Montag, 29. Oktober 2012

Hundertschaft

Demut! Der Boden der Tatsachen kann flauschig, ja regelrecht flokatihaft ausfallen. Ich habe eine 100-Jährige getroffen. 100 Jahre ... 100 Jahre! Das sind zehn unebene Jahrzehnte, die einem den Weg in die Zeitung ebnen. Bürgermeister kommen mit Blumen und gratulieren. Lokaljournalisten kommen und schreiben einen netten Text, in dem sie aber meist verschleiern müssen, dass der oder die 100-Jährige mehr oder weniger lebendig und im Dämmerzustand ist. Mit eben jener Erwartungshaltung spurte ich - noch ein "Jungs, ich muss, bevor die Gute nicht mehr ist" flötend, das mich jetzt massivst wurmt - zu meinem Auto und fahre zu einem der örtlichen Seniorenheime. Fünf Minuten zu spät, mindestens. Der Bürgermeister ist schon da. Ein paar Kinder der nahen Kita auch und singen ... ein Lied nach dem anderen ... und immer wieder. Die alte Dame grinst aber fröhlich vor sich hin. Ausgesungen. Bürgermeister und Journalist nehmen Platz. Ist immer ein wenig unangenehm, weil keiner so richtig weiß, ob er jetzt am Dämmerigen vorbeireden soll oder ob der noch Bewusstsein hat. Also das Immergleiche: Er wolle ja mal das Rezept für so ein langes Leben haben, fragt der Bürgermeister. Und die Grande Dame? "Nein, nein, das sage ich Ihnen nicht!" Sehr wach. Er fragt wieder, ich auch. Das alte Herz lässt sich erweichen. Herzhaft essen und nicht so viel Süßkram, das sei gut. Darum wird auch die von einer 100 gezierte Schokoladentorte abgelehnt. Dafür isst sie lieber eine Klappschnitte. Eine einfach in der Mitte zusammengefaltete Stulle. Das Wort ist nun neu in meinem Wortschatz und es wird da nicht mehr verschwinden. In den Kaffee könne aber ordentlich Zucker, meint die alte Dame. Und ganz wichtig: "Immer sagen, was man denkt!" Dieses alte Herz hat also nix zu lange geplagt, sondern sie hat es gleich in die Welt gepustet!

Wer knallzart recherchiert, erfährt auch was vom und aus dem Leben: Von Geburt an auf einem Auge blind, immer hart gearbeitet, kinderlose Ehe, Arbeit im Kinderheim, vor Jahren ging eine OP am gesunden Auge auch noch gründlich schief. Die Schwester starb früh, die alte Dame nahm sich ihrer Kinder an, die Nichte wurde Fast-Tochter. Ihr nähte sie das Hochzeitskleid. Ganz bewusst auf den letzten Drücker, weil schon das Baby unterwegs und der Bauch rundlich war ... in meinem Kopf läuft ein Film, in dem die zwei Frauen vor dem Anprobespiegel stehen und die Ältere der jungen Frau erst über die Wange und dann über den Bauch streichelt, die Finger auf den Mund presst und ein "pssst" lacht - in der Gewissheit, dass sich all das eigentlich schon längst nicht mehr verheimlichen lässt ... Und während meine Fantasie auf Hollywood-Reisen geht, schmunzelt die Grande Dame vielsagend über diese alte Geschichte und wendet ihr blindes Köpfchen zur Nichte und streichelt ihr den Arm, dass mir das Herz fast überläuft vor Rührung. Pure Liebe ...

... jäh durch tickende Uhr gestört ...

Termine, Termine warten ... der Bürgermeister musste schon gehen, ich jetzt auch. Am Anfang hat sich die Gute über die kalten Hände der Gratulanten beschwert, auch der rathausseitige Öffentlichkeitsarbeiter überzeugte die Dame nicht einmal beim Abschied mit Handwärme. Nun haben es die zwei Männer erneut versucht ... und ernteten wieder ein "Ach, kalt!" Kein Wunder: Die schönste Geschichte haben sie kaum mitbekommen. Meine Hand findet die Grande Dame nun akzeptabel warm. Es muss die Rührung sein, die noch nachheizt ...

