In der Redaktion haben sich ein paar Dinge verändert. Manches daran war gut. Andere Dinge dabei taten und tun noch immer weh. Sagen wir mal so: Wir haben eine Arbeitskraft verloren und Erkenntnisse gewonnen, die uns wie eine Lawine trafen. Das ist eine lange Geschichte. Sie gehört nicht hierher.
Am Ende steht, dass ich nun seit fast zwei Monaten der Chef des Teams bin. Zwei Männer, die meine Väter sein könnten, ein so freier Mitarbeiter wie ich und ein Volontär gehören zu meinem Team. Und ich bin der Chef, der sie zudem vor den anderen und höheren Chefs vertritt.
Wie eine Schwangere, mental gesehen
Ich mag meine Kollegen. Ehrlich. Menschlich mag ich sie sehr. Und ungewohnt ist die Sache mit der Führungsposition auch nicht, ich habe das immer vertretungsweise gemacht, wenn die verlorene Arbeitskraft krank oder im Urlaub oder aus anderen Gründen nicht da war. Da hatte ich stets die Perspektive, dass es zum Tag X auch wieder vorbei ist mit dem Cheftum. Nun hört es nicht mehr auf...
Wenn ich jetzt Feierabend mache, fühle ich mich manchmal so wie schwangere Frauen sich vielleicht fühlen. Nur dass ich nicht für zwei lebe und esse, sondern es sich anfühlt, als ob ich oft für fünf denke - mich selbst auch mal noch eingerechnet, versteht sich.
Ich telefoniere 3- bis 25-mal am Tag mit den Chefs im Haupthaus. Ich maile wie wild. Ich veranstalte Brainstormings in Teeküchen und auf offener Straße. Ich suche ständig nach Themen und Ideen und neuen Ansätzen und Motivationen, die ich meinen Kollegen geben kann. Ich habe 20 Aufgaben gleichzeitig am Wickel. Oft wähne ich mich allein auf weiter Flur. Unerwartet werde ich doch gestärkt. Ich plane, verwalte, tippe, gebe, regle, organisiere, motiviere, insistiere, rebelliere, korrigiere, redigiere, diskutiere, recherchiere, arrangiere, mache, tue, schimpfe, schlucke, verteidige, beschwichtige, beharre, verzichte, scherze, schelte, flippe aus und schnappe zu bis ein. Ich kann nicht so aalglatt wie mein Vorgänger sein. Ich kann nicht nicht launisch sein - vor allem aber kann ich launig. Arbeit macht auf meine Art viel mehr Spaß als Spaß und das vermittle ich meinen Leuten.
Denken für alle anderen, für meine Leute? Ohne mich funzt es nicht? Ich sehe das natürlich alles ganz subjektiv. Aber was soll ich machen? So fühlt es sich nun einmal an... Es strengt an. Und ich, das Arbeitstier, habe noch eine Spur mehr Workaholic in mir entdeckt und aktiviert, denn mein normales Schreibpensum muss ich weiter liefern. Ich habe noch mehr Zielstrebigkeit entdeckt. Ich will unsere Zeitung besser machen. Mit meinem Team. Es wird nicht über Nacht gehen - wie ungeduldig mich das auch macht. Das jetzt ist meine Chance, den und meine Art Lokaljournalismus besser zu machen. Das einwandfreie Rezept dafür ist noch nicht gefunden, zuversichtlich bin ich aber.
Jeder Arbeitstag auf diesem elend langen Weg powert mich aus. Ich gehe hundemüde ins Bett. Am Morgen danach schaue ich die Lokalzeitung an, die wir gemacht haben und ich bin schon ziemlich stolz. Man merkt nicht, dass die Arbeitskraft fehlt. Man merkt, dass meine Jungs und ich noch da sind. Ich sehe Potenzial. Wir machen das schon ganz gut. Und ich weiß, dass wir das noch besser können. Das ist natürlich alles eine Frage des Chefs. Ich bin guter Hoffnung. Ich kann das. Ich knie mich rein.
Foto: Freund und Helfer, bearbeitet von nachtgedanken-und-mehr.blogspot.de |
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