Es gehört zum Alltag in Redaktionen, dass der Kontakt mit dem Leser nicht ausbleibt. Das ist ja grundsätzlich auch in Ordnung so. Die Leute/Leser kommen zu uns in die Redaktion und reden mit uns, sie wollen Sorgen loswerden, Themen beachtet finden, Fragen stellen, Kritik äußern. Das ist schön. Von Zeit zu Zeit (bis zu viermal wöchentlich) haben wir es aber mit einem besonders nervigen Exemplar der Sorte Leser zu tun.
Nennen wir ihn doch einfach Babuschek*. Besagten Nerventod kennt man in der Stadt. Meinem Vater beschrieb ich den Mann mal so: „Er sieht aus wie eine von den kleinen Figuren unten auf der Weihnachtspyramide, viel größer ist er auch nicht und er läuft wie Donald Duck.“ - mein Paps wusste Bescheid…
Nennen wir ihn doch einfach Babuschek*. Besagten Nerventod kennt man in der Stadt. Meinem Vater beschrieb ich den Mann mal so: „Er sieht aus wie eine von den kleinen Figuren unten auf der Weihnachtspyramide, viel größer ist er auch nicht und er läuft wie Donald Duck.“ - mein Paps wusste Bescheid…
Der Mann nervt uns, und vermutlich nicht nur uns, seit Jahren. Er kommt und fragt, warum diese und jene Straßensperrung nicht im Blatt stehe – es stellt sich heraus, dass es sich um ein Parkverbot für einen ganz privaten Umzug handelt. Er kommt und fragt, warum wir nicht über jenes Flugzeug berichtet haben, das in terroristischer Absicht fast in die örtliche Schokoladenfabrik geflogen sei, um uns alle fertig zu machen – es stellt sich heraus, dass es sich um einen geistigen Tiefflieger mit optischen Täuschungen handelt … und achja, das Flugzeug war im Landeanflug.
Weil ich streitlustig bin, sind wir in der Redaktion dazu übergegangen, dass ich mit ihm „rede“. Ich sitze oben an meinem PC und höre unten im Sekretariat seine Stimme. Er hört dann meine schnellen und kräftigen Schritte auf der Treppe und guckt neuerdings irgendwas zwischen verschreckt und freundlich, wenn ich um die Ecke biege. Und irgendwo zwischen verschreckt und freundlich verlaufen auch unsere „Gespräche“. Zwei aktuelle Beispiele:
Weil ich streitlustig bin, sind wir in der Redaktion dazu übergegangen, dass ich mit ihm „rede“. Ich sitze oben an meinem PC und höre unten im Sekretariat seine Stimme. Er hört dann meine schnellen und kräftigen Schritte auf der Treppe und guckt neuerdings irgendwas zwischen verschreckt und freundlich, wenn ich um die Ecke biege. Und irgendwo zwischen verschreckt und freundlich verlaufen auch unsere „Gespräche“. Zwei aktuelle Beispiele:
4. Mai 2017
Am 3. Mai, dem Internationalen Tag der Pressefreiheit, ist auch unsere Zeitung wie viele andere mit einem von Yoko Ono gefertigten Titelbild erschienen.
Yoko Ono |
Babuschek betritt die Redaktion. Ich höre ihn sagen: „Das geht so nicht, da müssen Sie mal was machen!“
Schnelle, kräftige Schritte treppabwärts.
Ich: „Tach Herr Babubschek! Was geht so nicht?“
Babuschek: „Na, wie die Zeitung gestern aussah!“
Ich: „Wie sah sie denn aus?“
Babuschek: „Na das Bild ganz vorne, das geht so nicht!“
Ich: „Das Bild wo vorne? Im Lokalteil? In der gesamten Zeitung?“
Babuschek kramt eine Ausgabe aus seinem Stoffbeutel und winkt mit der Titelseite von Yoko Ono.
