Freitag, 29. August 2014

Folgegeschichte

Immer wieder spannend und schön ist es im Journalismus, eine an sich "alte" Geschichte wieder aufzugreifen und mal zu schauen, was aus X oder Y oder Z geworden ist. Ich selbst lese das auch gerne. Ich schreibe das auch gerne. Ich will das gerne auch hier leisten.

Möglicherweise hat sich ja auch nie einer von Euch gefragt, was eigentlich aus dem folgenden formschönen Paket lokaler Zeitung hier wurde (Ja, was wurde eigentlich aus der lokalen Zeitung? - diese Frage wird schneller zu klären sein, als je befürchtet): 


Es entpuppte sich als:


Ich schrieb darüber im Post "Der Wert der Zeitung". Heute möchte ich kundtun, was daraus wurde. Blühende Landschaften (der geschundenen lokalen Zeitung entsprungen):

Es ist eine Starovase.

Sonntag, 24. August 2014

Angesprochen

Die erste Arbeitswoche nach Urlaub habe ich hinter mir. Es war gar nicht mal so schlecht. Obwohl ... oder besser gerade weil ich die Umfrage machen musste. Bekanntlich mag ich Umfragen - to do: Foto und kleine Meinung des Otto Normal auf der Straße einholen - nicht besonders (das steht hier). Etwas anders lief es in dieser Woche. 

Immer wieder sehe ich in der Stadt eine ältere Dame, die mich immer (!) nett anlächelt. Ich begegne ihr auf dem Weg zum Bäcker, auf dem Weg zum Imbiss, auf dem Weg in den Konsum, auf dem Weg zu meinen Eltern, auf dem Weg zum Arzt. Sie lächelt. Und ich lächle zurück. Immer. Vielleicht ist sie so Anfang 70. Sie trägt - leider - diesen beigen Einheitslook, wie ihn ältere Frauen gerade im Osten Deutschlands offenbar mit Auszahlung der ersten Rente vermacht bekommen. Aber sie hat eine fesch dunkelblond toupierte Frisur und trägt Lidschatten und Eyeliner, was ich ja einen netten Bruch dieser Beigetristigkeit finde. Auf dem Weg zur Umfrage begegnete sie mir auch und ich ergriff meine Chance, sprach sie an: "Hallo!", sagte ich. "Sie lächeln mich immer so nett an. Kennen wir uns? Und ich, ich kann mich nicht mehr erinnern? Dann tut es mir leid!", fuhr ich fort. Und sie lächelte mich wieder an und sagte: "Nein, Sie kennen mich nicht. Aber ich kenne Sie aus der Zeitung. Und ich finde das alles so gut, was Sie machen und darum lächle ich!" Meine Wangen fingen zu glühen an, ich lächelte verzückt und dankte mehrfach für dieses Kompliment. Hach. Und ach: An der Umfrage, übrigens, wollte sie trotzdem nicht teilnehmen. Also findet sie doch nicht alles gut, was ich für die Zeitung mache. Aber was soll's, ich mag die Umfrage ja auch nicht.

