Montag, 27. August 2012

Das erste Mal

Aller Anfang ist ... einem hinterher peinlich. Weil ich mit einem Schülerzeitungsartikel zum Thema Lernen und wie ich die Welt so sah/noch sehe den Redakteurspapa einer Klassenkameradin auf mich aufmerksam gemacht hatte, durfte ich in noch recht jungen Jahren - das Abi war noch zwei Jahre weit entfernt - in der Zeit der sauren Gurken rund ums Weihnachtsfest einen Artikel über die Schulaufführung von "Dinner for one" verfassen. Same procedure und so. Ich bin, zumindest für einen Teenager, überragend professionell an die Sache rangeganen, habe im gerade so richtig Fahrt aufnehmenden Internet und mittels eines zuweilen recht vergnügt vor sich hin rasselnden 56k-Modems "recherchiert" (was ja nach Definition eigentlich was ganz anderes ist), was nur ging zum Dinner.

Dann bin ich in die Aufführung gegangen, total wichtig dreinblickend natürlich und ganz selbstverständlich in der ersten Reihe sitzend, von der ich auch ein wenig enttäuscht war, dass nicht eigens ein Presse-reserviert-Schild für mich kleine Wichitgkeit dort lag. Immerhin war ich ja die Kolumnistin der Schülerzeitung, also bitte! Arroganz und Selbstverliebtheit sind ja, ich bin nicht stolz darauf, keine Seltenheit in diesem Job. Immer schön eifrig machte ich mir bei jeder sich bietenden Gelegenheit Notizen zu allen sich mir bietenden Gelegenheiten. Anschließend führte ich ein kleines und hoch professionelles - "Haben Sie lange an der Aufführung gearbeitet?", "Wie viele Leute sind an dem Stück beteiligt?", "Frau Müller-Lüdenscheidt, darf ich Sie eigentlich mal nach Ihrem Vornamen fragen?" - Interview mit der zuständigen Englischlehrerin, bei dem ich mir weiter eifrig Notizen in mein kleines liniertes Büchlein machte und am Ende zu dem Schluss kam, dass Schönschrift bei diesem Job eigentlich nicht drin ist.

Dann setzte ich mich an meinen damals sauteuren und ziemlich neuen IBM-Rechner, der noch heute zumindest in Teilen bei mir im Arbeitsallzweckzimmer steht und gelegentlich mal aufschnurren darf, und schrieb munter einen 120-Zeiler dahin - zu 75 Prozent harmlose Inhaltsbeschreibung wie aus einem Deutschaufsatz, aber doch gespickt mit ganz passablen Beobachtungen und Beschreibungen wie:
"Dann wird man(n) auf ihr Wohl die Gläser erheben (und leeren) und sich an einem Mahl, serviert von Butler James, laben." 
"... wie jedes Jahr die Rollen der Herren übernehmen - und die hochprozentigen Getränke..."
"Butler James kommt herein und man meint, die alten Knochen knacken zu hören, man ist geradezu versucht, dem alten Mann unter die Arme zu greifen."
Gar nicht mal so schlecht für den Anfang. Enthalten aber war auch der Satz, der mir heute noch peinlich ist:
"... als Dreingabe gab es eine Vorstellung der Band Jedes Mal Anders (man merke sich diesen Namen!)." 
Oh Gott, gerade noch so dem pausbäckigen Teenytum voraus und dann das! "man merke sich diesen Namen!" ... eine nicht nur für eine 16-Jährige ziemlich dämliche 16-Jährige-beendet-ihre-Buchvorstellung-im-Deutschunterricht-mit-"Das Ende verrate ich aber nicht, damit die Spannung bleibt"-Nummer, sondern obendrein Schwachsinn: die Band gibt es schon lange nicht mehr, sie war auch nicht wirklich gut, ich wollte nur keinen Ärger und schon gar nicht war sie so gestaltet, als müsste man sich den Namen merken!

Das fiel mir damals natürlich noch nicht so auf, ich hielt mich für wahnsinng gut und großartig, ich druckte mein Machwerk aus - 23 Mal, um es noch 34 Mal zu lesen - und speicherte alles auf (Hilfe, wie alt bin ich eigentlich?) Diskette. Die war nur dummerweise auf den Apple-Rechnern der Profischreiberlinge nicht zu öffnen, weshalb eine Sekretärin die ganzen 120 Zeilen abtippen musste - aller Anfang ist also auch noch schwer, wenn auch für andere Leute.

Unbändiger Stolz erfasste mich natürlich, als der Artikel auch noch auf der ersten Lokalseite erschien - es war offensichtlich wirklich die Zeit der sauren Gurken, vielleicht tiefer als die meisten Sommerlöcher - und das Original dümpelt noch heute irgendwo in meinem Arbeitsprobenfundus herum. Die Kopie dagegen ist fest in meinem filofax verstaut und jederzeit als kleine Erinnerung griffbereit. Als Honorar gab es 60 Mark, von denen ich mir irgendwas zu meinem neuen Lebensgefühl passendes bei H&M kaufte und ein Geschenk von meinem kleinen Bruder, das noch heute und bis in alle Ewigkeit von meinem privaten Schreibtisch grüßt:

Die Zeitungsente Paula Print, ich nenne sie gelegentlich Plitschiplatschi.


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