Montag, 13. August 2018

Urlaub in den Misanthropen

Es ist nicht gerade ideal für meinen Job, aber ich gestehe: Ich kann Menschen (die meisten von ihnen) nicht leiden, ich habe nicht gerne mit Menschen (mit den meisten von ihnen) zu tun, Menschen (fast alle von ihnen) nerven mich. Oft fühle ich mich schlecht deshalb.

Am Freitag rief gegen 11 Uhr eine ältere Dame in der Redaktion an, der man in einem örtlichen Discounter nicht gestattet hatte, die Mitarbeitertoiletten zu benutzen. Das ist natürlich – und erst recht angesichts eines Darmleidens der Frau – sehr ärgerlich. Eine echt beschissene Situation, um ehrlich zu sein. Doch irgendwo in meinem Hinterkopf klingelte schon, dass Discounter da strenge Vorgaben haben und gesetzlich, so glaubte ich, nicht zu Kundentoiletten verpflichtet sind. Das hätte ich der Frau ja gerne erzählt … hätte sie mich zu Wort kommen lassen. Sie aber betonte lieber in fortwährend aufgebrachtem Tonfall, dass sie seit 40 Jahren Abonnentin der Zeitung ist, für die ich arbeite und nun sei es mal Zeit, dass ich was für sie tue. Okayokayokay. Ich versicherte ihr sofort beim Markt beziehungsweise dessen Konzernzentrale anzufragen und betonte noch, dass es aber sehr wahrscheinlich nicht sofort eine Antwort geben würde, ich mich dann aber umgehend melde.

Kaum hatte ich mich heute morgens kurz nach halb neun an den Schreibtisch gesetzt, klingelte das Telefon und am anderen Ende war wieder die Frau. In einem wahrlich pissigen Ton, ich kann es nicht anders sagen, fragte sie mich, was ich denn nun für sie erreicht hätte. Ich öffnete fix die Mails, wozu ich noch gar nicht gekommen war und fand – Glück für mich – ein Antwortschreiben des Marktes. Wie vermutet, gibt es gesetzliche Vorschriften, die es verhindern, dass die Mitarbeitertoiletten von Kunden benutzt werden und wiederum keine gesetzlichen Vorschriften, Kundentoiletten vorzuhalten. Die Firma entschuldigte sich dennoch, versicherte zudem, dies auch persönlich bei der Frau zu tun, wenn ich denn einen Kontakt herstelle.

Die Frau vernahm meinen Bericht, willigte der Kontaktweitergabe ein und geiferte doch munter weiter, ich solle jetzt mal dafür sorgen, dass sie mindestens Blumen von dem Markt bekommt. Als ich ihr sagte, mein Part sei ja jetzt getan und alles Weitere kläre sie doch lieber persönlich, sobald der Markt sich bei ihr meldet, giftete sie wiederum mich an als sei ich persönlich verantwortlich für das Geschehene und forderte mich auf, ihr eine Übersicht öffentlicher Toiletten zu liefern. Guten Morgen!

Man sollte meinen, dass das für einen Morgen reicht. Getoppt aber wurde das noch durch einen Herren, der gerne einen Termin mit mir wegen eines lokalen Artikels machen wollte. Nur dummerweise fiel sein Terminvorschlag (oder sollte ich besser Terminbefehl sagen?) auf einen jener Tage, die ich auslandsurlaubend und virtuos abwechselnd zwischen Essen und Schlafen verbringen wollte. Im Leben nicht hätte ich damit gerechnet, dass der Mann tatsächlich sauer werden könnte und wiederum wie schon die Dame zuvor argumentierte, er sei ja lange genug Abonnent, dass ich das einfach mal einrichten müsste. Ich bot noch an, einen Kollegen zu schicken oder vor oder nach meinem Urlaub zu kommen, doch wütend schnaubend verließ der Mann das Haus und ließ mich stirnrunzelnd zurück. Vermutlich ist es nur menschlich, Menschen nicht leiden zu können. Ich träume vom Urlaub in den Misanthropen.