Zusammenfassung für meinen Mann: Ich kann auch 100 werden!

UPDATE, 2. Februar 2014: Wie ich erfahren habe, ist die beschriebene Grande Dame Ende Januar gestorben. Im Alter von 101 Jahren.

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Ruf mich (bloß nicht) an!

Aha, da hat also dieser CSU-Sprecher bei diesem ZDF angerufen und, nennen wir es mal so, von Folgen gesprochen, wenn dieses ZDF über diesen SPD-Spitzenkandidaten berichtet ... zu lesen alles im Netz, auf unzähligen Seiten, hier nur ein Beispiel. Es hat auch mal dieses Schaf im Wulffspelz gegeben, wie sich die Medien dereinst mal einigten ... dieses Schaf sprach wohl sogar auf Mailboxen. 

Traurig, aber wahr: Irgendwie und irgendwann passiert uns Journalisten das früher oder später allen mal. Mal steckt mehr hinter solchen Anrufen, mal weniger - haben andere auch schon festgestellt. Da muss unsereins nicht einmal bei großen öffentlich-rechtlichen Sendern oder bei den sogenannten Leitmedien arbeiten, da tut es auch der Job beim vermeintlich kleinen Lokalblatt. Journalisten können sehr gut austeilen und sind manchmal - das muss jetzt auch mal zugegeben werden - sogar gerne der Austeiler, weil ein Dorfbürgermeister vielleicht nur drei Zuhörer im Gemeinderat, der Journalist aber doch noch ein paar mehr Leser hat. Dann lässt sich unsereins die eine oder andere dumme Anmache - in meinem Falle durchaus auch als Anmache im eigentlichen Sinne zu verstehen - gefallen und holt eines Tages, wenn das Maß wirklich übervoll wird, zum medialen Kolumnen-Gegenschlag aus, damit endlich Ruhe ist. So verfuhr ich mit einem Politiker, der gut und gerne mein Vater, wenn nicht Großvater sein könnte und dennoch gerne bei jeder Gelegenheit blöde Anspielungen von sich gab. Dann sind Anrufe natürlich vorprogrammiert, wenn frau den Mann an den Pranger stellt. 

Es passiert aber auch bei "harmloseren" Gelegenheiten. Als meine Lokalredaktion den großen Gemeinderatsvergleich anstrengte, in dem die Sitzungspolitik der dörflichen Gremien beleuchtet und offengelegt wurde, wo überhaupt noch diskutiert oder nur das Patschehändchen zur Abstimmung gehoben wird, war ein Bürgermeister deutlichst angefressen - getroffene Hunde bellen bekanntlich, möchte man da rufen. Tatsächlich wird in seinem Rat nicht, zumindest nicht im öffentlichen und damit auch von der Presse beobachteten Teil, diskutiert - und wenn nur sehr kurz und mit mindestens einer "deutlichen" Ansage des Bürgermeisters, es möge jetzt mal Ruhe sein. Zudem werden im Gegensatz zu vielen anderen Orten im Landkreis keine Beschlussvorlagen an die Presse gegeben oder sie sind eindeutig so gekürzt, dass sie zum einzigen Rätsel mutieren - deutlich erkennbar auch an der Notiz "Presse" am oberen Rand der Vorlagen. Während die Gemeinderäte mehrere Seiten Papier vor sich haben, bekommt der Journalist vielleicht zwei, drei Zettel. Einfache Beobachtung, einfache Zeitungsnotiz: "In xy wird über Beschlüsse nicht geredet, sie werden gemacht." Ergebnis: Anruf! Das sei überhaupt nicht wahr, blaffte der Mann. Wie ich denn auf so etwas käme? Antwort: zwei Jahre Beobachtung (das sind über den Daumen gepeilt locker 20 dieser Sitzungen und maximal drei beobachtete "Diskussionen"). Das sei ja überhaupt nicht wahr, was ich denn für Sitzungen besuchen würde? Antwort: Ihre. Das möge ich doch bitte korrigieren und gegendarstellen, schreiben, dass das alles ganz anders ist und sehr demokratisch ist (von undemokratisch war im Artikel noch nicht einmal die Rede, getroffene Hunde!)! In seinem Dorf seien andere Meinungen sehr wohl geduldet und ich soll meine Meinung bitte revidieren. Ja, klar!

