Die Journalistikstudenten an einer der ältesten Universitäten
Deutschlands absolvieren, vergleichbar am ehesten mit dem Arzt im
Praktikum, ein Volontariat. Eigentlich ein Job wie jeder anderer. Vorher wird geredet. In Gruppen mit mehreren Kandidaten. Bewerbungsgespräche in Gruppen sind ... eine gute Sache für die, die gerade Volontäre einstellen und sich dabei Zeit sparen wollen. Bewerbungsgespräche in Gruppen sind ... eine Qual für die, die am Ende des Tisches sitzen muss.
Eine Personalerin, ein Redakteur mit Sonderaufgaben (Volontärsbetreuung) und ein Chefredakteur sitzen mit einem männlichen Journalistikstudenten, noch einem männlichen Journalistikstudenten und einem weiblichen Journalistikstudenten an einem Tisch und reden. Was klingt wie der Beginn eines Witzes ist ... nur bedingt zum Lachen geeignet. Die drei Fragezeichen sind die dritte Gruppe an diesem tristgrauen Novembernachmittag. Kandidat eins hat sich in einen Anzug gestopft und eine schwarze
Aktenmappe bei sich, sein Aftershave kitzelt ein wenig aufdringlich in
der Nase. Kandidat zwei ist der Junge von nebenan mit dem gewissen Etwas zum Pferdestehlen, leger und doch schick gekleidet. Kandidat drei hat sich beim Friseur vorgestern noch einen Bob schneiden lassen, trägt einen schwarzen Rollkragenpullover zur dunkelgrauen Hose und eine noch fast neue Lederjacke. Hinsetzen. Es geht los. Nach der dritten Frage, das allgemeine Geplänkel zu den mit Anfang 20 noch recht überschaubaren Biografien hat der Chefredakteur schnell hinter sich gelassen, dämmert Kandidat drei, dass das Immer-der-Reihe-nach immer der Reihe nach immer so weiter gehen wird. Erst eins, dann zwei, dann drei ... zur Lage der Nation, Obamas Wahlkampf, Bankenkrise, Bundeskanzlerin, wer ist eigentlich derzeit Ministerpräsident von NRW, welcher Partei gehört der schleswig-holsteinische Amtskollege an, wieso eigentlich Journalist werden ... eins, zwei, drei ... eins, zwei, drei.
Eins redet viel und, das muss neidlos anerkannt werden, ganz passabel. Eins zitiert aus Leitmedien. Eins weiß Bescheid. Eins redet wirklich ziemlich viel. Eins hört sich dabei auch gerne selbst zu. Aus eins könnte echt was werden in dieser Welt, denkt sich drei. Zwei wohl auch. Zwei fällt eins irgendwann mit rotem Kopf, vielleicht überrascht von der eigenen Courage, ins Wort. Mit zwei könnte drei echt mal ein Bierchen trinken gehen, denkt sich drei, wenn zwei nicht Konkurrent von drei wäre. Drei ist immer ganz am Ende dran. Eins und zwei haben dann eigentlich schon alles gesagt. Drei muss ganz tief im Kopf graben, mit anderen Worten die Worte der anderen wiederholen ... oder widersprechen. Sich die Konzeption einer Sonderseite zu den Bauverzögerungen der teuren regionalen Bahnstrecke sollen sich die Kandidaten zum Schluss ausdenken. Aber nicht im Team ... eins, zwei, drei. Zwei fallen die drei Sachen ein, die eins noch nicht vorgeschlagen hat. Drei findet, eingeleitet von einem breiten Ähm sogar noch was und stößt beim Graben im Kopf auf eine wie Reizhusten auszustoßende Idee: Vielleicht ein paar der Sachen streichen, damit es am Ende nicht drei Sonderseiten werden, wie wäre denn das, nur mal so, theoretisch? Schweigen. Chefredakteur grinst schief. Ein paar Sachen müsste man streichen, damit es nicht drei Sonderseiten werden, sagt er selbstzufrieden. Zeit ist um. Eins, zwei, drei ... müssen jetzt gehen. Eins sagt "Tschüss", zwei sagt "Tschüss", drei sagt mit plötzlich keimendem Selbstbewusstsein "Auf Wiedersehen". Klappt. Einen Tag später bekommt drei den Anruf, dass sie dabei ist. Zwei auch. Eins nicht.
Dies ist auch der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Zwei und drei gehen noch Jahre später immer mal wieder ein, zwei Bierchen miteinander trinken.
1 Kommentar:
So isses!
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