Meinen Freitagabend verbrachte ich teilweise im nahen Konsum. Ich erledigte meinen Wocheneinkauf. Zwei Mal. Es muss das Alter sein. Oder der Stress. Oder so. Ich werde vergesslich, nutze aber auch keinen Einkaufszettel. Und ich bin in Gedanken oft ganz woanders. Als ich das beim ersten Anlauf Gekaufte in meinem Kühlschrank verstaute, stellte ich fest, dass ich einiges vergessen habe. Also lief ich wieder los, um das Fehlende wie Schnittkäse zu kaufen. Die Frau an der Kasse hat sich gefreut, mich zwei Mal in nicht mal einer Stunde zu sehen. Ich freute mich, beim zweiten Blick noch was Neues an Leckerschmeckern in den Regalen zu entdecken. Und meine Mutter würde sich nach mehr als einem Jahr Singletums meinerseits vielleicht freuen, dass ich nun offiziell mal wieder die Mutter eines Mannes kennengelernt habe. Als ich gerade dachte "2.39 Euro für 80 Gramm Serrano-Schinken, das finde ich nicht übertrieben" sprach mich eine Frau an. Sie sagte: "Ich wollte das immer mal machen. Aber heute spreche ich Sie mal an!", was ich ja die ideale Gesprächseröffnung finde, wenn man jemanden schon immer mal ansprechen wollte. Sie kam dann schnell zum Punkt: "Ich bin die Mutti vom XL." Das ist jener schwer verunglückte Feuerwehrmann, der mich zum Weinen brachte, mittlerweile ein Freund im bruderhaften Sinne ist (wir sprachen kürzlich über mein PMS) und dem ich die wichtigste Geschichte meiner Laufbahn verdanke (steht hier in XL). Sie habe mich ja immer schon mal gesehen und sich erst heute das Herz gefasst, mich anzusprechen. Das gibt mir zu denken. Habe ich sonst die Ausstrahlung eines Menschen, den man besser nicht anspricht? Gut möglich. Aber trotzdem ein wunderbarer, warmer und zuckersüßer Moment. Ich habe mich sehr, sehr, seeeeeeeehr gefreut. Hach. Und ach: Meine Mutter freut sich sogar, dass ich nach wie vor Single bin. Ich schätze mal: Genauso wie sie gerne hätte, dass ich endlich mal ein Buch schreibe, ist auch mein Singleleben ein bisschen Ausleben verpasster Dinge in ihrem Leben. Und außerdem habe ich jetzt Serrano-Schinken im Kühlschrank.

Sonntag, 17. August 2014

B-Bilanz (was gelernt)

Man könnte sagen, dass ich mit just B (Jahresurlaub irgendwo im Nirgendwo Brandenburgs) ohne mich großartig vom Fleck zu bewegen* für meine Verhältnisse sehr weit gekommen bin. Zumindest habe ich zusätzlich zu diesen hier noch ein paar/Paar Erkenntnisse mehr gewonnen:

Ich kann mich selbst erkennen


Nach langer und schöner Einsamkeit habe ich ein paar der Tage in Brandenburg auch mit dem dort sesshaften Teil meiner Familie zugebracht. Dazu zählt meine noch keine drei Jahre alte Nichte. Nicht nur, dass ihr und mir oft eine äußerliche Ähnlichkeit nachgesagt wird. Das habe ich früher ja gerne mal belächelt, denn meine Nichte ist "nur" meine Nichte und ja nicht mein Spross. Aber inzwischen habe ich erkannt, dass es beim Hervorheben unserer Ähnlichkeit wohl nicht nur um große Kulleraugen geht, in denen man fast jeden Gemütszustand der Inhaberin lesen kann. Gewisse Charaktereigenschaften scheinen diesen Eindruck der Ähnlichkeit zu verschärfen: Eines der ersten deutlich und klar hervorgebrachten Worte der Kleinen war "Nein". Sie benutzt das Wort sehr gerne, artikuliert es sehr deutlich, sehr oft und manchmal - scheint mir - auch einfach nur aus Prinzip. "Alleine" (eher "lllleinäh" gesprochen) ist ein weiteres Prinzip, das meine Nichte konsequent bis zur Beratungsresistenz verfolgt. Sie meint, dass sie grundätzlich alles "lllleinäh" kann und nimmt erst nach mehreren Fehlschlägen eher missmutig Hilfe an. Sie entscheidet die meisten Dinge - gemäß ihres Alters natürlich - in ihrer Lebenswirklichkeit auch "lllleinäh" und nicht immer zu ihrem Vorteil, zieht das dann aber knallzart durch. So kam es, dass sie mit mir zu einem kleinen Spaziergang in Richtung Wald aufbrach, das Tragen von Schuhen dabei aber vehement ablehnte und sich lieber "lllleinäh" über einen Schotterweg quälte. Ich habe ihr mehrfach meine Hilfe angeboten, wollte sie tragen, sie einfach auf meinen Arm nehmen und ihr die Schmerzen des fies in ihre zarten Füße pieksenden Splitts nehmen. Dass es wirklich richtig schmerzte, haben ihre nicht lügen könnenden Augen verraten. Sie hat sich massiv gegen meinen Griff gewehrt und immer wieder "lllleinäh" und "Neiiiiiiiiiiiiin" gesagt. Nein, es würde gar nicht weh tun. Nein. Nein, sie könne alleine weiterlaufen. Allein. Nein und "lllleinäh". Aus Prinzip. Und zwar nur aus Prinzip! Wenn sie eines Tages lesen kann, so möge sie mir und sich das Folgende und den miesen Ausdruck für diese Erkenntnis verzeihen, aber: Blöde Kuh!

