Es ist neben meinem ersten Shitstorm gerade nicht leicht mit der ironischen Betrachtung des lokalen Journalismus. Es gibt nicht viel zu lachen. Die Stimmung außerhalb der Redaktionsräume bereitet Sorgen:
Es gibt eine ältere Dame, die ruft mich mindestens einmal im Jahr an. Sie wohnt in einem Wohngebiet, dem etliche Jahre nach der Erschließung noch immer etwas fehlt - der verbindende Fußweg zu anderen Wohngebieten. Sie bittet mich Jahr für Jahr, bei der Stadtverwaltung zu fragen, wann der endlich mal gebaut wird. Die Stadtverwaltung vertröstet von Jahr zu Jahr. Von Jahr zu Jahr schreibe ich darüber.
Dieses Jahr meldete sich ein Leserbriefschreiber. In dem Artikel werde vollkommen verschwiegen, dass der Landkreis darüber nachdenkt, einen Radweg zum außerorts befindlichen Asylbewerberheim zu bauen. Noch ist es so, dass die dort untergebrachten Männer auf der Bundesstraße unterwegs sein müssen, um in die Stadt zu gelangen. Indem der Artikel diese Radwegbau-Überlegung zugunsten "dieser Leute" verschweige, müsse man sich als Journalist nicht über die Bezeichnung "Lügenpresse" wundern. Es sei typisch, dass Fakten weggelassen und verschwiegen würden - der Artikel hätte mindestens dies benennen müssen plus noch einige andere Dinge, die für Asylanten statt für den Fußwegbau getan würden. Mit solchen Artikeln bringe man die Leute zu Legida, Pegida und anderen - und gegen sich, die Presse, auf. Wundern solle man sich nicht.
Kürzlich gestand ein Kollege, dass sein Bericht zu einer Infoveranstaltung zur Unterbringung von Asylbewerbern in einem Dorf für ihn nicht ohne Folgen geblieben sei. Der Kollege hatte einen neutralen Bericht über die Debatte des Abends verfasst und beide Seiten - sofern die Äußerungen nicht offenkundig schon selbst strafbar waren - zu Wort kommen lassen. Er hatte die Fakten rübergebracht, keine Meinung oder Wertung geäußert, es glückte ihm tatsächlich Neutralität. Er hatte nur eines nicht getan - einen ausländerfeindlichen Text verfasst. Nun erzählte er: Man ließ ihn kürzlich eindringlich wissen, er solle sich nicht wundern, wenn sein Auto eines Tages ohne Räder dastehe oder es sonst irgendwelche gravierenden Probleme für ihn geben würde.
Ohne Worte ...
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