Donnerstag = Planungstag. An diesem Tag muss jeder Reporter/Redakteur der Redaktion einen Plan abgeben, in dem er auflistet, was er an welchem Ausgabetag der nächsten Woche abliefert – Aufmacher, Kellerbeiträge, Fotos, Anker und die Seite 3. Daraus wiederum entsteht der Wochenplan der Redaktion. Ich sollte also jetzt schon wissen, was am Montag in einer Woche in der Tageszeitung steht. Und ich weiß, welchen Aufmacher mein Kollege am nächsten Donnerstag liefern wird. Schöne Listenwelt ... Und ihre Qualität ist den Beurteilern der Liste so wichtig wie die Quantität der Liste.
Kurzum: Donnerstag ist kein beliebter Tag unter den meisten Redakteuren. Bislang kam ich noch ganz gut zurecht mit diesem Tag und habe – finde ich – immer wieder gute Themen angeboten und davon auch nicht zu knapp. Ich habe mich gefreut auf diese vielen kleinen und großen Projekte der nächsten Tage. Und strukturiertes Arbeiten und Organisation liegen mir ohnehin, ich konnte also in 99 Prozent der Fälle garantieren, dass ich auch liefere, was ich notiert habe. Alles schick.
Nicht mehr. Jetzt mutiert der Donnerstag auch für mich zu einem Montag wie ihn jeder Angestellte fürchtet. Donnerstag? Mäp, hör mir uff mit dem! Donnerstag? Hab ich keinen Bock drauf! Waaaaaas, schon wieder Donnerstag? Och nö, ich möchte lieber liegen bleiben.
Ist klar. Erst recht zum Jahresende. Die Redaktion ist müde, die Kollegen scheinen leer und verbraucht. Jetzt hat es auch mich, mit 33 Jahren das „Küken“ der Redaktion (schlimm genug, dass man in dem Alter die Jüngste einer Redaktion sein kann), auch erwischt. Ich fühle mich noch leerer und noch verbrauchter. Ich bin müde. So kommt Donnerstag X und plötzlich fällt einem nicht mal mehr ein, was man auf den Plan schreiben soll. Weil da nix ist. Keine Idee, kein Funke, keine Lust. Alles 08/15 und manchmal nicht mal das. Kein Kracher. Kein Knaller. Keinen Bock.
Kein Wunder!
Ich habe das mal ausgerechnet. Durchschnittlich schreibe ich – wie vermutlich gefühlt 90 Prozent der Kollegen (bzw. mindestens 90 Prozent fühlen sich so) - täglich bis zu 220 Zeilen. Das ist so ungefähr jeden Tag die Textmenge, die der Mittelbau einer klassischen Zeitungsseite fasst plus drei bis vier kleinere Nachrichten. An Spitzentagen sind es 500 Zeilen. Tage unter 200 Zeilen in den vergangenen Wochen und Monaten fallen mir kaum noch ein, eine Handvoll könnten es sein. Natürlich ist Schreiben mein Job. Und grundsätzlich ist der Job einer der schönsten der Welt. Nur die Umstände sind beschissen.
Jeden Tag solche Textmengen ausstoßen zu müssen, bedeutet schlicht irgendwann geschlaucht zu sein. Das kann nicht anders kommen. Denn es geht ja nicht allein darum, die Zeilen einfach nur zu schreiben. Bis man die Zeilen hat, ist ja jede Menge Arbeit zu tun. Telefonate, Termine, schriftliche Anfragen, Besuche vor Ort, Fotos bzw. die Organisation von Fotos … na Recherche und so eben …
Für Ideen, für Funken, für Kreativität braucht es Luft zum Atmen, die nicht gegeben ist beim Hetzen von einer Zeile zur nächsten. Gute Zeilen allein schon in Sachen Stilistik wachsen davon auch nicht. Für gute Arbeit, gründliche Arbeit und schließlich den Anspruch der vierten Gewalt (... na Recherche und so eben ...) braucht es Zeit, die nicht gegeben ist beim Hetzen von einer Zeile zur nächsten.
Will ich damit jammern? Nö. Also ... jein. Dann könnte ich mir diesen schönen Job woanders suchen und Ruhe is. Genau an diesem Punkt fängt jetzt das Jammern an! Das Jammern über Journalismus heutzutage.
Es geht nicht um mich, es geht nicht um meine Redaktion, es geht nicht um dieses eine Medium. Das ist nur ein Beispiel aus dem konkreten Erleben. Wo auch immer man hinhört und sich mit Redakteuren austauscht, über welche Tageszeitung man auch immer in Branchenmagazinen liest, was auch immer die Gewerkschaften kommunizieren, was auch immer man recherchiert – das Problem ist (fast) überall genau das gleiche. Redaktionen sind personell zu knapp besetzt, immer weniger Leute müssen in Zeiten des Digitalisierungswahns (alles zuerst online, noch ein Video, schnell eine Bildergalerie) immer mehr Arbeit leisten und entfernen sich auch dadurch immer weiter vom Journalismus wie er sein sollte – die abverlangte Quantität killt jede Qualität. Und am Ende schimpft wieder einer Lügenpresse ... und ein Funke Wahrheit ist dran.
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