Sonntag, 30. Juni 2013

Starring: me, myself and I

Ist mein (journalistisches) Leben ein Film? Dann aber so ein richtig dämlichblöderstumpferdummer Sat1-Dienstagsmovie voller Klischees über Journalistinnen um die 30. Mir passiert einfach zu viel Kram, auf den ich gerne verzichten würde.

Neulich in "Kleine Zeitungsente planscht im Fettnapf" oder auch "Pressetussi persona non grata": Die junge Heldin bekommt eine Supershow und erlebt quasi eine journalistische Nahtoderfahrung.

Was bisher geschah: In meiner Kleinstadt ist die "Altkleidermafia" aufgetaucht. Die Stadt bekommt Geld für die vielen Containerstellplätze, die das hier nicht näher zu benennende Unternehmen bewirtschaftet. Zudem hat das bundesweit agierende Unternehmen eine Niederlassung hier um die Ecke. DRK als klassischer "Wohltäter"-Sammler (nun ja ...) und ein hiesiger Verein, der mit Altkleidersammlung Jobs für Behinderte schafft, sind darüber ungefähr so happy wie jemand, dem sie grad die Bude ausgeraubt haben. Verständlich. Darüber schrieb ich ein paar Artikel, zitierte die Sorge des Vereins, dass die Existenz gefährdet sei und das DRK, dem das Sammelvolumen ebenfalls schwindet. Die Firma, versteht sich von selbst, wollte ich auch dazu befragen, mehrmehrmehrfach - nur leider war nie einer erreichbar, das Firmengelände verwaist.

Eines Tages aber meldete man sich plötzlich in Form des Chefs bei mir. Dass es den anderen so schlecht gehe, sei einem gar nicht bewusst. Und das sei auch sehr schade. Das wolle man gerne korrigieren, helfen und den anderen Sammlern Unterstützung anbieten. Ob ich nicht die Ansprechpartner vermitteln könne? "Die Ansprechpartner können Sie gerne selbst ohne Mühe im Internet recherchieren", schlug ich dem Mann entnervt vor. Der lud mich im Gegenzug aufs Firmengelände ein.

Und wenige Tage später ging der Spaß los. Punkt 13 Uhr sollte ich da sein. 12.58 Uhr stellte ich mein Auto auf dem Firmengelände ab und meldete mich so 12.59 Uhr (also pünktlich) bei einem Mitarbeiter. Der Chef sei aber gar nicht da - nie am Dienstag, sagte der. Ich hätte einen Termin, sagte ich. Ich könne ruhig wieder gehen, sagte der Mitarbeiter. Er könne ruhig mal den Chef anrufen und ihn an den Termin mit mir erinnern, sagte ich. Dann müsse ich eben da hinten warten, zeigte der Mitarbeiter entnervt in eine große Halle ohne Sitzgelegenheit. 31 Grad im Schatten, Kreislauf wie die Laune im Keller. So pflanzte ich mich einfach auf Tüten voller Altkleider, gönnte mir einen Kaugummi zum Mittag und verfluchte mein Leben. Der Mitarbeiter zog von dannen. Ich blieb allein mit Tonnen Stoff, der tobenden Stimme in meinem Kopf und sonst nix zurück. 15 Minuten in brütender Hitze vergingen, Kreislauf und Laune näherten sich der Frustration. Dann bog - ich traute meinen Augen kaum - ein Bentley in die Halle ein. Ein kleiner Glatzkopf stieg aus, die Kühle des klimatisierten Fahrzeuginnenraums streifte meine vor Hitze brütenden und dicker werdenden Füße und der Mann begrüßte mich überschwänglich. Ebenso überschwänglich tauchten plötzlich zwei andere Mitarbeiter auf. Man herzte sich mit Worten.