Ich kann auch anders

 

"Was hat Brandenburg nur mit dir gemacht?" Mit diesen Worten hat eine liebe Kollegin wohl ihre Wertschätzung für neue Züge an mir ausgedrückt. Sie schickte mir eine Nachricht auf mein Handy, in der sie sich nach meinem Befinden erkundigte. Anders hätte sie mich kaum erreicht, persönlich sprechen konnte sie mich entgegen meiner sonstigen Muster nämlich noch nicht. Über Jahre lief der Jahresurlaub bei mir immer so ab: ich war maximal (maximal!) zehn Tage weg, in denen ich die Arbeit der Kollegen auch in der Ferne verfolgte und spätestens (spätestens!) einen Tag nach der Heimkehr habe ich die Redaktion aufgesucht, mich auf den neuesten Stand gebracht und Termine besprochen - obwohl ich eigentlich noch einige Tage Urlaub hatte. Das habe ich dieses Mal nicht getan. Ich bin zwar seit fast einer Woche wieder in der Stadt, habe aber konsequent den Job und das Redaktionsbüro links liegen lassen. Und das obwohl ich oft dort vorbeigehe. Es entspann sich also eine kleine Konversation via Handy-Nachrichten, in deren Verlauf ich neben "Ich habe nix vermisst" unter anderem auch gestand, dass mich nach zwei Wochen Alkoholabstinenz zwei Bier im Verlaufe eines ganzen Abends ganz schön schwummerigtudeligbeschwipst gemacht hätten, ich ein paar Tage später dann sogar auf nur ein Bier so reagierte und ich den Verlust meiner erschreckend gut antrainierten Trinkfestigkeit nun nicht die Spur bedauern würde. "Weißt du, es geht doch um ein Rauschmittel und da sollte es doch normal sein, dass man relativ zeitig darauf beschwipst reagiert und nicht erst ganze Weinflaschen allein in sich reinschüttet, bis man ansatzweise was merkt.", schrieb ich. Ich sei insgesamt grad sehr entspannt, schilderte ich. Ich gestand der Kollegin auch, dass ein Mann mich erst kürzlich zum "einfach mal nett sein" aufgefordert hat und ich das sehr gut und gerne hinbekommen habe - und es obendrein okay für mich war. Die Kollegin meinte am Ende, dass das alles mir zuliebe mehr als okay wäre. Recht hat sie.

* Buchseiten umblättern während man auf einer Wiese unter einem Kirschbaum liegt und sich gelegentlich vom Rücken auf den Bauch und wieder zurück zu drehen, ist nicht wirklich bewegen.

Dienstag, 12. August 2014

B-Bilanz (ein Anfang)

Nach nur 17 Tagen ist es vorbei mit just B. Ich fühl' mich heut' so leer ... ich fühle mich nicht mehr Brandenburg. Ich bin zurück und frage mich woher der Satz "Zu Hause ist es doch am schönsten" kommt. Die schönste Zeit des Jahres habe ich in einem noch schöneren Landstrich verbracht, in dem sich Hase und Igel wirklich noch gute Nächte wünschen und sonst nicht viel passiert, die bloße Ruhe herrscht - auch in mir. Hier, "zu Hause", ist die Stille unerträglich laut.

