Heute bin ich auf den Tag genau fünf Jahre als Journalistin für die lokale Tageszeitung meiner Heimatstadt tätig. Im Geschäft bin ich - vom ersten Praktikum und über das Volontariat gerechnet - schon seit 15 Jahren. Journalist werden wollte ich schon mit zehn. Ein bisschen Journalistik studiert habe ich auch (steht alles in der Vita). Vor allem die vergangenen fünf Jahre haben mich viel gelehrt, - auch über mich - hier mal eine kleine Auswahl:
Feuill-e-ach-was...
Obwohl ich unbedingt "was mit Medien" machen wollte, habe nicht direkt Journalistik studiert, sondern meinen Magister in Literaturwissenschaften und dann später ein Volontariat gemacht. Ich glaubte mit Anfang meiner 20er-Jahre nämlich noch, dass ich eines Tages im Feuilleton arbeiten werde. Meinen beruflichen Alltag als Journalist stellte ich mir ungefähr so vor: eine Menge Kaffee und Tee trinken, jeden Tag Bücher lesen und darüber und über sie schreiben, Theater- und sonstige Vorstellungen besuchen und diese rezensieren, nach intensivem Konsum TV-Kritiken verfassen. Künstler aller Art treffen, Ausstellunngen besuchen. Kurzum: Geld mit dem verdienen, was andere Freizeit nennen würden.
Heute kann ich mir das nicht mehr vorstellen. So spannend Kultur auch ist, so stelle ich mir diesen Arbeitsalltag für mich doch als zu wenig abwechslungsreich und zu verkopft dar. Nicht erst seit heute bin ich stolz, Lokaljournalist zu sein. Ich bin Generalist. Böse Zungen behaupten über Lokaljournalisten, sie könnten nichts richtig. Also ich kann ein richtig guter Journalist sein. Und als solcher schreibe ich zwischen vielen anderen Dingen sogar über Kultur und rezensiere. Und dann überschneiden sich Beruf und Freizeit oft genug. Gut so!
Die Kirche im Dorf lassen...
Ich war sieben oder acht Jahre alt, meine beste Freundin ging in die Christenlehre und manchmal erzählte sie mir davon, wenn wir uns nach der Grundschule zum Spielen trafen. Wenn ich dann abends ins Wohnzimmer linste, wo meine Eltern die Nachrichten sahen, sah ich Bilder von Krieg und Hunger auf der Welt. Ich beschloss, dass es keinen Gott geben kann. Fortan wusste ich mit Religion und Kirche nichts anzufangen. Was auch immer ich von dort hörte, kam mir mindestens altbacken und überholt vor. Und verzichtbar.
Ich glaube noch immer nicht an Gott. Aber ich glaube, dass die Kirche wichtig ist. Gerade im ländlichen Raum. In den vergangenen fünf habe ich eine Menge toller Pfarrer kennenlernen dürfen. Ich habe erlebt, wie Jugendarbeit bei der Kirche aussieht und dass manche junge Band keinen Probenraum hätte, wäre da nicht das Gemeindehaus. Ich habe gesehen, wie viel unabhängig von Glaubensbekenntnissen für Kinder, Senioren und Behinderte getan wird - und sei es nur durch das Zuhören und sich Zeit nehmen, das andernorts nicht mehr oder kaum stattfindet. In den vergangenen Monaten habe ich gesehen, wie sich Kirchenvertreter für Flüchtlinge engagieren. Ich habe für mich erkannt, dass es ohne die Kirche nicht geht.
Action, bitte
Mir war klar, dass der Job des Journalisten nicht Nine to Five mit geregelten Arbeitszeiten funktioniert. Aber zum Großteil, hoffte ich sogar noch, kann man sich darauf einstellen, dass es alles planbar ist. Und wenn mal eine Sache wie der abendliche Termin länger dauert, kann man sich ja darauf einstellen und am nächsten Tag später ins Büro. Alles läuft in geregelten Bahnen und Pläne umschmeißen muss man nicht. Dienst nach Vorschrift ist möglich und am Anfang eines Tages weiß man, was er bringt.
Ich habe gelernt: Es ist auch im Journalismus Vieles gut planbar. Man kann den Job zwar nicht immer aber meist sogar als Nine to Five, naja eher Six begehen. Muss man aber nicht. Zum Glück. Scheiß auf "Dienst nach Vorschrift". Ich mag Freizeit, ich habe gerne Zeit für mich, meine Familie und Freunde. Ich komme aber sehr gut damit klar, wenn meine Planungen in Sekunden über den Haufen geworfen werden. Ich stehe auf Action. Wollte ich früher (siehe oben) meine Spezialisierung in Richtung Feuilleton vorantreiben und ein bequemes oft couchbasiertes Leben führen, rutsche ich seit mindestens drei Jahren ins Blaulichtmilieu ab und stelle fest: Ich funktioniere unter dieser Art Stress besonders gut, ich bin inzwischen routiniert. Ich stehe gerne auf der Straße, ein Haufen Kerle um mich und mache Arbeit, die sonst nicht jeder machen will. Blaulicht und Martinshorn. Wenn die Sirenen gehen, schießt mir das Adrenalin in die Adern - und ich mag das. Wann immer was im Blaulichtmilieu passiert, versuche ich dabei zu sein (lest hier) und es möglichst schnell als Nachricht online zu veröffentlichen. Und das Beste: Alle meine Lieben haben Verständnis dafür. Mein Papa würde sagen: "Da machste wenigstens keinen anderen Blödsinn."
Was bewegen...
