Neulich war in der Zeitung, für die ich arbeite eine Beilagenreihe zum Thema Gesundheit. Im Allgemeinen und Besonderen wurde auf verschiedene Felder eingegangen. Ein Part befasste sich mit der - nicht mehr ganz so neuen - Erkenntnis, dass Sitzen das neue Rauchen sei.
Sitzen ist das neue Rauchen? Es soll alarmieren: sitzende Tätigkeit ist so gesundheitsschädlich wie das Quarzen. Es gibt da wohl einige Studien, es gibt Bücher und Unmengen an Artikeln. Kurzum: wer viel sitzt, stirbt
früher und ist auch noch selbst daran schuld - wie beim Rauchen. Zu langes Sitzen führt zu Muskelverspannungen und Rückenproblemen, es erhöht die Risiken für Bluthochdruck, Diabetes, Arteriosklerose, Thrombosen und manche Krebsarten. Sogar Teile des
Hirns sollen im Sitzen degenerieren. Na, das sind ja tolle Aussichten ...
Wie "nett", dass diese Beilage ausgerechnet zu uns Bürotieren ins Haus kam. Ich dachte ja bislang, wir hätten als Journalisten einen recht aktiven Beruf, der kaum mal von Tag zu Tag gleich ausfällt. Pustekuchen... mental beweglich zu bleiben, hat eben nix mit körperlicher Bewegung zu tun.
Die Deutschen sitzen angeblich rund 14 Stunden am Tag, und wir Journalisten sitzen vermutlich sogar noch länger - weil die Bürotage oft länger sind. Und haben wir Termine, dann fahren wir mit dem Auto dorthin und sitzen dort wiederum beim Gesprächspartner. Und im restlichen Leben sitzen Journalisten genau wie alle anderen auch: schon beim Frühstück, dann im Auto oder in sonst einem Vehikel auf dem Weg zur Arbeit, abends gemütlich auf der Couch.
Was tun?
Ich schaue mir meine älteren Kollegen in diversen Redaktionen an und sehe, dass sie in den vergangenen Jahren in erster Linie körperlich an Format gewonnen haben. Vor allem aber berichten immer wieder ältere Kollegen von Rückenproblemen und sonstigen Erkrankungen des Bewegungsapparats. Und der nicht mal 40 Jahre alte Kollege fiel mal vier Wochen wegen einer kaputten Schulter aus. Und die hatte er sich nicht beim Tennis oder so, sondern im Büro zugezogen. Das gibt mir mit meinen 33 Lenzen dann schon zu denken ...
Ich habe mich schon vor einiger Zeit gegen das Rauchen entschieden. Ich laufe zur Arbeit. Okay, der Weg ist auch verdammt kurz. Ich fahre nach Möglichkeit mit meinem Rad zu Terminen. Okayokay, man sitzt auch auf einem Rad - aber anders, immerhin trainiert man den Muskelapparat. Ich sitze kaum eine Stunde still an meinem Rechner. Ein durchschnittlich nerviger Tag mit mir beginnt ja schon so: Ich komme in die Redaktion. Ich gehe hoch in mein Büro und lade meine Taschen ab. Ich gehe durch die anderen Büros und schaue, wen ich noch begrüßen kann. Ich gehe in mein Büro und hole mir einen Teebeutel. Ich gehe runter zum Wasserkocher und schalte ihn an. Ich gehe wieder hoch und starte meinen Rechner. Ich gehe runter und brühe den Tee auf. Ich gehe wieder hoch. Ich setze mich an den Rechner und drucke Mails aus, am liebsten auf dem Drucker der unteren Etage. Ich stehe auf und hole sie, um sie auf meinen Schreibtisch zu bringen. Ich gehe runter und hole meinen Tee. Ich setze mich wieder, beginne meine Liste an Aufgaben abzuarbeiten. Zwischendurch stehe ich auf und schaue wenige Meter weiter ins Terminbuch der Redaktion. Ich stehe auf und lese in der heutigen Ausgabe, die aufgeschlagen auf einem Regal liegt. Ich rufe den Kollegen nicht an, ich gehe rüber oder runter in sein Büro und stelle meine Frage. Ich stehe auf und mache noch einen Tee oder hole mir ein Glas Wasser. Und so geht es immer weiter ... bis ich irgendwann zum Feierabend aus der Redaktion gehe.
Und ansonsten ist da noch die Sache mit meiner Leidenschaft für tägliches Yoga. Seit geraumer Zeit gehe ich zudem fast täglich mit einer Freundin spazieren oder ich drehe allein meine Runde. Dann habe ich neuerdings die Sache mit dem Joggen entdeckt. Den Post hier schreibe ich gerade zwar sitzend, aber der Sitz erinnert irgendwie an eine Yoga-Asana, mit so verknoteten Beinen und einem weit nach vorne gestreckten, fast auf der Tastatur aufliegenden Oberkörper.
Es könnte klappen
Diese Woche traf ich einen ziemlich drahtigen Kerl, der gestern seinen 95. Geburtstag gefeiert hat. Darüber, dass er mit 95 Jahren noch jeden Tag seinen Kleingarten bewirtschaftet und ziemlich fit ist, schrieb ich einen kleinen Artikel. Ich nahm es dem Mann nicht die Bohne krumm, dass er Allgemeinplätze wie "Wer rastet, der rostet" zum Besten gab. Jeden Tag Bewegung müsse einfach sein, sagte er, dann klappe das auch bei mir mit der 95. Spaziergänge würden nur was bringen, wenn sie "strafff" ausgeführt werden, riet er und schwärmte von seiner täglichen bis zu fünf Kilometer langen Runde. Außerdem solle ich viel Gemüse essen - am besten selbst angebautes, weil "noch mehr bio geht nicht". Und nur nicht zu lange auf meinem Hintern solle ich sitzen, reckte er mir seinen Zeigefinger entgegen, "da könn' Se ja och gleich paffen!" Ich biss dankend in eine noch sehr zarte Gewächshausgurke, schwang mich auf mein Rad und hatte ein gutes Gefühl.
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