Ich schrieb auch eines Tages, diese Geschichte kann hier nur angerissen werden und würde eigentlich ein Buch samt Verfilmung nach sich ziehen, über einen Immobilien-Verkauf. Es war der Ausgangspunkt für eine für mich noch sehr folgenschwere Geschichte. Hier: Berichterstattung über ein Dorfgremium, das einen vom Bürgermeister avisierten Beschluss nicht mitträgt. Ergebnis: Noch vor Veröffentlichung (!) Anruf eines wohl am Deal Beteiligten. Nach Veröffentlichung: Anruf Bürgermeister. Ich solle mir bitte mal die anderen Journalistenkollegen ansehen und mir zu Herzen nehmen, wie positiv die alles begleiten würden, ich solle nicht mit Dreck werfen und mir überlegen, was mein Tun für Folgen hätte. Monate später schrieb ebendieser Mann mir in anderer Sache und zu ganz anderer Story sogar eine E-Mail in drohendem Unterton, es werde negative Folgen haben, wenn ich nicht "ausgewogen" berichte. Ja, klar!

Traurig, aber wahr: Es passiert. Immer wieder.
Die Mail ist gespeichert, die "Gegendarstellung" zur Sitzungspolitik gab es auch nicht ... ist klar!

Zusammenfassung für meinen Mann: Es ist nicht immer leicht, aber genau das ist der Reiz.

Freitag, 19. Oktober 2012

Go for Gold 2.0

Dieser Blog könnte auch "Karla Kolumna und die alten Ehepaare" heißen. Weil: Ich stehe einfach auf den Besuch bei langgedienten Ehepaaren (Beweistück a und Beweisstück b). Die Paare rufen gerne mal in der Redaktion an und sagen, dass sie Gold- oder Diamanthochzeit haben. Dann muss da auch einer hin! Während meine männlichen Kollegen gerne ganz feste nach unten gucken, wenn es um die Vergabe eines solchen Termins geht, melde ich mich lieber freiwillig. Es ist einfach, gerade für noch nicht so lange verheiratete Menschen, ein großes Fest. Erst gestern war ich wieder bei so einem Diamantpaar, das sind 60 Jahre Ehe!

Die Wohnung winzig, die Runde groß, der Empfang sehr herzlich. Und große Menschenkenntnis: "Sie, Sie trinken doch bestimmt einen Sekt!?", fragsagt der Ehegatte. Dazu gibt es Schnittchen. Und leider den Gedanken, dass ich nicht ewig bleiben und plauschen kann, weil an diesem Tag besonderer Termindruck in der Redaktion herrscht. Ich beiße also vom Schnittchen ab, spüle mit Sekt und will anfangen, meinen Text in den Kasten zu bekommen, frage nach Kennenlernen und Herkunft, Kindern und Enkeln ... da kommt dieser Göttergatte um die Ecke und sagt: "Machen Se ma ganz in Ruhe, ich habe hier was vorbereitet!" Er gibt mir eine Mappe mit Kopie des Artikels von der Goldenen Hochzeit und Auszug der Standesbeamtenrede, die vor zehn Jahren zur Erneuerung des Eheversprechens gehalten wurde. Vier Seiten. Seniorenpressearbeit. "Da steht alles drin, jetzt können Se in Ruhe mampfen!" Klaro. Geredet wird trotzdem, die Mappe brauche ich eigentlich nicht, nehme sie aber aus Höflichkeit mit. Er gibt wertvolle Tipps wie "Gehen Se nich im Streit ins Bette, ein Ehekrach darf nie über Nacht dauern!" oder "Wenn Se nüschts haben, seien Se nich traurig, das schweißt zusammen!" Dann gehen wir raus vor die Tür, um ein Foto zu machen. Was dann passiert, rührt mich wirklich: Die zwei wissen nicht so richtig wie sie sich fürs Foto hinstellen sollen, wirken plötzlich etwas unbeholfen, ich frage (Sekt intus) "Sachen Se ma, Sie lieben doch Ihre Frau, oder?" ... und er packt sie und küsst sie ... mit Zunge, glaube ich ... und er hört auch nicht auf, als ich sage, dass das Foto jetzt eigentlich schon fertig ist. Ich liebe es!