Einfach mal einen netten Artikel schreiben, den Lesern eine nette Zeit bereiten und das war es dann. So in etwa stellte ich mir das vor. Es versendet sich alles, hatte ich beim Radio gelernt, und irgendwie war mir diese nicht vorhandene Nachhaltigkeit und Wirkung von Journalismus auch über weiteste Strecken ganz recht.
Heute weiß ich, wie viel Einfluss meine Arbeit beziehungsweise wie viel Einfluss ich haben kann. Und das setze ich bewusst ein. Es nervt mich, wenn ich so rein gar nichts bewirke und erreiche. Mein Ziel ist es, zumindest meine kleine lokale Welt ein bisschen besser zu machen. Indem ich über Missstände berichte, Politik transparenter mache, Diskussionen anstoße, den Finger in Wunden lege, Anregungen gebe, Leuten den Spiegel vorhalte. So habe ich schon manches erreicht - unter anderem Verbesserungen für Menschen mit Behinderung, weil ich immer wieder gebohrt habe. So regte ich in der Verwaltung zum Nachdenken und Umsetzen neuer Ideen wie der eines sogenannten Treppensteigers für das bis dahin nicht zugängliche Museum in meiner Heimatstadt an. Der Treppensteiger ist natürlich nicht allein auf meinem Mist gewachsen, aber ich habe - und darauf bin ich wirklich stolz - dazu beigetragen, dass er beschafft wurde. Aber auch indem ich den Lesern einfach mal eine nette Zeit beim Lesen bereite, bewege ich ein wenig. So habe ich zum Beispiel eine Jobserie im Blatt, in der ich in der Ich-Perspektive über meine Selbsterfahrungswerte anderer Berufe (Müllfahrer, Tierpfleger, Kindergärtner, Sekretärin, Straßenwart ...) schreibe. Die Botschaft, immer wieder: Respekt!
Heller-Moment
Dienst ist Dienst. Und Schnaps ist Schnaps. Nun ja. So einfach zu trennen ist das nicht. Eine Frau, mit der ich aufgrund ihrer Pressesprecher-Funktion eigentlich nicht so dicke sein sollte, erzählte mir diverse Male, dass ich der "Kommissarin Heller" vom ZDF ähnlich sei. Die vierte Folge habe ich mir dann mal in der Mediathek reingezogen. Mit diesem Ziel: die Sprüche der Freundin durch fundierte Gegenrede abwehren. Dann besorgte ich mir auch die anderen Episoden und schaute die.
Ich sah (es ein): Heller ist der Typ Kumpel. Vielleicht nicht mal das. Spröde irgendwie, manchmal unterkühlt. Ein Arbeitstier bis an die Grenzen der Selbstausbeutung, fähig über die Grenzen zu gehen. Verheiratet mit ihren Beruf, ihrer Berufung. Eine, die schnell alles checkt und den Durchblick hat und der Dinge auffallen, die sonst keiner sieht. Intuitiv und nicht gefühlsduselig. Taff, selbstbestimmt - und doch seelisch irgendwie angeschlagen. Verzieht oft keine Miene, dann sagen ihre Augen manchmal auch wieder alles. Trotzkopf. Ein bisschen androgyn vielleicht. Charismatisch. Witzig. Sie erinnere manchmal an Schimanski, meint sogar eine Autorin im Feuilleton der Welt. Wenn Heller in ihre Wohnung kommt, will die Ruhe im Karton und kein Gesülze, weil sie sich eh Arbeit mit nach Hause genommen hat. Männer? Klar. Für ein paar nette Nächte - aber sobald das Diskutieren und Rumnörgeln über ihren Job und ihre Art losgeht, ist Schluss mit lustig.
"Ich habe keine Ahnung, wo zum Henker da eine Ähnlichkeit mit mir zu erkennen sein soll" ... gab ich mich mit mir selbst murmelnd selbstironisch, als ich "Kommissarin Heller" in ihrer ganzen Wucht sah. In "Schattenriss" zum Beispiel wird sie nach kurzer Nacht in einer Gruppe Angestellter und Kunden von Bankräubern entführt und als Geisel gehalten. Es gelingt ihr lange, ihre Identität als Polizistin zu verheimlichen. Dann wird sie enttarnt. Die Geiselnehmer halten ihr eine Knarre an den Kopf und fragen, ob sie ihren Job mag. "Ja, ich mag meinen Job", schluchzt sie kurz auf. Ich glaub, sie wutheult ein bisschen. "Es ist das einzige, was ich kann", sagt sie mit Tränen in den Augen. "Ach Mensch, ich weiß", möchte ich ihr auf die Schulter klopfen. Ich weiß, wie das ist. Denn sie meint eigentlich: Ich kann nicht anders. Ich kann nichts anderes sein.
"Ich habe keine Ahnung, wo zum Henker da eine Ähnlichkeit mit mir zu erkennen sein soll" ... gab ich mich mit mir selbst murmelnd selbstironisch, als ich "Kommissarin Heller" in ihrer ganzen Wucht sah. In "Schattenriss" zum Beispiel wird sie nach kurzer Nacht in einer Gruppe Angestellter und Kunden von Bankräubern entführt und als Geisel gehalten. Es gelingt ihr lange, ihre Identität als Polizistin zu verheimlichen. Dann wird sie enttarnt. Die Geiselnehmer halten ihr eine Knarre an den Kopf und fragen, ob sie ihren Job mag. "Ja, ich mag meinen Job", schluchzt sie kurz auf. Ich glaub, sie wutheult ein bisschen. "Es ist das einzige, was ich kann", sagt sie mit Tränen in den Augen. "Ach Mensch, ich weiß", möchte ich ihr auf die Schulter klopfen. Ich weiß, wie das ist. Denn sie meint eigentlich: Ich kann nicht anders. Ich kann nichts anderes sein.
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