Donnerstag, 4. März 2021

Meine Mähntorin

Lange gab es hier nichts Neues zu lesen. Genauer seit dem Februar 2020 nicht. Nun. Ist ja wohl klar. Corona!

Wir alle wissen, was sich in der Welt geändert hat seit und mit 2020. Will man da eigentlich noch eine Geschichte dazu lesen? Ist man da nicht langsam einfach nur müde?

Ich habe inzwischen an drei Adressen im Homeoffice gearbeitet - und an mehr als drei Tagen habe ich darüber nachgedacht, doch auch mal über dieses Dasein im Homeoffice zu schreiben oder meine inzwischen gut erprobten Tipps dazu weiterzugeben. Und wegen der drei Adressen hätte ich ja auch jede Menge zu erzählen.

Was mich aber heute dazu bewegt, auch hier mal wieder zu schreiben, ist eine beschissene Nachricht.

Es gibt ja noch immer diese eine Krankheit, die Corona in Beschissenheit, Unfairness und Arschigkeit in absolut nichts nachsteht. Und als ich davon erfuhr, hatte ich sofort einen Kloß im Hals.

Seltsam... Wenn man von der schweren Erkrankung eines Menschen erfährt, denkt man nie ausschließlich an diese betroffene Person und nur über sie nach, sondern das eigene Hirn verknüpft in seinem Schock alles wieder nur mit einem selbst und man denkt über sich in Verbindung zu dieser Person nach und was sie für einen bedeutet. Vielleicht aber sagt dieses Ichichich auch ganz viel über diesen Menschen.

Also...

Es ist die Frau, die mich für meine berufliche und private Laufbahn weit mehr geprägt hat als sie selbst vielleicht auch nur erahnen könnte.

Ich fing gerade als Volontärin an und das ausgerechnet im Wirtschaftsressort, in dem damals ein Boss der Boss war, der sich teils schlimmer als die Bossin in "Der Teufel trägt Prada" zu benehmen wusste. Insgesamt eine harte Schule also. Geschadet hat es mir übrigens nicht. Dafür vielleicht anderen, bei denen ich heute diese Härte gern mal anlege... Was ich aber mit meinen ersten vier Wochen journalistischer Ausbildung vor allem verbinde, ist und bleibt diese Kollegin. 

Ich war damals noch keine 24 (bald werde ich 37) und hatte vergleichsweise wenig mit der Person/Persönlichkeit zu tun, die ich heute bin. Und dass ich heute so bin wie ich bin, das hat wohl auch viel mit dieser Kollegin zu tun.

Schon am zweiten Tag nahm sie mich zur Seite und referierte einfach so aus der Kalten heraus: "Mädchen, du kannst was, das sehe ich. Sei nicht so schüchtern. So bist du nicht. Lass dir nicht die Butter vom Brot nehmen, lass dich nicht unterbuttern - hier nicht und auch sonst nicht. Man wird dich natürlich für eine Zicke halten, dann weißt du, dass du es richtig machst." 

Was genau das hieß und was sie damit meinte, hat sie mir in den folgenden Wochen nie erklärt, sondern einfach vorgelebt: klare Kante, Kompetenz, Pfeifen auf Klischees, Selbstbewusstsein, Durchsetzungsvermögen, Härte in der Sache, mehr Nein als Ja sagen, überhaupt den Mund aufmachen und klare Worte nutzen, sich nicht den Mund verbieten lassen, sich nicht ins Wort fallen lassen, Einstehen für die Dinge, die einem wichtig sind, anderen die Stirn bieten, nicht gefällig sein um anderen zu gefallen und viele viiiiiele Dinge mehr waren einfach ihr Naturell - Eigenschaften, die Männern auch heutzutage noch immer den positiven Macher-Stempel und Frauen den als "komplizierte Zicke" einbringen.

Unsere Wege trennten sich. Ich fasste nach dem Volontariat und einigen Umwegen in der einen Redaktion Fuß, sie wechselte in eine andere. Für mich ging es beruflich auf und ab, privat übrigens auch - manches davon hatte auch damit zu tun, dass ich mir nicht die Butter vom Brot nehmen lassen wollte, und ich bereue das in keiner Sekunde! Sogar der Betriebsrat (sie saß übrigens im Betriebsrat) musste hinzugezogen werden wegen meines Butterbrots und der Art, wie ich es verteidigte.

Und eines Tages traf ich sie zufällig auf einem Bahnsteig wieder. Sie grinste. "Du hast dir ja ein richtig fieses Zicken-Image erarbeitet die letzten Jahre", sagte sie. Schon kam ihre Bahn. Und mit einem "Määääääh, mach nur weiter so!" stieg meine Mentorin ein.

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