Sonntag, 17. August 2014

B-Bilanz (was gelernt)

Man könnte sagen, dass ich mit just B (Jahresurlaub irgendwo im Nirgendwo Brandenburgs) ohne mich großartig vom Fleck zu bewegen* für meine Verhältnisse sehr weit gekommen bin. Zumindest habe ich zusätzlich zu diesen hier noch ein paar/Paar Erkenntnisse mehr gewonnen:

Ich kann mich selbst erkennen


Nach langer und schöner Einsamkeit habe ich ein paar der Tage in Brandenburg auch mit dem dort sesshaften Teil meiner Familie zugebracht. Dazu zählt meine noch keine drei Jahre alte Nichte. Nicht nur, dass ihr und mir oft eine äußerliche Ähnlichkeit nachgesagt wird. Das habe ich früher ja gerne mal belächelt, denn meine Nichte ist "nur" meine Nichte und ja nicht mein Spross. Aber inzwischen habe ich erkannt, dass es beim Hervorheben unserer Ähnlichkeit wohl nicht nur um große Kulleraugen geht, in denen man fast jeden Gemütszustand der Inhaberin lesen kann. Gewisse Charaktereigenschaften scheinen diesen Eindruck der Ähnlichkeit zu verschärfen: Eines der ersten deutlich und klar hervorgebrachten Worte der Kleinen war "Nein". Sie benutzt das Wort sehr gerne, artikuliert es sehr deutlich, sehr oft und manchmal - scheint mir - auch einfach nur aus Prinzip. "Alleine" (eher "lllleinäh" gesprochen) ist ein weiteres Prinzip, das meine Nichte konsequent bis zur Beratungsresistenz verfolgt. Sie meint, dass sie grundätzlich alles "lllleinäh" kann und nimmt erst nach mehreren Fehlschlägen eher missmutig Hilfe an. Sie entscheidet die meisten Dinge - gemäß ihres Alters natürlich - in ihrer Lebenswirklichkeit auch "lllleinäh" und nicht immer zu ihrem Vorteil, zieht das dann aber knallzart durch. So kam es, dass sie mit mir zu einem kleinen Spaziergang in Richtung Wald aufbrach, das Tragen von Schuhen dabei aber vehement ablehnte und sich lieber "lllleinäh" über einen Schotterweg quälte. Ich habe ihr mehrfach meine Hilfe angeboten, wollte sie tragen, sie einfach auf meinen Arm nehmen und ihr die Schmerzen des fies in ihre zarten Füße pieksenden Splitts nehmen. Dass es wirklich richtig schmerzte, haben ihre nicht lügen könnenden Augen verraten. Sie hat sich massiv gegen meinen Griff gewehrt und immer wieder "lllleinäh" und "Neiiiiiiiiiiiiin" gesagt. Nein, es würde gar nicht weh tun. Nein. Nein, sie könne alleine weiterlaufen. Allein. Nein und "lllleinäh". Aus Prinzip. Und zwar nur aus Prinzip! Wenn sie eines Tages lesen kann, so möge sie mir und sich das Folgende und den miesen Ausdruck für diese Erkenntnis verzeihen, aber: Blöde Kuh!

Ich kann auch anders

 

"Was hat Brandenburg nur mit dir gemacht?" Mit diesen Worten hat eine liebe Kollegin wohl ihre Wertschätzung für neue Züge an mir ausgedrückt. Sie schickte mir eine Nachricht auf mein Handy, in der sie sich nach meinem Befinden erkundigte. Anders hätte sie mich kaum erreicht, persönlich sprechen konnte sie mich entgegen meiner sonstigen Muster nämlich noch nicht. Über Jahre lief der Jahresurlaub bei mir immer so ab: ich war maximal (maximal!) zehn Tage weg, in denen ich die Arbeit der Kollegen auch in der Ferne verfolgte und spätestens (spätestens!) einen Tag nach der Heimkehr habe ich die Redaktion aufgesucht, mich auf den neuesten Stand gebracht und Termine besprochen - obwohl ich eigentlich noch einige Tage Urlaub hatte. Das habe ich dieses Mal nicht getan. Ich bin zwar seit fast einer Woche wieder in der Stadt, habe aber konsequent den Job und das Redaktionsbüro links liegen lassen. Und das obwohl ich oft dort vorbeigehe. Es entspann sich also eine kleine Konversation via Handy-Nachrichten, in deren Verlauf ich neben "Ich habe nix vermisst" unter anderem auch gestand, dass mich nach zwei Wochen Alkoholabstinenz zwei Bier im Verlaufe eines ganzen Abends ganz schön schwummerigtudeligbeschwipst gemacht hätten, ich ein paar Tage später dann sogar auf nur ein Bier so reagierte und ich den Verlust meiner erschreckend gut antrainierten Trinkfestigkeit nun nicht die Spur bedauern würde. "Weißt du, es geht doch um ein Rauschmittel und da sollte es doch normal sein, dass man relativ zeitig darauf beschwipst reagiert und nicht erst ganze Weinflaschen allein in sich reinschüttet, bis man ansatzweise was merkt.", schrieb ich. Ich sei insgesamt grad sehr entspannt, schilderte ich. Ich gestand der Kollegin auch, dass ein Mann mich erst kürzlich zum "einfach mal nett sein" aufgefordert hat und ich das sehr gut und gerne hinbekommen habe - und es obendrein okay für mich war. Die Kollegin meinte am Ende, dass das alles mir zuliebe mehr als okay wäre. Recht hat sie.

* Buchseiten umblättern während man auf einer Wiese unter einem Kirschbaum liegt und sich gelegentlich vom Rücken auf den Bauch und wieder zurück zu drehen, ist nicht wirklich bewegen.

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