Ich: „Okay… und wo ist jetzt das Problem?“
Babuschek: „Sie müssen das mal weitergeben!“
Ich: „Was muss ich weitergeben?“
Babuschek: „Dass man das gar nicht lesen kann. Ich habe sogar die große Brille rausgenommen und konnte das nicht lesen!“
Ich: „Lag es vielleicht daran, dass es Englisch ist?“
Babuschek: „Achso?“ Hüsteln „Aber das konnte ich auch nicht lesen, Sie müssen das mal klären!“
Ich: „Mit wem muss ich was klären? Mit Ihrem Optiker? Ihrem Englischlehrer?“
Babuschek: „Neiiiiiin! Mit dem, der das gemacht hat!“
Ich: „Hm. Okay.“
Babuschek: „Machen Sie das?“
Ich: „Ja, nur bin ich mir jetzt nicht sicher … wie verbleiben wir denn nun? Rufe ich Yoko Ono an oder wollen Sie das machen?“
Im Hintergrund sind lachende Kollegen zu hören. Babuschek stutzt.
Babuschek: „Aber das geht doch so nicht! Das können Sie als Zeitung nicht machen, sowas hat Folgen!“
Ich weise auf die Tür: „Sie sind der beste Beleg dafür, dass Deutschland nur Platz 16 in der Rangliste der Pressefreiheit hat, schönes Leben noch!“
Babuschek zieht schnaubend davon. Ich google die Telefonnummer von Yoko Ono, habe beim ersten Versuch keinen Erfolg und gebe schnell wieder auf.
12. Mai 2017
Auf der lokalen Titelseite erscheint eine große Ankündigung zum Tag der offenen Gartentür in meiner Stadt, diese Aufmachung ist garniert mit einer Optik eines älteren Paares. Der abgebildete Mann ist Teilnehmer der ersten Stunde, ich nenne ihn „Horscht Clooney“ und ich mag ihn - und zu DDR-Zeiten muss er mal ein großes Tier in der Partei gewesen sein. Das war 1989, wir haben 2017.
Babuschek betritt die Redaktion. Ich höre ihn sagen: „Sie machen sich Feinde!“
Sehr schnelle, sehr kräftige Schritte treppabwärts.
Ich: „Womit, Herr Babuschek, womit?“
Babuschek weist mit wild schnippendem Finger auf die lokale Titelseite: „Mit diesem Foto da!“
Ich: „Wieso?“
Babuschek: „Wissen Sie denn nicht, wer das ist?“
Ich: „Doch, steht ja sogar dran!“
Babuschek: „Wissen Sie, was dieser Mann früher gemacht hat?“
Ich: „Früher war ich Quark im Schaufenster.“
Babuschek: „Diesen Mann kann hier keiner leiden.“
Ich: „Ich schon.“
Babuschek: „So machen Sie sich Feinde. Den kann keiner leiden.“
Ich: „Na und?“
Babuschek: „Sie müssen eine Gegendarstellung zu dem Foto bringen!“
Ich: „Ui, das wird nüchtz!“
Babuschek: „Ich will Sie doch nur warnen, Sie machen sich alle Feinde, den Mann kann keiner leiden und den können Sie doch nicht in der Zeitung zeigen!“
Ich: „Wissen Sie, den Oberbürgermeister kann auch keiner leiden und der ist fünfmal wöchentlich bei uns im Blatt.“
Babuschek: „Ich will Sie nur warnen!“
Ich: „Wovor?“
Babuschek: „Dass es Morddrohungen gegen Sie geben könnte!“
Ich: „Drohen Sie mir etwa?“
Babuschek: „Neiiiiin, ich sag doch nur, dass das passieren kann, dass Sie Morddrohungen bekommen!“
Ich: „Gut. Wir wollen doch nicht, dass ich mal ein Hausverbot gegen Sie ausspreche, ne!?“
Babuschek: „Wie Hausverbot?“
Ich: „Sie haben schon verstanden, und jetzt gehen Sie!“
Seitdem haben wir Babuschek nicht mehr gesehen. Das ist bestimmt nicht von Dauer. Ich rechne derweil fest damit, dass ein von IS-Terroristen gesteuerter Kampfjet zwecks Zerstörung wichtigster Infrastruktur auf die Schokoladenfabrik einer 25.000-Einwohner-Stadt stürzt, so den Umzug eines Mannes zunichte macht, den keiner leiden kann, jemand wegen falscher Bildauswahl die Redaktion kurz und klein haut und Yoko Ono uns zu Ehren eine Titelseite macht, die eh keine Sau lesen kann.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen