Ich habe meinen Magister gemacht. Gut. Und beschloss, noch einen Master (das Diplom war in den neun Semestern meines Erststudiums abgeschafft) zu machen. Nicht so gut. Der Trend geht ja vielleicht zum Zweit-Irgendwas, aber ich hätte nie, nie, nie Journalistik studieren sollen. Ich war, mal abgesehen von weiteren noch zu erläuternden Problemchen, einfach nicht auf Augenhöhe mit meinen Kommilitonen. Ich konnte einfach nicht, was sie konnten.
Ich hätte mir besser mal selbst einen Ratgeber, so ein Gräfe und Unzer-Teil, fürs überzeugende Auftreten als ach-so-talentierter/kluger/allwissender Student schreiben sollen:
Du kommst zunächst einmal nie (!) pünktlich zu einem Seminar, sondern stets zwei bis zwölf Minuten nach Beginn der Veranstaltung. Wenn du dann den Raum betrittst, tust du das nicht etwa ruhig und mit verschämten und nach unten gerichteten Blicken, sondern lockerflockig, sehr lautstark und sehr, sehr selbstbewusst nach dem Motto "Ihr habt ja alle nur auf mich gewartet, jetzt kann es von mir aus losgehen!". In der Hand hast du bei diesem Auftritt selbstverständlich einen Coffee-to-go-Pappbecher. Du schreibst auf einem total zerfledderten Block, dein Kugelschreiber flitzt nur in unverständlichen Zeichen über das Papier - denn die richtig schlauen Köpfe haben die Handschrift eines Arztes. In unkalkulierbaren Abständen wirfst du dann (ohne vorher ein Handzeichen als Meldung zu geben) einen Spruch in die Runde, der mindestens ein Fremdwort enthält und entweder sehr, sehr quälend langsam und mit einer Vielzahl weiterer Fremdwörter und Ähs oder aber sehr aufgeregt aus dir herausplatzt. Dann blickst du in die Runde und stellst das Ganze zur Diskussion. Nach dem Seminar grüßt du den Prof noch so, als sei er einer deiner besten Freunde. Nach dem Seminar drückst du dich auch noch eine Weile in der Raucherinsel herum, wo du das Praktikum bei der Lokalzeitung (bei dem du den Chef übrigens mit deiner strikten Ablehnung sämtlicher Besuche bei Jubiläumspaaren, weil du zu schade dafür seist, gehörig auf den Geist gegangen bist) als sehr erfolgreiche Hospitanz bei der FAZ verkaufst - die hätten dich angeblich am liebsten sofort und mit Kusshand genommen, aber du wolltest dich erst einmal selbst finden. Dann sprichst du davon, welche schlauen Bücher du gerade liest oder wie profan du arte in letzter Zeit findest. Dann radelst du entweder zum Biomarkt oder kaufst dir noch einen Coffee-to-go im Pappbecher. Anschließend wartest du, dass dein nächstes Seminar auch schon fünf Minuten läuft - obwohl du natürlich pünktlich kommen könntest, ziehst du trotzdem wieder deine Show ab. Gilt auch für sämtliche Verabredungen, zum Beispiel für Lern- und Arbeitsgruppen, die du leider gelegentlich mit den einfachen, ihren Lebensunterhalt an Supermarkt- und anderen Kassen bestreitenden Studenten verbringen musst. Bei mindestens einem dieser Auftritte, muss die wichtigtuerische Zeitung mit im Spiel sein, die du jeden Morgen kaufst und schon kurz nach dem Kauf mehrfach knickst, damit sie auch wirklich wie gelesen aussieht. Wenn die Zeitung niemand mitbekommen hat, fragst du einfach mitten im Seminar/Lernen, ob jemand deine Süddeutsche gesehen hat. Wann immer es nicht passt, zitierst du aus einem der Artikel, damit auch jeder sieht, dass du lesen kannst. Zirka zwölf Semester später hast du dann deinen Abschluss und ein Magengeschwür vom Kaffee. Das Ganze lässt du dir von deinen Eltern finanzieren und fasselst dennoch ständig von Unabhängigkeit, die für alle deine Lebensbereiche gilt - mit Ausnahme deines Kontos. Soll heißen: Deine Eltern haben sich nicht in dein Leben zu mischen und sollen dich, mal abgesehen von Weihnachten und regelmäßigen Überweisungen, gefälligst mit ihrer kleinbürgerlichen Spießigkeit in Ruhe lassen, zahlen sollen sie deinen Lebenswandel bitte kommentarlos und ohne Murren. Eine ehrliche Arbeit als Finanzspritze (in etwa also eine Arbeit, der deine Eltern nachgehen, um dich durchzuschleppen) lehnst du aufgrund ihrer Einfachheit und intellektuellen Unterforderung strikt ab. Zudem stehst du eigentlich nie vor um neun, na eher zehn auf, darum kannst du auch keine Vorlesungen besuchen, die schon am frühen Morgen beginnen. Nicht einmal, dass die Acht-Uhr-Morgens-Vorlesung ein Pflichttermin ist, bringt dich dazu auch mal vor zwei Uhr nachts von der angeregten Diskussion in deiner WG Abstand zu nehmen, während sich der Abwasch mal wieder türmt. Den Pflichtschein kannst du erst machen, wenn die Vorlesung mal nach dem Mittagessen angeboten wird. Da bist du konsequent! Obwohl du das frühe Aufstehen strikt ablehnst und dein Zungenpiercing beim Reden an deinen Vorderzähnen schnalzt, bist du doch fest davon überzeugt, eines Tages das Morgenmagazin zu moderieren.
Nach dreieinhalb Semestern habe ich das Studium geschmissen.
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