Ein sehr informativer Anruf meines Vaters hat ein sehr hysterisches Lachen aus mir geholt. Es ist manchmal die Realität, die schreiend komisch ist. Mein Vater informierte mich, mir würden demnächst zwei Zinnteller als Zeichen von Dankbarkeit zugehen. Zinnteller! Das sind dekorativ gemeinte Dinge, die ich vermutlich nur dann ansatzweise schön finden könnte, wenn ich 1884 und nicht 1984 geboren worden wäre.
Ich lebe aber jetzt. Und ich arbeite jetzt. Das Jetzt ist manchmal das, was war und es ist schwer, darüber zu schreiben. Einem Kollegen war aufgefallen, dass die örtliche Kunsthandlung schließen wird. Angeschlossen an die Kunst(und Krempel)handlung war auch ein Klamottenladen. Ging man links ins Haus, konnte man Sachen kaufen, die man anziehen kann. Ging man rechts ins Haus, konnte man Sachen kaufen, die man nicht braucht. Rechts stand bis zum vergangenen Sonntag noch ein 87 Jahre alter Mann hinter dem Ladentisch, im anderen Laden die Verwandtschaft. Nun ist es vorbei. Die Verwandtschaft will das Geschäft nicht weiterführen, es trägt sich nicht mehr.
Der alte Mann hat mir davon erzählt. Er hat sehr oft bitter weinen müssen dabei und ich habe oft schlucken müssen, dem Drang widerstehend ihn in den Arm zu nehmen. Wenn etwas vorbei ist, tut es weh. Für ihn ist alles vorbei. Und es bleibt nichts als Schmerz. Sein Lebenswerk, 1955 hatte er mit all diesen Dingen angefangen, ist nun beerdigt. Genau wie seine Tochter, die jung an Krebs starb und seine Frau, mit der er 65 Jahre verheiratet war. "Ich gebe mir noch drei Jahre, dann ist endlich alles vorbei", hat mir der Mann gesagt. Ich musste ganz tief schlucken. Ich wusste nicht, was ich sagen soll.
Uns beiden ging es erst besser, als uns auffiel, dass wir noch etwas gemeinsam haben. Meinen Opa. Der ist 92 und ein Freund des alten Mannes, wie der mir erzählte. Wusste ich bisher noch nicht. Aber ich weiß manches nicht. Mein Opa und meine Oma haben ja auch den 17. Juni 1953 verpasst, weil sie eine Party gefeiert haben. Nun hat der eine alte Mann den anderen alten Mann auf der Straße getroffen und sie haben sich über mich und meinen Artikel unterhalten. Der Kunsthändler ist so zufrieden damit, dass mir was von ihm bleiben soll. Ich werde wohl demnächst zwei Zinnteller bei meinen Großeltern abholen können. Meinem Vater sagte ich im ersten Schock noch, ich könnte die ja auf dem Flohmarkt verkaufen, damit ich wenigstens etwas davon habe.
Ich habe nachgedacht. Das werde ich nicht tun! Ich werde das Geschenk, und sei es noch so 1884, behalten. Irgendwas bleibt immer.
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