17 ganze Tage und ein paar halbe, davon den Großteil in totaler Einsamkeit und allein in der guten Gesellschaft meiner selbst, habe ich in Brandenburg verbracht. Während mein größter Bruder mit seiner, meiner Familie auf Urlaubsreise war, habe ich das Haus gesittet. Das heißt: im Garten mal das Fallobst aufsammeln, den Katzen Futter geben, bei Bedarf die Blumen gießen, die Post aus dem Kasten holen und sonst ... nichts ... Ich war - es sei denn, ich wurde gestört - der Inbegriff des Gleichmuts. Ich habe es in dieser Zeit als vollwertige Tätigkeit betrachtet, dass sich Buchseiten nicht von allein umblättern. Ich habe oft gar nichts gedacht und dann wieder ganz viel. Ich habe immer nur in den Tag hinein gelebt und nichts weiter getan als zu sein.

Ich weiß nun nicht wie ich meinen Füßen beibringen kann, dass sie bald wieder ausschließlich festes Schuhwerk um sich haben müssen und der Großteil meiner Haut zum Großteil bedeckt bleibt (kurze Hosen, Flip-Flops und Bikini-Oberteil sind für mich da, wo ich grad herkomme ein Outfit für jede Gelegenheit). Mir fällt auch gerade niemand ein, der mir für mich logisch erklären könnte, dass man jenseits des Kindergartenalters keinen Mittagsschlaf mehr macht. Was ist mit all den guten Büchern, für die ich nun keine Zeit mehr habe? Und die weniger als die gewohnten mindestens 13 Stunden frische Luft am Tag haben mir gestern schon die ersten Kopfschmerzen seit Wochen beschert. Kurz: Ich habe großes Brandenburgweh.

Aber es war ja auch nicht alles perfekt. Meine Pläne sind nicht ganz aufgegangen. Ich wollte eigentlich gar keine Medien konsumieren. Und doch habe ich jeden Morgen (aufgestanden bin ich wirklich nur nach Lust und Laune, mal um sechs und mal um zehn Uhr morgens) nach dem Schluffischluffgang zum Briefkasten in die lokale Zeitung geblickt. Um mich über die Wetteraussichten zu informieren und jeden Tag "bloß" wieder aufs Neue zu erfahren, dass es sehr sonnig und sehr warm und am Ende des Tages gewittrig wird. Das mit der Zeitung hat mir auch geholfen, überhaupt zu merken, welcher Wochentag gerade ist. Manchmal habe ich dadurch aber leider auch mitbekommen, dass die Welt sich weiterhin dreht und gedreht hat und der ganze Mist von Israel bis Ukraine sich doch nicht in Luft aufgelöst hat. Dann habe ich die Zeitung und die Medien aber schnell wieder ausgeblendet.

Sobald ich mit dem Rad (meistens) oder Auto (selten) die Landschaft unter die Räder genommen habe, wurde die Funkstille unterbrochen und mein Handy hatte im Gegensatz zum Brudergrundstück zuverlässigen Empfang, den ich obendrein und in Anbetracht diverser Sachlagen leider auch noch genutzt habe. Unter anderem habe ich so immer wieder erfahren, dass die Sache mit der Zeitungskrise kein Ende nimmt. Und ich wollte doch auch meinen Beruf nicht thematisieren ... und mit den brandenburgischen Seelen in meiner Nachbarschaft funktionierte das auch sehr gut, weil denen ganz andere Dinge an mir wichtig waren - nämlich (und das nicht im oberflächlichen Sinne) nur mein Aussehen, dem sie mit Ausdrücken wie "so wie du mit die Oogen gucken tust, siehst du aus als wie wenn du die Kleene von ... bist" oder "wenn man dit nicht besser wüsste, könnte man denken du bist nicht das Tantchen sondern die Mama von ..." die größtmögliche Ähnlichkeit zu meinem Bruder und meiner Nichte bescheinigten.

Dann habe ich aber eines Tages einen Tramper mitgenommen. Der sah das Presse-Schild in der Windschutzscheibe meines Wagens und stellte daher neugierige und interessierte Fragen zu meinem Beruf, die ich auch brav beantwortet habe - später zu diesen gut 30 doch recht vergnüglichen und erkenntnisreichen Autominuten vielleicht mal mehr. Bezeichnend aber ist der folgende Satz: "Ich liebe ihn, aber das hat leider überhaupt keinen Sinn." - und das sagte ich über keinen geringeren als meinen Beruf.