Zusammenfassung für meinen Mann: Mein Job hat echt viele schöne Seiten und die Tipps dieser Paare sind Gold wert.

Montag, 8. Oktober 2012

Online? Igitt!

  • Schlimm genug: Ich habe einen Ruf zu verlieren! 
  • Schlimmer noch: Ich habe dieses Internet zu verteidigen. 
Zum ersten Punkt: Meine Büromitinsassinnen halten mich aufgrund meiner von ihnen so genannten Internetaffinität, die de facto schlicht dem üblichen Medien- und Internetkonsum meiner Generation (born in the und rund um die Achtziger) entspricht, für eine Computerspezialistin. "Das Internet bedienen zu können heißt nicht, dass ich Steve Jobs bin", habe ich mal erklärt. "Ste-e-eve wer?", lautete die Antwort. Wann immer ihre Kisten also nicht funktionieren oder beim blinden Draufrumhacken nicht mitspielen, rufen sie mich zur Hilfe. Oft genügt es zu sagen, dass nur dann Töne zu hören sind, wenn der Lautsprecher an ist. Auch den Affengriff habe ich schon beibringen dürfen. Dann bin ich eine junge Heldin. 

Zum zweiten Punkt: Vorbei mit der Wertschätzung ist es aber immer dann, wenn dieses Internet schuld an was sein könnte. Wenn irgendwo auf der Welt mal wieder vom Auflagenrückgang der Tageszeitungen gesprochen wird, dann kann es in sämtlichen Redaktionshäusern nur dieses Internet gewesen sein. Dass weniger Leute unsere Zeitung kaufen, das ist aus Sicht vieler Kollegen vor allem damit begründet, dass Journalisten in ganz Deutschland dazu angehalten sind, einzelne Texte so aller ein bis zwei Tage auch auf dem Online-Portal der jeweiligen Zeitung zu veröffentlichen ... und dem auch Folge leisten. "Einpflegen", nennt man das. Früher, sagt meine Kollegin in diesem aufkeimenden Alles-war-besser-Tonfall der Mittfünfziger, gab es an der Fassade des Redaktionsgebäudes einen Schaukasten. Frisch gedruckt wurde dort die aktuelle Ausgabe komplett (schön blöd) zur Schau gestellt. "Das war der Anfang vom Einpflegen, wir machen uns doch selbst kaputt", bilanziert die Kollegin heute. Die ganze Zeitung als e-paper im Internet gibt es tatsächlich aber nur für zahlende Abonnenten. Einzelne Artikel, gerne auch auszugsweise, dagegen für jedermann. Dennoch: Von einer Art Anfüttern über dieses Internet halten viele Kollegen schlicht gar nix. Und überhaupt ... dieses Internet, dieses facebook, dieses Google ... die sind schuld! Ganz allein! Und Ruhe jetzt, sie müssen jetzt "mal schnell was bei Wikipedia recherchieren".

Böses Internet, böse! Oder nicht?
Eine Mitschuld. Okay. Ja doch. Da könnte man ja noch mitgehen. Aber Alleinschuld? Nö! Sehe ich jetzt nicht ein. Fernsehen und Radio, lesefauler werdende Leser und Zeitungen, die unter anderem mit der Generation der Digital Natives nicht umzugehen wissen, die gibt es ja schließlich auch noch. Also bitte!

Zusammenfassung für meinen Mann: Ich werde immer wieder in diese Diskussionen über die Jugend von heute und dieses Internet verwickelt, bei denen man sich immer nur im Kreis dreht.

Sonntag, 7. Oktober 2012

Kindermund

Kinder sind toll. Keine Frage. Ich habe schon wunderbare Stunden und Minuten mit meinen Neffen auf Spielplätzen verbracht, endlich einen guten Grund gehabt, um "Die Sendung mit der Maus" zu sehen oder kleine Eisenbahnschienen quer durchs Wohnzimmer zu verteilen und dann mit nasaler Stimme "Achtung an Gleis 2, ein Zug fährt durch" zu sagen, wenn die Lok den Couchtisch erreichte. Ich habe mit ihnen je nach Alter (ihrs und meins) auch schon sehr interessante Gespräche über die Geschmacksrichtungen von Kaubonbons geführt, Playmobilfiguren bewertet und mir den neuesten Klatsch aus dem Kindergarten angehört - und ich bin schon jetzt auf die ersten echten Gespräche mit meiner erst ein halbes Jahr alten Nichte gespannt. Das ist aber rein privater Natur! Kinder sind für Journalisten ansonsten keine kompetenten Gesprächspartner ... es sei denn es geht um Kaubonbons, Plastefiguren oder Kindergartenklatsch. So soll es auch sein. Wäre ja auch schlimm, wenn sie außerdem noch was zur Weltlage beizusteuern hätten. Ich müsste bitterlich weinen, würde sich je ein Kind mit mir über Bürgerkrieg, Kindersoldaten und Missbrauch unterhalten ... und solche Kinder gibt es leider.

Umso seltsamer erscheint es mir, dass unter deutlich glücklicheren Sternen geborene Kinder durch die aktive Mithilfe diverser Kollegen regelmäßig als Gesprächspartner in der Zeitung erscheinen. Die lieben Kleinen - bevorzugt sinnfrei sind sie dafür zwischen zwei und vier Jahre alt und das ist ja nun wirklich kein Alter für intellektuelle Spitzenleistungen, sondern ein Alter zum Einfachkindsein - fahren zu Tagen der offenen Tür zum Beispiel in Feuerwehrautos mit oder besuchen Tiergärten. Machen sie den Mund in der Zeitung auf, dann finden Kevin, Laura oder Marie Dinge wie das Feuerwehrauto "toll" oder das haushaltsbedingte Infragestellen des örtlichen Freibades "schade". Ich finde es eher schade, dass sie immer wieder als Gesprächspartner herhalten. Dass ein Kind Feuerwehrautos toll und Haushaltskonsolidierung nicht so toll findet, hat nun wirklich keinen Informationswert. Wäre es andersrum, könnte man erst von Informationswert sprechen! Der tendiert übrigens auch gegen Null, wenn wir bei intensiver Zeitungslektüre über ein beliebiges Dorffest Folgendes erfahren: dort "fühlte sich unter anderem die zweijährige Emma wohl". Was soll uns das eigentlich sagen? Aha, die zweijährige Emma war also auch da? Na dann! Das mit Emma wäre nur dann wichtig, wenn Emma bekanntermaßen eine Thronfolgerin wäre. Richtig wichtig wäre es nur dann, wenn Emma die leibliche Tochter vom Papst wäre! Zeitung lesen kann manchmal so ärgerlich sein! Verdammt.