Der Bentleyfahrer führte mich in sein Büro, wo er heillos und ohne Punkt und Komma auf mich ein oder vielmehr an mir vorbei redete, sämtliche Fragen dabei natürlich ignorierte - was auch immer ich versuchte, klare Antworten gab es nicht, ich drehte mich wie ein abgerichtetes Hündchen im Kreis. Dafür spielte der Bentleyfahrer immer mal mit seinem Handy rum. Dann tauchte drehbuchgeschnitzt die Mitarbeiterin auf, der er großzügig den Nachmittag für ein wenig Freibadspaß frei gab. Er vergass nicht ihr noch kumpelig nachzurufen, sie solle doch heut noch einmal kommen fürs Grillen. Der zweite Mitarbeiter tauchte auf. "Duuuuuu, ich würde ja selbst, aber du siehst ja", deutete der Bentleyfahrer auf mich, "hol doch mal was zum Grillen, so wie letzte Woche, wir machen es uns heute wieder schick, der Vati kommt auch noch und bring doch deine Freundin mit!" Der Bentleyfahrer packte eine dicke Brieftasche aus und drückte dem Mitarbeiter zwei Hunderter in die Hand. "Aber bitte nur Bier von hier, Wechselgeld ist wie immer für dich", forderte der Bentleyfahrer grinsend. Ich könne doch auch bleiben, bei der Hitze sei Arbeit doch eh blöd und ich wirke so sympathisch, dass man sicher ein paar schöne Stunden mit den Kollegen hier verbringen könne - so ganz ohne Fragen. Mir wurde plötzlich kalt. Ich trat endlich die Flucht an, erklärte den Termin für beendet und bedankte mich für das "informative" Gespräch.  

Erst 14.06 Uhr saß ich in meinem Auto. Ich glaubte einen Moment über mir selbst zu schweben, sah mich ungläubig meinen Kopf schütteln und dem Drang widerstreben ins Lenkrad zu beißen oder den Kopf immer wieder dort drauf zu hämmern. Dann hörte ich mich sagen "Du hättest vor 66 Minuten schon gehen müssen, du selten blöde Kuh!" und fuhr wieder vom Hof. Kreislauf und Laune blieben gefühlt noch tagelang im Keller. Im Keller der Seite landete dann auch der Artikel ... eigentlich hätte man ihn aber einmotten müssen ...

Sonntag, 16. Juni 2013

Gespült


Wir in der kleinen Redaktion sagen gerne mal „Das spülen wir“ oder „wird gespült“, wenn wir Journalisten keine Lust auf ein Thema haben oder sonst irgendwie der Meinung sind, dass es nicht weiter von Interesse für niemanden oder eben uns selbst ist. Andere greifen da zu Ausdrücken wie „Rundablage“ und meinen den Papierkorb, Journalisten spülen eben Dinge gerne mal und legen sie so ad acta.

Doch die Ereignisse der vergangenen zwei Wochen brachten mir eine andere Sichtweise auf die Spül-Floskel. Ich möchte jetzt nicht mehr so einfach Dinge spülen, werde vorsichtiger mit diesem Ausdruck umgehen. Es war und ist in Teilen Deutschlands ja noch immer Flut, da wollen Worte mit Bedacht gewählt sein. Die Region um mich herum liegt inzwischen zwar wieder auf dem Trockenen und kommt nun mit dem großen Aufräumen, sich sortieren, Bilanz ziehen und der Analyse der verursachten Schäden und Schmerzen wieder auf die Beine und zu neuer Kraft. Aber der Weg wird noch ein sehr weiter sein. Da können wir nicht mehr einfach so spülen.

Die vergangenen zwei Wochen waren in und um die Redaktion verrückt wie lange nicht. Das Wasser kam und die Dinge schlugen Wellen! Viel Arbeit türmte sich auf, wir waren ununterbrochen im Einsatz, um zu berichten und jeden Tag eine Zeitung zu produzieren. Zwar hatten wir im Gegensatz zur Flut 2002 das große Glück, dass nicht Teile unserer Redaktion oder auch Kollegen selbst betroffen waren, aber wir mussten doch eine Menge paddeln, um nicht zu stranden in dieser Situation. Stress pur, Adrenalin pur, viel Hin und Her, viel Chaos. Das große Loch nach dem Stress und dem Adrenalin kam jetzt als alles vorbei war. Da fällt auch der Beobachter/Journalist ins Bodenlose – mal kurz und mal was länger, das Chaos hält dann auch noch ein wenig an. Unglaubliche und in weiten Teilen sehr unschöne Szenen trugen sich aber bis zum Flutende zu. Nicht jeder von uns schwamm in diesen Tagen oben auf.

So trug es sich zu, dass eine Kollegin beim Blick auf die Nachbarstadt in einem anderen Land- und Zeitungskreis befand, dass uns deren Flut (die Flut war ja aber unser aller Flut) nix weiter angeht. Dass die Kommune auch nur 15 Fahrtminuten entfernt liegt, interessierte sie nicht weiter. Tja, das macht der Stress. Erst am nächsten Tag kam ihre Erkenntnis. Man müsse in der Berichterstattung nun auch einmal erwähnen, dass viele unserer Leser in die Nachbarstadt und an deren großen nun voll und voller laufenden Tagebaurestlochsee fuhren. Knallzart gesagt: Die Betroffenheit also erkläre sich aus dem Mangel an Genuss. Mir platzte sofort der Kragen, was ich hier nicht näher beleuchten will – es könnte ja sein, ein Minderjähriger liest hier mal und die Sprüche waren nichts für Kinderohren beziehungsweise Kinderaugen. Sehr unsachlich. Die Nerven.

Jene Kollegin lieferte sich dann auch einen Dialog mit einer anderen, den ich hier mal zum Besten geben werde. Wer von beiden wer ist, tut gar nix zur Sache. Wichtig ist, was die beiden zu sagen haben:
„Unglaublich ist ja, wie viel Blödsinn auf den Deichen geredet wird.“
„Ja, wirklich. Da wird unglaublich viel Mist geredet. Vor allem von Leuten, die keine Ahnung haben von den ganzen Zusammenhängen.“
„Ja, die stellen dann auch nur dumme Fragen und wissen von nix, schwingen aber schlaue Reden.“
„Da möchte man doch wirklich einfach nur mal sagen, dass sie die Fresse halten sollen.“
„Ja, dumme Leute sollten einfach mal die Fresse halten!“
Ich habe den Raum verlassen. Ohne etwas zu sagen. Aber: So herzhaft gelacht habe ich selten in diesen Fluttagen. Man mag sich doch die Situation auf dem Deich gar nicht ausmalen.

Richtig übel wurde es als unser an den großen See der Nachbarn grenzende etwas kleinere See voll und voller lief und die Nachbarkommune immens gefährdete. Ich mag den See sehr und denke gerne an die wunderschöne und naturbelassene Landschaft dort draußen, dort kann man die Dinge wirklich noch genießen und sich mal frei fühlen – obwohl das nur ein Tagebaurestloch ist, entstehen dort wunderbare Dinge, eine neue Natur und eine völlig neue Welt. Ich habe dort sogar mal eine wunderbare kleine Wiese gefunden, die mir in den Tagen der Flut und immenser Wassermassen mit unglaublich viel Druck auf alle schützenden Deiche wahrscheinlich leider vollkommen verloren gegangen ist. Ich habe wunderbare Momente am See erlebt. Jetzt weiß ich nicht, wie es genau am See aussieht und was zum Beispiel aus der Wiese und der restlichen Natur genau geworden ist. Wiesen können ja dummerweise nicht schwimmen und zu viel Wassermasse halten sie sicherlich auch nur schlecht lange aus. Und Flut war ja lange und viel. Ich werde also abwarten müssen und demnächst einfach mal gucken fahren, wenn die Luft rein ist. Das hat mich also in den Tagen der Flut schon auch persönlich sehr betroffen gemacht. Zudem habe ich mit jedem abgesoffenen Hausbesitzer, mit jedem Evakuierten gelitten - wie es so meine Art ist Anteil zu nehmen und Gefühle zu zeigen, wo sie vielleicht professionell versteckt gehören. Wenn da aber den Kollegen nichts anderes einfällt als noch in den Zeiten des stetig und bedrohlich steigenden Wasserpegels zu fragen, ob ich etwas über den Zustand des Radwegs um den See wüsste, bekommt man einen Ausraster... Er sei so gerne dort geradelt und wollte am Wochenende mal wieder radeln, bedauerte der Mann. Seine Freizeitgestaltung geriet ins Wanken. Das tat mir sehr leid für ihn. Ich schlug dem Kollegen dennoch in aller „Freundlichkeit“ vor, doch einfach raus an den See zu fahren und sich eben nasse Füße bei der schönen Radtour zu holen, wenn er um die Einsatzkräfte von THW über Bundes- bis Feuerwehr auf dem bisschen trockenen Beton seine Runden dreht und dabei vermutlich Schwimmflügel und ein dickes Fell gegen die Schelte der Einsatzkräfte braucht. Pah! Also ehrlich … das kann man doch wirklich nicht unkommentiert lassen! Da muss man doch scharf schießen! Da muss man doch was sagen! Das kann man doch nicht spülen! Die Wochen der Flut haben uns alle fertig und die Nerven blank gemacht.

Zusammenfassung für meinen Mann: Flut braucht wirklich keiner und es ist in Ordnung, dass du mich nicht liest!