Ich sehe mich heute leider zu diesen Fingerübungen hier gezwungen. Ihr müsst das gar nicht lesen. Ich muss das nur schreiben. Dann tauen meine Finger nämlich wieder auf. Meine üble Laune allein schafft das heute nicht, ich brauche einfach Bewegung. Ich hatte heute 17 Uhr einen Termin. Aha, mag der geneigte Leser nun die Augen rollen. Einen Termin zu haben, das ist ja nichts so außergewöhnliches an sich im journalistischen Leben. Ohne Termin keine Fingerübung für die Zeitung, also kein Artikel.
Aber: Dieser Termin war und ist die vollmundig angekündigte Inbetriebnahme eines in der Einladung als "Energie-Juwel" gepriesenen Solar-Mini-Kraftwerks, in Stellung gebracht vor dem "traumhaften" Ambiente eines alten Ritterguts. Zu Gast sollten "bundesweit angereiste Fachexperten" sein, um "modernste autarke Energieerzeugung" zu erleben nebst E-Autos mit "sensationellen" Reichweiten. Dieses Kraftwerk ist eigentlich auch nur ein Türmchen, an dessen Ende eine Fliesenwand wie im Baumarkt, nur eben aus Solar-Modulen, angebracht ist. Eigentlich sieht das Ding ein bisschen aus wie einer dieser Parabolspiegel irgendwo in der Wüste. Ist eigentlich auch sch...egal. Ich habe es nicht so mit Technik. Ich habe einfach nur schlechte Laune.
Denn: Bevor ich zu diesem Termin mit meinem kleinen Auto huschte, welches ich erst noch von Eis befreien musste (die Laune, die Laune!), schrieb ich zu diesem Zeitpunkt noch deutlich besser gelaunt eine XL-Mail, ich müsse nun zu einem dieser 08/15-Termine. Die Art Termin, die irgendwie immer gleich alle gleich langweilig sind: Rede wird gehalten, danach gibt es ein paar Schnittchen, bisschen noch mehr blabla und man kann wieder gehen.
Aber: alles ganz anders als 08/15. Die Inbetriebnahme dieses "Energie-Juwels" findet - natürlich - im Freien statt. Es reicht den Protagonisten aber nicht, mal symbolisch einen Stecker in die Steckdose zu wamsen. Nein! Es muss ja die ganz große Show sein. Bei Minusgraden. Im Freien. Wo es stockfinster ist. Das muss man dann einfach mal auf sich wirken lassen: Laser-Show. Klassische Musik. Nebelmaschine. Ich meine die Götterdämmerung von Wagner zu vernehmen - das kann aber auch Einbildung sein. Laser. Musik. Nebel. 15 Minuten lang. Dann wird der Solarspaß angemacht. Nebel pufft, der Laser schnellt gen Himmel. Dann Rede. Technische Details und Daten. Vortrag. Im Freien. Wo es stockfinster ist. Und kalt. Schon mal versucht im Dunkeln mit Eisfingern zu schreiben, wenn einem die Tinte im Kulli gefriert und alle um einen herum entweder Handschuhe* oder die Finger in den Hosen- und Manteltaschen tragen, weil es knirschkalt ist? Nein? Nicht? Klar! So eine Schwachsinnsidee hat ja auch sonst keiner!
Also: Der Mann, der auch die Presse eingeladen hat, macht jetzt aus seinem "Energie-Juwel" gleich noch einen "Energie-Diamanten". Und es ist ihm auch sehr wichtig zu sagen, dass man in ein komplettes Überwachungssystem investiert hat und man als Gast hier quasi vom Parkplatz bis zur Eingangstür des "traumhaften" Ambientes namens Rittergut komplett gefilmt wird - mit Nachtsichttechnik. Wenn ich die von Blindheit geschlagenen Kringel in meinem Notizbuch richtig deute, habe ich das so auch aufgeschrieben. Erst nach 40 Minuten in der Kälte begeben wir uns ins Innere des "traumhaften" Ambientes. Dort gibt es Glühwein zum Aufwärmen. Den man aber nicht trinken kann, wenn man mit dem Auto ist. Kein Tee, kein Kaffee. Alkohol. Und der Mann spricht wieder vom "Energie-Juwel" - in dem Raum sind 20 Leute und er hantiert dabei mit einem Mikro als wäre er Thomas Gottschalk vor ausverkaufter Stadthalle. Mir friert das Gesicht ein - ich wünsche mich in die Dunkelheit zurück und stehle mich davon.
Und: Wenn ich jetzt Glühwein im Haus hätte, würde ich mir diesen Termin nachträglich warm, hell und vollkommen 08/15 saufen!
Gemerkt? Mein Job ist manchmal nervig - Euer Job! hier ist besser. Sucht, was ich lesen soll und Ihr hören wollt. Danke!
* Ich hatte meine Handschuhe im Auto gelassen. Ich dachte nämlich, dass sie mir nur im Weg sind, wenn ich nach einem kurzen und sinnvollen (!!!) Moment draußen dann im warmen Gebäude mit Kamera, Notizbuch und Stift hantieren muss oder ich sie versehentlich an der Garderobe vergessen könnte. Oder so. Ja! Ich hab sie einfach vergessen. Schreibt sich aber auch blöd mit Handschuhen.
* Ich hatte meine Handschuhe im Auto gelassen. Ich dachte nämlich, dass sie mir nur im Weg sind, wenn ich nach einem kurzen und sinnvollen (!!!) Moment draußen dann im warmen Gebäude mit Kamera, Notizbuch und Stift hantieren muss oder ich sie versehentlich an der Garderobe vergessen könnte. Oder so. Ja! Ich hab sie einfach vergessen. Schreibt sich aber auch blöd mit Handschuhen.
1 Kommentar:
Gut zu wissen. Also nie mehr dort essen! Bin doch kein Filmstar.
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