Zusammenfassung für meinen Mann: Es gibt Fehler, die Kollegen von mir regelmäßig wiederholen und ich hoffentlich nie machen werde - sollte ich sie je gemacht haben, so bedauere ich das sehr und es ist mir enorm peinlich.

Freitag, 5. Oktober 2012

Mein Mann liest mich nicht

Krisenalarm! Letztens fiel es zu Besuch bei Freunden wieder auf: Mein Mann liest mich nicht! Mein Mann kennt die Zeitung für die ich arbeite eigentlich nur vom Namen her, er liest die Zeitung nicht. Mein Mann zitiert lieber aus seinem reichhaltigen Deutschlandfunkwissen, denn bei seinen langen Auto- und Dienstfahrten hat er längst die dumpfen Popwellen gegen Kultur- und Infokanäle getauscht und pranzt auch gerne mal damit rum. Mein Mann sitzt auch gerne mit seinem Tablet auf der Couch und liest SpOn, um sich über das Weltgeschehen zu informieren. Mein Mann lässt sich lieber von mir erzählen, was in Stadt und Umland so los ist, als selbst die Lokalpresse, also meine Arbeit, zu konsultieren. Mein Mann liest also auch meine Artikel nicht oder maximal nach Hinweis meinerseits ausgewählte Sachen wie wöchentliche Kolumnen. Mein Mann schätzt es aber sehr, wenn ich ihm beim nächsten Wiedersehen die jüngste Diskussion in Stadt- oder Gemeinderat mit verteilten Rollen im Wohnzimmer aufführe oder den neuesten Klatsch in der Küche auswalze. Mein Mann hat dann immer einige Anregungen parat.

Mein Mann liest aber auch meinen Blog nicht. Mein Mann sagt, dass er ja gerne würde, aber ihm leider die Zeit für meine langen und verschwurbelten, mein Mann nennt das so, Texte fehlt. Mein Mann sagt auch, dass er meinen Blog erst dann regelmäßig liest, wenn ich ihm in einem Satz zusammenfasse, was ich eigentlich sagen will. Mein Mann scheint gelegentlich zu vergessen, dass er mit einer Frau verheiratet ist. Aber gut.

Zusammenfassung für meinen Mann: Ich höre ausnahmsweise mal auf Dich, ich ziehe das durch, wirst schon sehen.

Update: Ein Jahr später sieht es in Sachen "Er liest mich, er liest mich nicht" so aus: Scheidung, der Jacobsweg ist ein Singletrail. Zum Glück.

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Benutzt

Politik ist eine Hure? Ha! Politik ist eine Flatrate-Nutte! Die macht's auch ohne Gummi. Schlampe!
Musste mal gesagt werden!

Ich nenne es Arbeit

Essen und Journalismus gehören einfach zusammen! Buffets sind zum Beispiel sehr wichtig, vor allem für die großen Hauptstadtkorrespondenten und die ganzen anderen Großen im Geschäft, denke ich mir jedenfalls. Mit der Angela kann man zwischen so Häppchen bestimmt ganz gut über den Euro-Rettungsschirm reden. Dann nennt es sich Arbeit, sich den Bauch auf fremde Kosten voll, so richtig voll zu schlagen. Es nennt sich sicher auch dann Arbeit, wenn dir die Angela das letzte Canapé vor der Nase wegschnappt und dir dann sagt, dass sie jetzt nicht mit dir über Schirme reden möchte.

Die Bedeutung und Sinnhaftigkeit von Essen nimmt aber auch nicht ab, wenn du kleinerer Lokaljournalist bist. Bei mir um die Ecke gibt es einen Verein, der bietet im Winter Bastelstunden für Frauen und Kinder an. Eröffnet wird die Bastelsaison mit einem selbstbewusst als Pressegespräch oder auch Pressetermin bezeichneten Plausch, bei dem die Basteltermine und Bastelziele (Fröbelstern zu Weihnachten, Körbchen für den selbstgereihten Perlenschmuck, Holzfigürchen für zwischendrin) verkündet werden. Einmal musste ich dort hin, seitdem will ich dorthin. 

