm mitmachen, bereit zum Erscheinen in der Zeitung erklären, aber nicht mehr aufhören zu reden - zur Lage der Welt allgemein - und Journalist kurz an der Hand packen, wenn er nach höflicher (!) Verabschiedung gehen will = Journalist bekommt Text, verliert aber insgesamt mindestens 30 Minuten Lebenszeit
Verschiedene dieser Dinge sind mir heute mehrfach passiert. Insgesamt habe ich dadurch gefühlt gut drei Wochen Lebenszeit verloren ... traurige Sache!

Zusammenfassung für meinen Mann: Gibt es nicht - auch wenn ich für den Spiegel schreiben würde, würdest du es nicht lesen. 

3 Kommentare:

zeitungsdieb.blogger.de hat gesagt…

"Früher" war das einfacher; da ging mal als Schreiberling noch mit einem Fotografen raus, der auch als Menschenfänger agierte, außerdem die Umfrageopfer so schön beschäftigte, dass die gar nicht auf die Idee kamen, nicht zu wollen ... Aber heute ist man ja als Einzelkämpfer unterwegs ...

PS.: Eine sehr schöne Beschreibung des Umfragegeschäftes findet sich in Hermann Kants "Impressum". Lesenswert. Ich führe dieses Ost-Buch nur an, weil im Text von "Jugendweihegeld" die Rede war. *g*

Jacobswege hat gesagt…

Ja, "früher" war alles besser. Schwieriger wird die Sache auch noch dadurch, dass in einer Stadt mir nur 26000 Einwohnern fast jeder schon mal "Umfrageopfer" war und die Lust auf Umfragen dadurch nicht gerade steigt.

Anonym hat gesagt…

Das ist ja frech. Schreib mal ne Jacob App zum lesen ... dann bin ich dabei:-)

Und ich lese doooch