Sonntag, 11. November 2018

Fünf Monate und fünf Jahre

Mancher hat sich vielleicht gefragt, ob ich nun total verrückt bin, als ich Anfang des Jahres meinen Mitgliedsantrag für die Freiwillige Feuerwehr abgegeben habe. Für mich dagegen war das einfach eine logische Folge meiner bisherigen Erfahrungen und der letzten fünf Jahre. 

Konsequenzen ziehen


Ich bin seit gut fünf Jahren auch Blaulichtreporter und in dieser Zeit so gut wie immer dabei gewesen, wenn feuerwehrtechnisch in meiner Stadt irgendwas lief - zu jeder Tages- und Nachtzeit. Jedenfalls bin ich mindestens auch immer wach geworden, wenn feuerwehrtechnisch was lief. 

Und machen wir uns nix vor ... nicht alles, was eine Feuerwehr macht, ist auch presserelevant. Deshalb ist es aber nicht weniger wichtig. Da gibt es Tragehilfen und Türöffnungen für den Rettungsdienst, Ölspuren von der Straße zu entfernen und immer wieder fehlerhaft ausgelöste Brandmeldeanlagen. Es gibt eine Menge Bagatellen. Und es gibt zu wenig Leute, die das Ehrenamt noch machen. 

Ich dachte mir irgendwann, warum ich eigentlich immer nur daneben stehe oder ob es wirklich einen Unterschied macht, ob ich nachts auf meinen Pieper gucke und mir beim Stichwort "Tragehilfe" denke "Ach, ist eh nix fürs Blatt, schlaf ich weiter" (und dann ja doch nicht so schnell wieder ins Lummerland finde) oder einfach gleich mit aufstehe und den Job erledige. 

Das sieht doch schon ganz professionell aus. Der Helm ist nicht meiner, ich musste ihn mir kurz leihen.
Also habe ich eine Grundausbildung absolviert und seit dem ersten Einsatz am 21. Juni 2018 auch einige Einsätze. Ich bin gut ausgebildet, ich habe in diesen fünf Monaten einiges an Erfahrung gesammelt. Und doch habe ich immer wieder das für mich und meinen Perfektionismus ungute Gefühl, dass mir eine Menge fehlt. Dabei ist es nur eins:

Routine

Mir fehlt Routine.

Und ich werde sie vielleicht nie bekommen. 

Bauchgefühl geht vor


Ich merke es bei bestimmten Stichworten. Wenn da was von Wohnungsbrand auf dem Pieper steht, kommt der erste geistige Hammer - die Überlegung, ob ich gleich als Presse anrücke oder doch als Einsatzkraft. Die Überlegung, welchen von beiden Jobs ich nun in diesem Ernstfall besser beherrschen würde und welchen ich mir eher zutraue. Beide Jobs gleichzeitig zu erledigen, wird mir nicht gelingen. Ich muss mich entscheiden. Jedes einzelne Mal. Die Überlegung wandert jedes einzelne Mal direkt weiter an mein Bauchhirn, ich lasse das Bauchgefühl entscheiden. Oft genug entpuppt sich so ein Wohnungsbrand ja auch als vergessenes Essen auf dem Herd...

Neulich gab es mitten in der Nacht wieder so ein Stichwort. Ich eilte zum Gerätehaus. Ich schmiss mich in die Einsatzklamotten. Ich eilte zum Löschfahrzeug. Zeitgleich ein anderer Kamerad. Einer mit Atemschutztauglichkeit, welche ich nicht habe. Ich habe absichtlich mein Tempo rausgenommen (ich habe lange schnelle Beine, ich kann in meiner Schrittgeschwindigkeit fast jeden überholen) und ihm so den Vortritt gelassen. Er bekam den letzten Platz auf dem Fahrzeug. 

Bei mir regte sich schon da wieder das Bauchgefühl. Ich habe mich schnell wieder umgezogen und bin weiter zu meinem Auto. Der Brand war berichtenswert. Ich war besser darin als ich vor Ort in Einsatzkleidung gewesen wäre. Ich weiß es. Und als Blaulichtreporter habe ich dermaßen Routine, dass es mich selbst manchmal sogar erschreckt, wie abgeklärt ich an die Dinge herangehe.

Als Blaulichtreporter funktioniere ich einfach, vielleicht besser - oder besser: verlässlicher - als als Einsatzkraft. Ich weiß, wie es geht und was ich wann zu tun oder zu lassen habe. Ich bin schnell und zuverlässig dabei. Ich laufe dann wie auf Schienen. Ich kenne jeden meiner Schritte. In meinem Kopf ploppt eine Liste auf, die ich Stück für Stück und stoisch abarbeite. Ich weiche von diesem Skript nicht ab. Es ist wie die Grundübung in meiner Feuerwehrausbildung. Jede Kleinigkeit ist festgelegt und wenn man sich daran hält, gelingt sie auch. 

Ich habe Routine.

Sie wächst mit jedem Mal.

Das gilt für beide Jobs.

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