Beim ersten Mal war ich etwas irritiert, dass ich mich in einem Raum voller wild durcheinander schnatternder Frauen zwischen 50 und 80 befand, die vor einer voll gedeckten Kaffeetafel saßen und Handarbeitszeitschriften wälzten. Die Vereinschefin hielt dann einen kleinen Vortrag und gehäkelte Broschen und geflochtene Körbchen für Zeitungen in die Luft. Für die anwesende Presse, also mich, gab es einen A4-Zettel mit allen Terminen. Und ich bekam ein dickes Stück lauwarmen Apfelkuchen, einen ordentlichen Klecks Schlagsahne und einen Kaffee, dessen einziges Manko der Kaffeeweißer war. Ich hätte nach zwei Minuten mit dem Zettel verschwinden können, blieb aber für noch ein Stück kühler werdenden Apfelkuchen. 20 Zeilen schrieb ich über diesen wichtigen Pressetermin, hätte das auch nur mit aus dem Fax gezogenen Zettel erledigen können. Papier schmeckt aber nicht. Dieses Jahr gab es Apfelstrudel, Schlagsahne und Kaffee ... mit Kaffeeweißer. Nächstes Jahr bringe ich Kondensmilch mit.

Mittwoch, 3. Oktober 2012

Kollegen!

Der Kontakt zu Menschen bleibt für Journalisten nicht aus. Das ist schön. Grundsätzlich. Manchmal aber auch nicht. Redaktionstage sind lang, Sonn- und Feiertagsdienste sind zu absolvieren - damit auch nach Tagen wie diesem hier eine Zeitung erscheint. Die Folgen sind fatal! Man verbringt mit den Kollegen manchmal mehr Zeit als mit der eigenen Familie oder Freunden. Hat man ausschließlich tolle Kollegen ... Quatsch, das hat niemand. Wie in jeder Firma, so gibt es auch in Redaktionen verschiedenste Typen von Kollegen. Kleine Auswahl gefällig? Ich war nämlich schon in ein paar Redaktionen und Ressorts eingeteilt, ich habe da einen reichen Erfahrungsschatz:

Es gibt immer einen Kollegen, der trägt gerne Bedenken. Aber benutzt er gerne als Satzanfang. Wegen Aber kann der Kollege nicht jene Recherche angehen oder jenes gerade übergeholfene Thema aufgreifen. Aber - und das ist das Gute - er weiß selbst, dass er nicht das größte Talent ist. Er kümmert sich lieber ums Organisatorische, aber will seine Ruhe. Aber er unterstützt gerne, wenn andere kein Freund des Abers sind und hält ihnen den Rücken frei. Er ist eben zuverlässig.

Es gibt immer einen Kollegen, der sich selbst für besser hält. Besser als andere. Besser als er tatsächlich ist. Er ist ein wenig übereifrig und dadurch unentspannt. Das führt leider dazu, dass er genau wie Kollege Aber in die Falle der ewiggleichen Themen tappt und diese dann rauf- und runterschreibt.
Und es gibt jene Kollegen, denen der journalistische Biss abhanden kommt. Sie freuen sich nicht, einfach auch mal nur so zur Entspannung Terminjournalismus zu machen - Bürgermeister/Verein/Betrieb lädt ein, Journalist geht hin und schreibt ohne große Nachfragen brav auf - sie vergessen, dass es eine andere Form des Journalismus gibt. Sie sagen dann Sätze wie "Ach, das ist eine nette Geschichte". Dafür können Bürgermeister/Verein/Betrieb diese Kollegen immer anrufen, wenn sie PR brauchen. 

Und irgendwo dazwischen bewegt man sich selbst und versucht das Beste daraus zu machen. Man ist selber immer der Mix aus allen Typen und rutscht mal in das eine oder andere Extrem.